BIODIVERSITÄT: Scheinheilige Verhandlungen

9 août 2008, publié à Archipel 162

Die 9. Vertragsstaatenkonferenz (COP9) der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) tagte im Mai 2008 in Bonn. Wer von ihr substantielle Fortschritte in Sachen Bewahrung der Vielfalt an Nutzpflanzensorten, an Pflanzen- und Tierarten und Ökosysteme erwartet hatte, musste sich enttäuscht sehen. Auch ohne die USA – das wesentliche Nichtmitgliedsland – am Verhandlungstisch zu haben, schafften es die Profiteure der Zerstörung biologischer Vielfalt, deutliche Beschlüsse zu verhindern.

Für das spezielle Themenfeld der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie war das Ergebnis der Verhandlungen zu Access and Benefit-Sharing (ABS) von besonderem Interesse: Hier wurde eine Roadmap für die weiteren Verhandlungen zu einem internationalen ABS-Regime angenommen. Danach sind drei einwöchige ABS-Arbeitsgruppentreffen und drei Treffen von Expertengruppen geplant, bevor 2010 endgültige Beschlüsse gefasst werden sollen. Dieses Ergebnis bestätigt - lediglich oder immerhin - eine schon 1992 mit der Unterzeichnung der CBD verfasste Absichtserklärung. Trotzdem wurde dieses Ergebnis als großer Durchbruch in der Presse dargestellt. Das Stagnieren dieser Verhandlungsschiene ist darauf zurückzuführen, dass rechtlich bindende ABS-Regeln die kostenlose Aneignung der biologischen Vielfalt beenden könnte – was den Pharma- und Kosmetikkonzernen nicht gefällt. Ihnen geht es lediglich um klare Zugangsregelungen, die ihren Zugriff auf die biologische Vielfalt rechtlich absichern.

Größere Aufmerksamkeit gab es für klimarelevante Themen, einschließlich des Bezuges zu Schadensbegrenzung und Anpassungsaktivitäten, Ozeandüngung und Agro-Kraftstoffen. Während es immerhin zu deutlichen Aussagen gegen die Ozeandüngung kam, gab es keine Übereinstimmung zu Nachhaltigkeitskriterien für Produktion und Verbrauch von Agrosprit. Zum ersten Mal wurde im Rahmen der CBD auch über «gentechnisch veränderte Bäume» diskutiert. Doch bestätigte die COP lediglich das Recht von Staaten, als Vorsorgemaßnahmen die Freisetzung zu verbieten. Die Forderung von internationalen sozialen Bewegungen und kritischen Organisationen ist ein Moratorium sowohl auf GVO-Bäume als auch auf Agrosprit1.

Kritische Stimmen drinnen und draußen

«NO to Agrofuels » und «NO to GE-Trees » – diese beiden Forderungen standen auch auf den orangefarbenen T-Shirts des «Orange Bloc», einer Koalition von europäischen Gruppen und AktivistInnen wie A SEED, die BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie und «Rettet den Regenwald» und der weltweiten Kleinbauernorganisation Via Campesina , von der Abgesandte u.a. aus Brasilien, Costa Rica, Mexiko, Spanien und Südkorea nach Bonn gekommen waren. Dieser Orange Bloc bildete einen Aktionszusammenhang, der am Rande der COP9 und auf der Konferenz verschiedene Protestveranstaltungen durchführte, um auf die eigentlichen Verursacher der Zerstörung von Biodiversität hinzuweisen und damit die offiziellen Verschleierungen aufzudecken.

So beispielsweise, als am 22. Mai – dem internationalen Tag der Biodiversität – die Internationale Handelskammer (ICC) eine Nebenveranstaltung zur Feier der biologischen Vielfalt durchführen wollte. Da tauchten plötzlich die «Happy Shareholders » zum Lunch auf und feierten dort – das Ziel der ICC zur Kenntlichkeit entstellend – ihren «Profit-Diversity Day». Nachmittags protestierten dann AktivistInnen des Orange Bloc in Solidarität mit Via Campesina gegen deren Ausschluß von den Reden zur Feierstunde der Agrar-Biodiversität und ließen im Sitzungssaal zwei Transparente von den Emporen: «No agrodiversity without farmers » und «Nature for people, not for business » 2 .

Zuvor hatte das Aktionsbündnis COP9 an dem Wochenende vor dem offiziellen Beginn der COP9 diverse Proteste auf der Straße organisiert. Am 17.5. demonstrierten ca. 100 Menschen aus über 14 Ländern vor der Bayer-Hauptverwaltung in Leverkusen gegen die Biodiversität zerstörende und menschenfeindliche Politik und Praxis des Konzerns. Neben verheerenden Zerstörungen durch hochgiftige Pestizide, den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und ihre Aktivitäten zur Privatisierung biologischen Materials wurde auch die Green-

washing -Kampagne des Konzerns scharf kritisiert. Der Konzern wurde wegen der Zerstörung biologischer Vielfalt und menschlicher Lebensgrundlagen sowie wegen Verursachung von Klimawandel angeklagt. Am Ende wurde ein Protest-Brief an Bayer bei der Konzernzentrale abgegeben.

