RUMÄNIEN / UMWELT: Ein vorläufiger Sieg gegen Pestizide

von Nicholas Bell, Radio Zinzine, EBF, 08.06.2025, Veröffentlicht in Archipel 348

Seit vielen Jahren moderiere ich «Le Génie des Alpages», eine wöchentliche Sendung auf Radio Zinzine1, die sich mit ländlichen und ökologischen Fragen und Kämpfen befasst. Leider kommt es nur selten vor, dass wir über Erfolge berichten können. Doch kürzlich durften wir einen grossen, aber leider noch nicht endgültigen Sieg aus Rumänien feiern – in einer Direktschaltung mit Ramona Duminicioiu.

Der entschlossene und mutige Kampf gegen gefährliche Pestizide zeigt endlich Wirkung. Seit zwölf Jahren hat das Landwirtschaftsministerium Ausnahmeregelungen für in der EU verbotene Pestizide gewährt und damit grossen landwirtschaftlichen Betrieben ermöglicht, diese auf riesigen Ackerflächen auszubringen. Wir kennen Ramona Duminicioiu seit über zwanzig Jahren, zunächst als Aktivistin gegen genveränderte Organismen (GVO) und später als Mitglied des Vereins Eco Ruralis, der traditionelle und biologische Landwirt·innen vertritt. Heute ist sie die Vorsitzende dieser Initiative. Im Januar 2025 beschlossen Eco Ruralis und Romapis, ein Dachverband rumänischer Imker-Vereine, dass es endlich Zeit sei, zu reagieren, da das Ministerium gerade diese Ausnahmegenehmigungen für die nächste Saison verlängert hatte. Es geht dabei um Saatgut, vor allem von Sonnenblumen und Mais, das mit drei seit 2018 in der EU verbotenen Neonicotinoiden beschichtet ist. Das ist keine Kleinigkeit, denn nicht weniger als drei Millionen Hektar2 sollten mit diesem giftigen Saatgut ausgesät werden. Die beiden Verbände haben daher Klage gegen diese Ausnahmegenehmigungen eingereicht. Dabei verfolgen sie einen doppelten Ansatz: Zunächst legten sie Rekurs ein, um die im Dezember 2024 angekündigten Ausnahmegenehmigungen auszusetzen, und parallel dazu strengten sie ein Verfahren an, mit dem Ziel, diese endgültig abzuschaffen. Das Europäische Bürger·innen Forum hat für dieses juristische Vorgehen einen finanziellen Beitrag geleistet, indem es Eco Ruralis bei der Bezahlung des Anwalts und der Deckung weiterer Gerichtskosten unterstützt hat.

Sofort bildete sich eine unheilvolle Allianz aus dem Landwirtschaftsministerium, mehreren Vereinigungen grosser landwirtschaftlicher Betriebe3 und zwei Chemieunternehmen, Alcedo und Alchimex. Sie diffamierten und bedrohten die beiden Verbände, die angeblich nicht in der Lage seien, diese grossen landwirtschaftlichen Fragen zu verstehen oder zu behandeln. Sie liessen verlauten, dass die Ernährungssicherheit des Landes auf dem Spiel stünde, während im Gegensatz dazu das Umwelt- und das Gesundheitsministerium ihre Unterstützung für die Demarchen der beiden Vereine bekundeten.

Das Urteil des Berufungsgerichts von Cluj fiel am 18. März dieses Jahres: Aussetzung der Ausnahmegenehmigungen – ein erster grosser Sieg. Die Pestizidbefürworter legten sofort Berufung gegen diese Entscheidung ein und beantragten in einem seltenen und überraschenden Schritt beim Obersten Kassationsgericht die Aussetzung der Aussetzung. Dieser Eilantrag wurde am 29. April geprüft, das Gericht bestätigte jedoch die Aussetzung: Die Neonicotinoide bleiben somit verboten, ohne dass Ausnahmegenehmigungen möglich sind. Bis zur Prüfung der Berufung des Landwirtschaftsministeriums und seiner Verbündeten4 steht bereits fest, dass die grossen Agrarunternehmen das von ihnen erworbene beschichtete Saatgut nicht mehr verwenden können, was die Pestizidbefürworter in Landwirtschaft und Industrie noch wütender macht. Eco Ruralis und Romapis sind kleine Verbände und besorgt über den aggressiven Druck dieser mächtigen Akteure.

Sie geniessen jedoch die Unterstützung einer grossen Mehrheit der rumänischen Bevölkerung. Im vergangenen April ergab eine Umfrage, dass 89 Prozent der Bürger·innen Lebensmittel ablehnen, die mit Pestiziden hergestellt werden. Ausserdem sprechen sie sich gegen den Einsatz von Pestiziden aus, die von der EU verboten sind. In ihrer Erklärung vom 30. April stellen Eco Ruralis und Romapis klar: «Es gibt Alternativen, und es ist Zeit für einen Wandel. Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Verbot nicht das Ende bedeutet, sondern eine Chance für die rumänische Landwirtschaft. Es gibt legale Mittel auf dem Markt zur Schädlingsbekämpfung, die sich in anderen Mitgliedstaaten als wirksam und nachhaltig erwiesen haben. Diese Mittel müssen nur von den grossen Betrieben verstanden, gefördert und übernommen werden, wie dies in der übrigen EU der Fall ist. Grosse Landwirte und Landwirtinnen haben noch die Möglichkeit, auf unbehandeltes Saatgut oder weniger schädlingsanfällige Kulturen umzustellen, und der Staat muss eine aktive Rolle spielen, indem er den Übergang durch Information, Subventionen und öffentliche Forschung unterstützt. Es geht um eine kollektive Verantwortung für ein sicheres, qualitativ hochwertiges, legales und nachhaltiges Lebensmittelsystem. Die Bürger·innen und die Justiz senden eine klare Botschaft aus: Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und Biodiversität sind Prioritäten und keine Verhandlungsobjekte der Politik. Die politischen Parteien müssen diesen Erwartungen gerecht werden. Die Stimme der Bürger·innen muss zählen, insbesondere wenn die Justiz bestätigt, was die Menschen laut und deutlich sagen: Rumänien will keine gefährlichen Pestizide, die in der Europäischen Union verboten sind.»

Nicholas Bell, FCE, Radio Zinzine

  1. Regionaler unkommerzieller Radiosender in Südfrankreich.
  2. Rumänien verfügt über insgesamt 10 Millionen Hektar Ackerland
  3. Mitglieder der «Europäischen Vereinigung der landwirtschaftlichen Genossenschaften und Verbände», Copa-Cogeca,
  4. Der Termin ist noch unbekannt.

Kommentar zur Wahl

Seit den November-Wahlen 2024 ist das rumänische Parlament gespalten, und die Parteien sind weithin orientierungslos. Die formell sozialdemokratische PSD könnte in einen linken und einen nationalistischen Flügel zerfallen. Die Mai-Wahl von Nicușor Dan zum Präsidenten ist jedoch mehr als das berühmte blaue Auge. Ein Sieg des Hooligans George Simion wäre eine Katastrophe gewesen: Er hätte den Scharlatan Călin Georgescu zum Premier ernannt und die PSD wäre zur Königsmacherin einer ultrarechten Regierung geworden. Die Wahlbeteiligung der Stadtbevölkerung und der ungarischen Minderheit konnte dieses Szenario vorerst verhindern. Es braucht aber mehr. Ohne Parteien, die den Menschen in Stadt, Land und Diaspora Antworten auf soziale Fragen anbieten, wird bei Neuwahlen den Rechtsextremen der Sieg sicher sein.

Jochen Cotaru, EBF-Rumänien