ÖSTERREICH / SYRIEN: Rückkehr nach Syrien

von Constanze Warta, EBF, 10.01.2025, Veröffentlicht in Archipel 343

Bereits einen Tag nach dem Umsturz in Syrien, am Montag, den 9. Dezember 2024, fiel der österreichische Innenminister Gerhard Karner mit der Meldung auf, dass er ab sofort eine Aberkennungsoffensive der Aufenthaltsgenehmigung für Syrer·innen starten werde.

Alle Asylberechtigten, die kürzer als fünf Jahre in Österreich leben, könnten nun den Schutzstatus verlieren. Konkret will das Innenministerium bei 40.000 Syrer·innen, die in den letzten Jahren in Österreich Asyl bekommen haben (von insgesamt 95 000) überprüfen, ob der Schutzstatus heute noch Gültigkeit hat. Laut Karner «muss ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm vorbereitet werden. Geordnet insofern, als dass wir den Schwerpunkt bei den Abschiebungen auf jene legen, die kriminell sind, sich nicht unserer Kultur anpassen wollen oder nicht bereit sind zu arbeiten, und nur von Sozialleistungen leben», erklärte der reaktionäre Innenminister und fügte dem bei, dass ja aus dem Libanon die Leute auch zurück nach Syrien gehen würden. Dass im Libanon nicht dieselbe Situation herrscht wie in Österreich, Deutschland oder sonst wo in Europa, ist ihm wohl noch nicht aufgefallen. Und dass in diesem kleinen, vergleichsweise armen Land, eine Million Syrer·innen Zuflucht gefunden hatten, hat er auch nicht bemerkt. Hauptsache, es herrscht Ordnung in Österreich!

Wir sind also in der Alpenrepublik – und leider nicht nur hier – wieder einmal an einem Punkt angelangt, wo menschenwürdiges Denken und Handeln zur Ausnahme geworden ist und strukturelle Ausländerfeindlichkeit zur Normalität. Neun Länder des europäischen Kontinents (Frankreich, Deutschland, Norwegen, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Schweden, das Vereinigte Königreich und die Schweiz) haben nach dem Fall Assads umgehend angekündigt, die Prüfung der gestellten Asylanträge von Syrier·innen auszusetzen.[1]

Natürlich sind auch wir sehr erleichtert und erfreut, dass der Massenmörder und Tyrann Baschar El Assad endlich das Weite suchen musste. Doch wie wir alle wissen, ist die politische Situation in Syrien vorläufig sehr ungewiss. Zur Zeit kann niemand sagen, wie und mit wem die zukünftige Regierung arbeiten, wie sie sich gegenüber Frauen und Nichtmuslim·innen verhalten wird. Abgesehen davon ist Syrien von Bomben zerstört und die Menschen, die jetzt zurückkehren, haben erst einmal kein oder zumindest kein intaktes Zuhause.

Als Österreicherin schäme ich mich für diesen Innenminister, der nichts im Herzen hat und nichts im Hirn. Zum Glück gibt es Andere, die auch etwas zu sagen haben und nicht so brutal vorgehen möchten. Birgit Sippel z.B., eine sozialdemokratische Abgeordnete des Europäischen Parlaments mit langjähriger Erfahrung in der Migrationspolitik, meint: «Menschen zurück nach Syrien abschieben? Ich denke, dafür ist es viel zu früh, denn wir wissen nicht, wie es weitergehen wird. Wird das Land in Frieden leben? (…) Es ist ein bisschen komisch zu sehen, dass auf der einen Seite die Mitgliedsstaaten bereits darüber sprechen, Menschen zurück nach Syrien zu bringen, und andere sind besorgt, dass die Dinge noch schlimmer werden könnten.» Wir vom EBF hoffen natürlich, dass in Syrien jetzt eine friedlichere Zeit beginnt und plädieren dafür, dass alle Syrer·innen selber wählen können, ob und wann sie zurückkehren möchten.

Constanze Warta, EBF

  1. In den 13 Jahren des Krieges, also seit 2011, sind 6,6 Millionen Syrer·innen aus ihrem Land geflohen; vor allem in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien.

In Europa hat Deutschland die grösste Zahl an Geflüchteten aus Syrien aufgenommen – fast eine Million. 200.000 syrische Geflüchtete leben in Schweden, 95.000 in Österreich. 45.000 Syrer·innen haben in Frankreich Zuflucht gefunden.