AKTUELL: Auf dem Weg zu einer künstlichen Welt (Dritter Teil)

de Jean Duflot, 4 juin 2005, publié à Archipel 127

In den beiden vorhergehenden Artikeln habe ich versucht, einen - natürlich unvollständigen - Überblick über die Bedrohungen der Artenvielfalt und die bereits entstandenen Schäden zu geben.

Die Texte scheinen pessimistisch und könnten angesichts der Ausmaße des anscheinend unabwendbaren Desasters viele abschrecken. Dies wäre aber eine schlechte Einschätzung der Regenerierungskraft des Ökosystems und des dynamischen Widerstands, der die Regierungsinstanzen immer mehr dazu drängt, Zerstörung und Plünderung zu bremsen - die Gesellschaft ist auf der Hut.

In den letzten zwanzig Jahren haben sich überall auf der Erde verantwortungsbewusste Frauen und Männer über die Schwerfälligkeit der Staatsapparate und der offiziellen Institutionen hinweggesetzt und immer wieder Neuerungen im Bereich des Umweltschutzes durchgesetzt.

Wissenschaftler, Umweltschützer, militante Vereine, Bauerngewerkschaften, Gebietskörperschaften oder einzelne Bürger entwickelten neue Methoden zur Erhaltung von bewährten ländlichen Aktivitäten, bildeten Netzwerke für die Erhaltung der Kontrolle über das Saatgut, gegen die Gentechnologie, gegen die Patentierung von Lebewesen usw. Es gibt Gruppierungen, die sich für biologische Landwirtschaft oder neue Anbaumethoden einsetzen, Bauerngewerkschaften, Produzentenverbände, landlose Bauern usw. Der Widerstand wächst und nimmt für die Verwüster des Planeten immer irritierendere Formen an.

Schutzmaßnahmen In Frankreich wurde mit Hilfe des Nationalen Museums für Naturgeschichte, der Nationalen Behörde für Jagd und Wildbestand, der acht botanischen Konservatorien und verschiedener Vereine ein Inventar des biologischen Bestands erstellt. Es betrifft 14.755 Naturschutzgebiete mit einer Fläche von 16 Millionen Hektar (das sind 24,5 Prozent des französischen Territoriums). Dieses Inventar widmet der Vogelwelt in 285 dem Vogelschutz vorbehaltenen Zonen (ZICO) auf 4,7 Millionen Hektar besondere Aufmerksamkeit. Es dient dazu, die Arten zu klassieren sowie Veränderungen und Verluste von Populationen genau festzustellen.

Auf Initiative von verschiedenen Regionalbehörden wurden mit staatlicher Unterstützung in 79 Departementen «Landschaftsatlanten» angelegt. 18 Hauptwege verbinden 765 Beobachtungspunkte, die in regelmäßigen Abständen Bilder der französischen Landschaften liefern. Hinzu kommt die Überwachung per Satellit, die den Zustand der Gebiete genau dokumentiert. Wenn die Politiker die Mittel nützten, die ihnen zur Verfügung stehen, könnten viele Schäden vermieden und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Das Ziel des zivilen Widerstandes ist es, ein Kräfteverhältnis zu schaffen, das Regierungen und Wirtschaftsmächte dazu zwingt, ihre Flucht nach vorn in Form von immer mehr Wachstum und Fortschritt zu stoppen und auf sämtliche Gesetze zu verzichten, welche die Plünderung des Planeten legitimieren. Viele Menschen zögern jedoch noch, die offiziellen Wege zu verlassen, um sich der ausbeuterischen und umweltzerstörenden Logik entgegenzustellen.

Die Erwartung einer radikalen Umkehr in Bezug auf die Natur darf aber auch nicht bedeuten, die bereits in Angriff genommenen Veränderungen zu ignorieren, auch wenn sie unzureichend sind. Man kann sich im Kampf um das Überleben und die biologische Vielfalt diesen Luxus nicht leisten. Solche Veränderungen, die nur dank hartnäckigem Kampf eintreten, können durchaus als Risse im System angesehen werden.

Dies ist zum Beispiel der Fall bei den Abkommen, die rund um die Auflagen von Natura 2000 abgeschlossen wurden. Die Auflage von April 1979 über die Bewahrung der Wildvögel hatte in Frankreich die Schaffung von 174 Schutzzonen (ZPS) zur Folge, die sich über etwa 1.500.000 Hektar erstrecken. Die Ergänzung von Mai 1992 über die Bewahrung der natürlichen Wohnstätten und der wilden Fauna und Flora hat den Raum der Europäischen Union in sechs biogeographische Regionen aufgeteilt, denen eine strenge Verwaltung auferlegt ist. Frankreich zählt 4 Regionen (eine alpine, eine kontinentale, eine atlantische und eine mediterrane), das heißt 1219 Stätten (4.200.000 ha, davon 480.000 ha Wasserfläche), welche diesen Auflagen unterstellt sind.

