Die hochgradig schädliche Chemiefabrik Arkema im Rhône-Tal wurde Anfang März von Aktivist·innen attackiert. Diese wurden daraufhin festgenommen – im Juni soll über sie geurteilt werden. Dabei gingen sie gegen Substanzen vor, die gemeinhin als «Jahrhundertgifte» (oder «forever pollution»,) bezeichnet werden. Die jüngsten Bilder wirkten spontan bekannt; tatsächlich erinnerten sie frappierend an diejenigen, welche im vergangenen Jahr bei der «Entwaffnung» einer besonders umweltschädlichen Zementfabrik aufgenommen worden waren.[1]
Auch an diesem Wochenende waren sie wieder in weissen und grösseren Gruppen unterwegs: die rund 300 Umwelt- und Klima-Aktivist·innen, die am vorigen Samstag, den 2. März 24 in die Chemiefabrik des französischen Konzerns Arkema im Rhônetal unweit von Lyon eindrangen. In der Lyoner Vorstadt Oullins-Pierre-Bénite hingen sie unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift «Gift» und einem Totenkopf an dem Werk auf, zerschlugen Glasscheiben und holten Tische und Einrichtungsgegenstände nach draussen. Danach ertönte zwar in den Medien das Hohelied von der Sachbeschädigung und der Illegalität, doch die Aktion wirkte – denn den ganzen Samstagabend über redete man bei bürgerlichen Sendern von dem, worum es den Aktivist·innen ging, nämlich die Verseuchung des Rhôneflusses, der Landschaft und der Menschen mit so genannten PAFS, im Französischen auch als «polluants éternels» (ewige Umweltgifte), im englischen Sprachgebrauch als «forever pollution» und im Deutschen auch als «Jahrhundertgifte» bekannt. Alle hatten davon gehört, doch Arkema stellt sie her.
Die Firma wiederum gab dazu bekannt, die Aktion komme zum falschen Zeitpunkt, weil man ohnehin geplant habe, noch in diesem Jahr die Umwelt nicht länger durch PAFS zu verschmutzen. Teufel aber auch, es trifft immer die falschen Unternehmen, weil die, die zum Ziel von Aktionen werden, stets gerade drauf und dran waren, richtig gut zu werden… Hätte man sie nur lassen… Leider werden sie nur immer auf dem falschen Fuss erwischt. So ein Pech! In Wirklichkeit verhielt es sich allerdings eher so, dass die regionalen Behörden – ihrerseits durch die Veröffentlichungsserie vom vorigen Jahr zu PAFS (u.a. durch die Süddeutsche Zeitung und Le Monde) unter Druck gesetzt – Arkema anordneten, bis zum Jahresende 2024 die Freisetzung von PAFS «drastisch zu reduzieren».
Was jedoch real daraus wird (jaja, die gute alte Erpressung mit dem Arbeitsplätze-Argument gibt’s übrigens auch noch) und wie «drastisch» die Reduktion dann wirklich aussieht, tja, das bleibt vorläufig noch abzuwarten. Wie nun nach dem Ende des Polizeigewahrsams für die festgenommenen Aktivist·innen bekannt wurde, sollen acht identifizierte Teilnehmer·innen wegen, hoppla, «Bildung einer Vereinigung zur Begehung von Gewalt gegen Personen oder Sachen» vor Gericht gestellt werden. Gegen eine Person unter ihnen soll überdies wegen gewaltsamen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Anklage erhoben werden, gegen ihrer fünf wegen Sachbeschädigung. Der Prozess dazu wurde auf Juni dieses Jahres angesetzt.
Bernard Schmid
- Siehe Archipel Nr. 327, Juli 2023, «Aufstände der Erde verboten»