Verträge

Es gibt in Frankreich 44 regionale Naturparks, die von einem gemischten Gremium verwaltet werden und deren problematische Aufgabe es ist, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen. Sie bestehen in 23 Regionen und 68 Departementen und besitzen eine Charta, die zwischen verschiedenen Institutionen und Akteuren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens ausgehandelt wurde. Diese Strukturen erleichtern die Kontrolle durch die Bürger, beziehen sie doch ungefähr 3700 Gemeinden auf dem ganzen Staatsgebiet mit ein. Diese Verwaltungspraxis scheint immer beliebter zu werden: Derzeit sind sieben solche Projekte in Planung. Meistens sind es lokale Vereinigungen, die regionale und staatliche Aufsichtsbehörden (Umwelt, Landwirtschaft, Bau) dazu gebracht haben, Projekte zur Wiederherstellung von stark bedrohten Landschaften zu lancieren und dafür in 43 Fällen eine Finanzierung im Rahmen des Programms «Opérations grand site » erhalten haben.

Diese Verbesserungen haben auch einen kommerziellen Aspekt und der Tourismusminister zählt auf die Einkünfte, welche die 22 Millionen jährlichen Besucher abwerfen. Ob das nun Strategien zur Erhaltung sind oder der Verschleierung der Misere der französischen Landwirtschaft dient, die wegen ihrer Rekorde in der Umweltverschmutzung durch Nitrate im Grundwasser in ein sehr schlechtes Licht geraten ist, bleibe dahingestellt. Jedenfalls sollen Fünfjahrespläne der Gesundung von Flora und Fauna dienen und die Wiederansiedlung von im Verschwinden begriffenen Arten ermöglichen. So haben 53 Departemente ein Inventar ihrer Bäume in Angriff genommen, und ökologisches Bewusstsein macht sich mehr und mehr auch in Entscheidungsinstanzen bemerkbar.

Davon zeugen die sieben Nationalparks (Vanoise, Port-Cros, Pyrénées, Cévennes, Ecrins, Mercantour, Guadeloupe) und die drei in Angriff genommenen Projekte (Guayana, Mer d’Iroise, Hauts de la Réunion), die unter öffentlicher Verwaltung stehen. Ferner kommen 156 nationale Naturreservate zu Land und zu Wasser hinzu, die dem Artenschutz dienen und vor dem räuberischen Zugriff des Menschen geschützt das Studium ihrer Entwicklung ermöglichen.

Weniger an den Zentralstaat gebunden und dadurch zugänglicher für Bürgerinitiativen sind die Verfügungen der Präfekturen zum Schutz der Biotope. 2005 haben 516 solcher Verfügungen 275.000 Hektar vor der Bedrohung durch Industrie und Landwirtschaft bewahrt. Mehr und mehr betroffen von der Verschlechterung ihres Lebensraums entdecken die Bürge-rinnen und Bürger, dass sie das Recht haben, Bebauungspläne, Baubewilligungen und Landschaftsschutzklauseln, die in den Bestimmungen der lokalen Naturschutzparks enthalten sind, selbst zu prüfen.

Netzwerke des Widerstands

Dank der Wachsamkeit von Umweltaktivisten gibt es zur Zeit an die 1200 lokale Reglementierungen, welche Unternehmen wie zum Beispiel Télécom , die Elektrizitätsgesellschaft EDF, Straßen- und Brückenbauamt, SNCF (Eisenbahn), usw. dazu zwingen, Kriterien der Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen. Bürgervereinigungen spielten eine wichtige Rolle bei der Errichtung von Uferschutzzonen (300 geschützte Naturgebiete mit 861 km Uferlinie), sowie 21 regionale Schutzgebiete, wo die Bewohner dazu angehalten werden, den Boden in herkömmlicher Weise zu bewirtschaften. Ferner ist zu erwähnen, dass 71 Departemente einer Steuer zugestimmt haben, welche es ermöglicht, Schutzzonen zu erwerben und zu betreiben, Umweltmuseen einzurichten oder sich wieder um traditionelle Gemeindeländereien zu kümmern.

Tatsächlich haben friedliche Kampfmittel wie etwa diejenigen der brasilianischen Landlosenbewegung MST dazu geführt, dass durch einen Regierungsbeschluss fünf Millionen Hektar Regenwald im Amazonasgebiet dem Zugriff der multinationalen Konzerne entzogen werden konnte.

Im Kongobecken führte der öffentliche Druck zu einem partnerschaftlichen Abkommen, das eine verbesserte Nutzung der Wälder in den Ländern der äquatorialen Zone zur Folge hatte. In Burma kämpft die Opposition, unterstützt durch eine internationale Kampagne von einigen NGOs für die völlige Einstellung der Erdölförderprojekte der Firma TOTAL. In Indien ist der siegreiche Widerstand von Millionen von Bauern in der Geburtsregion von Gandhi zum Paradebeispiel des Kampfes gegen den Monsanto-Konzern und die Diktatur der agro-chemischen Industrie geworden.

Auch im bescheidensten Rahmen wie demjenigen der Regionen, der lokalen Zusammenschlüsse und der Vereine fehlt es nicht an Initiativen. Ihnen sind die Errichtung und Verwaltung von Schutzzonen zu verdanken (Baumbestände, Reservate zu Land und zu Wasser, regionale Naturparks), aber auch ein entschiedenes Vorgehen bei der Reglementierung und der Bewahrung der biologischen Vielfalt. In diesem Zusammenhang entwickeln sich Synergien, die es erlauben, ökonomische Zwänge und das Gleichgewicht der Ökosysteme aufeinander abzustimmen. Wie man anlässlich des 9. weltweiten Tages der feuchten Gebiete im regionalen Park des Marschlandes von Cotentin und Bessin sehen konnte, ist es möglich, die landwirtschaftliche Produktion und den Schutz der Flora und Fauna miteinander in Einklang zu bringen. Haushälterischer Umgang mit Wasser, maximale Reduktion des Schadstoffausstoßes, drakonische Kontrollen von Pflanzenschutzmitteln und der Jagd, das Mähen der Wiesen im Einklang mit dem Lebenszyklus der Vogelwelt - all diese präventiven Maßnahmen führen dazu, dass die Angestellten des Parks und die Benutzer des Biotops eng zusammenarbeiten müssen. Das Modell scheint auch andere Regionen zu überzeugen, wo Ökonomie und Ökologie miteinander im Konflikt stehen (Bucht der Somme, Marschland von Poitevin, Camargue).

Die meisten als Lagunen, Ufermarschland, Torfmoore, Flusstäler oder Teiche klassierten Gebiete gehen auf die Initiative von lokalen Zusammenschlüssen oder Gruppen von besorgten Einzelpersonen zurück, die auf die lokalen Behörden Druck ausgeübt haben.

Konfrontiert mit dem gleichzeitigen Auftauchen der Globalisierung des Handels einerseits und der Dezentralisierung, die sich durch den Rückzug des Staates aus vielen Bereichen entwickelt hat, beginnt die Zivilgesellschaft, auf lokaler Ebene den Widerstand zu strukturieren. Überall wo Lebensweise und Produktionsform die Umwelt bedrohen, wie etwa im Industriesektor, dem Transportwesen, der Bewirtschaftung des Bodens, der Verstädterung, des Tourismus oder der Landwirtschaft, nehmen die Bürger ihr Recht auf Einmischung in öffentliche Angelegenheiten wahr. Das ist der Fall bei den militanten Netzwerken, welche die Fixiertheit der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft EDF sowie deren Energiemonopol bekämpfen, indem sie sich für den Ausstieg aus der Atom-energie einsetzen, aber auch bei Gruppierungen, die an der Entwicklung von erneuerbaren Energien arbeiten (Sonnenenergie, Windkraftanlagen, Biomasse), Vereinigungen, die gegen die Verschmutzung der Meere protestieren, gegen die Schäden, die der Ausbau von Infrastrukturen anrichtet, etwa die Annexion von Landwirtschaftsflächen beim Bau von Flugplätzen, Bergstraßen oder Autobahnen.

Sie organisieren sich für die Beobachtung von Vorgängen und für ein allfälliges Einschreiten, sogar für zivilen Ungehorsam. Sie bekämpfen sofort Entscheide, die dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen oder einen Machtmissbrauch darstellen.

Manchmal sind die Gruppierungen eingebunden in Gewerkschaften wie die Confédération Paysanne , in politische Strukturen wie Attac oder die Bewegung der Globalisierungskritiker, aber auch autonom setzen sie sich für die Erhaltung bestimmter Landstriche ein, bestehen als Netzwerke und Ökodörfer. Eine Vielzahl von Protestorganisationen kämpfen gegen die Verwüstungen durch die Agrarindustrie, gegen den Einsatz von Biotechnologie in der landwirtschaftlichen Produktion und die Patentierung von Lebewesen.

Man findet sie an vorderster Front im Kampf gegen genetisch manipulierte Organismen, wo sie Versuchsfelder abmähen, gegen die Saatgutkonzerne, gegen die Schäden, die durch Industrie und Landwirtschaft angerichtet werden.

In der Landwirtschaft wird man auch am deutlichsten die Reichweite der Maßnahmen und Initiativen zur Erhaltung der Artenvielfalt spüren. Die Vernetzung der verschiedensten Organisationen ist eine Tatsache und zeigt sich durch die Wiederbelebung einer Reihe von Anlässen wie lokale Märkte, Messen, Ausstellungen, aber auch an Orten, wo traditionellerweise der Erhalt von im Aussterben begriffenen Sorten und von verloren gegangenen Kenntnissen und Fertigkeiten gefördert wird.

Das Fest, als Beispiel

Wer das Vergnügen hatte, an Veranstaltungen teilzunehmen wie die Bio-Tage in Marseille, die Märkte von Païsalp (siehe Archipel Nr. 103), die Tage der Biodiversität in Arles oder die Veranstaltung über Bäume, Pflanzen und Früchte in St. Jean-du-Gard, weiß, dass Widerstand auch festliche Formen annehmen kann, dass die politischen Kämpfe, die damit zum Ausdruck kommen, die pädagogischen Debatten und selbst die Zur-Schau-Stellung landwirtschaftlicher Erzeugnisse auf diese Weise an Effizienz gewinnen.

Beim Treffen in Forcalquier im Februar 2003, das vom Europäischen Bürgerforum, der Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne und etwa 100 Bauern aus 16 Ländern West- und Osteuropas organisiert wurde , war eine gemeinsame Definition qualitäts- und umweltbewusster Landwirtschaft erarbeitet worden. Trotz der Verschiedenartigkeit der Arbeitsweisen und der Milieus bildete sich ein Konsens rund um die Charta von Païsalp : Ablehnung der von der GLP (Landwirtschaftspolitik der EU) festgesetzten Normen, totale Ablehnung der industriellen Landwirtschaft, Produktion gesunder Nahrungsmittel, autonome Verarbeitung lokaler Erzeugnisse, Beschränkung der Betriebsgröße, Verbesserung der Beziehungen zu den (oft eingewanderten) Arbeitskräften, Direktverkauf, Verbreitung dieser «Philosophie» – Prinzipien, die heute über die Grenzen einer einzelnen Region hinausgehen.

Dies wurde bei den «Europäischen Bauerntagen» vom Oktober 2004 bestätigt. Vereinigungen wie Idoki aus dem Baskenland oder Coppla Kasa aus Österreich, Produzenten aus dem Rhonetal und slowenische Bauern, italienische Winzerinnen und Gemüseproduzenten aus der Region von Madrid hatten erstaunlich ähnliche Sichtweisen – man ertappte sich sogar dabei, von einem anderen Europa zu träumen als dem der EU... Solche Veranstaltungen zeigen, dass das Interesse für die Artenvielfalt einem sozialen Bedürfnis entspricht. Die Stände mit Erzeugnissen wie Käse, Honig, Gemüse, Geflügel, Fleischkonserven, Getreide, Wein, Blumen, Heilkräutern usw. waren nicht nur eine Augenweide, sondern regten konkret zum Nachdenken an. Die Biodiversität verlor den abstrakten Charakter eines Konzepts, Politik war nicht mehr nur ein Diskurs über eine entfernte Realität.

Der Zustrom bei jährlich stattfindenden Veranstaltungen wie in Arles oder St. Jean-du-Gard ist ein ermutigendes Zeichen.

Die Vereinigungen, die daran teilnehmen, haben begriffen, dass diese Zusammenkünfte Anlässe sind, an denen sich auch eine politische Tribüne darbietet. Neben ihrer Funktion der Bewahrung der natürlichen Vielfalt können sie bei solchen Gelegenheiten ihre Standpunkte darüber konfrontieren, wie in der Zukunft der Teufelskreis der produktivistischen, zerstörerischen Wirtschaft durchbrochen werden kann.

Forscher, Bauern, Tierärzte, Viehzüchter halten Konferenzen ab, das Publikum wird mit Tatsachen und Alternativen konfrontiert, welche die Agro-Industrie und die Großverteiler hinter Überfluss und Werbung verbergen. Es geht darum, so viele Menschen wie möglich an der Erhaltung eines jahrhundertealten Erbes zu beteiligen und um Emanzipation auf einer sehr praktischen Ebene.

Von der Erinnerung zur Utopie

Das Publikum macht mit den verheerenden Folgen der industriellen Landwirtschaft Bekanntschaft: Innerhalb von zwei Jahrzehnten sind Hunderte von Pflanzenarten aus den Biotopen verschwunden, ebenso Dutzende von Baumarten. Dem Forscher Jean-Pierre Berlan zufolge geben die Statistiken des Nationalen Instituts für landwirtschaftliche Forschung an, dass 300 Tierrassen ausgestorben seien; 1350 seien vom Aussterben bedroht.

Die heutige standardisierte Landwirtschaft verwendet etwa dreißig Pflanzenarten und Getreidesorten, etwa 15 Tierrassen bilden die Grundlage der Viehzucht.

Die Gentechnologie, angeblich im Dienste des Nahrungsgleichgewichts auf der Erde, könnte die Existenz von 2 bis 3 Milliarden Menschen gefährden, die von der Landwirtschaft leben. Die Herstellung von genetisch veränderten Organismen, die von multinationalen Konzernen wie Limagrain, Dupont-Pioneer, Novartis oder Monsanto betrieben wird, visiert eine künstliche Selektion der Arten an, sterilisiert ihre Reproduktionsmechanismen und beschleunigt den Rückgang der Biodiversität. Der Fall des gegen das Pestizid Round-up resistenten Raps ist charakteristisch für die Profite, die auf diese Weise erzielt werden: Ein Zentner Saatgut kostet 22 Euro, es braucht 7 kg pro Hektar, d.h. 1,54 Euro pro Hektar. Der Preis von Monsanto-Saatgut liegt bei etwa 60 Euro/ha (Preis des Saatguts 33,3 Euro/ha, Lizenz für die Verwendung 25 Euro/ha), dazu kommt das Glyphosat der Marke Round-up, das viel teurer ist als das Generikum.

Alles in allem liegen die Kosten für genetisch verändertes Saatgut 40 bis 50 Mal höher als die für traditionelles Saatgut, meistens mit geringerem Ertrag.

Dem gegenüber haben sich Gruppen gebildet, die sich vernetzen, um der Hegemonie der Profiteure entgegen zu wirken: Ferme de Sainte Marthe, Biau Germe, Kokopelli, Zollinger , Pro Specie rare (Schweiz), Dreschflegel (Deutschland)… Sie sind Pioniere der Rückkehr zu einer bäuerlichen Autonomie, manchmal müssen sie sich dafür über gewisse Regelungen für die Reproduktion von Lebewesen hinwegsetzen. Sie engagieren sich für die Anerkennung lokaler Sorten, sie koordinieren den Austausch, verbreiten Informationen und bringen Saatgut und Pflanzen auf den Markt.

Kokopelli ist eine Vereinigung, die Saatgut von im Verschwinden begriffenen Nutzpflanzen sammelt und vertreibt. Sie hat es geschafft, an die 2500 Sorten zu sammeln, davon 600 Tomaten-, 400 Paprika-, 250 Kürbis-, 130 Kopfsalat-, 80 Melonenarten etc.

Sie ist heute eine Schutzstätte der Artenvielfalt und kämpft gegen die Gesetzgebung in Bezug auf den Handel mit Saatgut. Auch die Vereinigung Simples zum Beispiel hat mit den französischen Gesetzen zu kämpfen, die unter den strengsten von Europa sind, was den Vertrieb von Medizinalpflanzen * betrifft. Die Pflanzenheilkunde wurde in Frankreich vor dem 2. Weltkrieg abgeschafft. Seither wird das Monopol der pharmazeutischen Firmen weiter gestärkt. Obwohl Frankreich die Konvention über die Artenvielfalt unterzeichnet hat, soll die Anzahl der zugelassenen auf Basis von Pflanzen hergestellten Medikamente reduziert werden. Immer mehr Menschen werden sich der Bedeutung der Biodiversität für das vitale Gleichgewicht bewusst. Die Debatten über das Vorsichtsprinzip beschränken sich nicht mehr auf Expertenkreise. Untersuchungen wie jene, die von der Zeitschrift Que choisir durchgeführt wurden (52 Prozent der in Supermärkten getesteten Produkte enthalten Spuren von Giftstoffen) bestätigen eine allgemeine Wachsamkeit.

Man spürt heute eine mehr oder weniger fundierte Nostalgie oder jedenfalls ein Warten auf eine Rückkehr zu einem einfacheren Leben, das der Beziehung der Menschen zur Natur nur zuträglich sein kann.

Jean Duflot

* Spanien, Deutschland, Belgien, Großbritannien und Italien haben respektive 96, 341, 366, 400 und 1034 Medizinalpflanzen zugelassen