Am folgenden Tag richteten sich die Proteste gegen Agrosprit. Unter dem Motto «Agrosprit ist kein Heilmittel gegen Spritabhängigkeit» wurden vor zwei Tankstellen in Bonn AutofahrerInnen spielerisch aufgefordert, sich entweder für «Nahrung» für ihr Auto oder für Nahrungsmittel zu entscheiden. Die zerstörerischen Auswirkungen von exportorientierter, monokultureller, industrieller Landwirtschaft für Boden, Wasser, Wälder – kurz: für biologische Vielfalt - werden durch den Anbau von Agrosprit potenziert. Abschluss der Aktion war eine spontane Demonstration mit ca. 60 Leuten und ein gemeinsames Picknick im Park. Zur Eröffnung der Verhandlungen am 19. Mai protestierte Via Campesina mit UnterstützerInnen vor dem Konferenzhotel Maritim gegen die Ausrichtung der CBD nach Industrieinteressen und der Ignoranz gegenüber KleinbäuerInnen und Indigenen, die von der Zerstörung der Biodiversität am meisten betroffen sind3. Die zentrale Rolle bäuerlicher Landwirtschaft für den Bestand und die Erhaltung von (Agro-) Biodiversität ist unumstritten. Trotzdem durfte die (Klein-) BäuerInnen-Organisation bei den Verhandlungen kaum Einfluss nehmen - ganz im Gegensatz dazu waren die Business-Lobbyisten über-all und ständig vertreten.

Saatgutmarkt

Am Nachmittag war das Haus des «Bundes Deutscher Pflanzenzüchter» (BDP) in Bonn Ziel einer Demonstration, da der BDP sich um schärfere geistige Eigentumsrechte auf Nutzpflanzen bemüht. Damit werden z.B. züchterische Leistungen vieler Generationen von BäuerInnen weltweit privatisiert. Aber schlimmer noch, es geht den Konzernen um die grundsätzliche Kontrolle der biologischen Grundlagen für die weltweite Ernährung und medizinische Versorgung.

Zurück auf dem Saatgut-Markt führte Via Campesina eine Art Straßentheater zu den Auseinandersetzungen um Saatgut auf. Anschließend wurden in einer feierlichen Zeremonie des internationalen Weizen-Notkomitees Listen von in der Genbank Gatersleben eingelagertem Saatgut an VertreterInnen aus den entsprechenden Ländern übergeben4.

Wachsender Einfluss der Industrie

Mehrere internationale BeobachterInnen der Verhandlungen zeigten sich während der COP9 entsetzt über den ständig wachsenden Einfluss der Industrie auf die Verhandlungen. Dieser zeigt sich beispiels-weise in der wachsenden Zahl angeblich unabhängiger NGO wie der PPRI (Public Research and Regulation Initiative), die industriefinanziert sind und mehr oder weniger offen Industrie-Positionen in NGO-weichgespülter Sprache vertreten. Internationale Basisorganisationen kritisierten die vor der COP9 durchgeführte alternative Konferenz Planet Diversity wegen ihres harmlosen Abschlusspapiere, fehlender Handlungsorientierung und übermäßigen Verschleißes von Energie, die während der COP-Hauptverhandlungen dringend gebraucht worden wäre.

Auch das Forum Umwelt und Entwicklung, das vom Bundesumweltministerium die Koordination der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten übertragen bekommen hatte, wurde von NGO aus dem Süden stark für ihre nicht transparente und eurozentristische Vorbereitung kritisiert.

Business

Statt die laufende Zerstörung von biologischer Vielfalt mit effektiven Maßnahmen zu bremsen und zu stoppen (die Hauptzerstörungsursachen sind längst klar), tun sich Politik und Business zusammen und propagieren jetzt u.a. das Business and Biodiversity Offsets -Programm (offset = Abrechnung/Absetzung/Gegenrechung). Die Botschaft: So lange ein Konzern in einer Region an einem Biodiversity-offset -Projekt mitmacht, kann er auch weiter an anderer Stelle Biodiversität zerstören.

Widerstand ist sinnvoll

Trotz der schon vorher absehbaren frustrierenden Ergebnisse der Verhandlungen sollte man die Nationalstaaten und auch die NGO nicht bei solchen Konferenzen alleine lassen. Mit kreativen und kraftvollen Protestaktionen muss auf die wahren Zerstörer von Biodiversität hingewiesen und außerdem die Verbindungen und die Zusammenarbeit zwischen thematisch ähnlichen, aktiven Gruppen aus aller Welt gestärkt werden.

Aus deutscher Sicht sollten besonders während der deutschen CBD-Präsidentschaft von 2008 bis 2010 die Lügen und Heucheleien der offiziellen Politik aufgedeckt werden. Genügend Druck müsste aufgebaut werden, um die Prozesse der Enteignung und Marginalisierung derjenigen Gruppen, die unmittelbar mit und von der biologischen Vielfalt leben, gestoppt und umgekehrt werden. Wobei das Bewusstsein des Stellenwertes der Biodiverstität bei Gruppen des linken und des kleinbäuerlichen Widerstandes gegen Agroindustrie und gegen andere Formen der Verwertung von Natur in anderen Teilen der Welt stärker ausgeprägt ist als in Mitteleuropa.Und so heißt es auch weiter: **

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Nature for people – not for business ! Widerstand ist fruchtbar!

Kampagne gegen

Biopiraterie

www.biopiraterie.de
  1. Analysen auf:

    www.iisd.ca

2.

http://undercovercop.org
  1. Das Positionspapier von Via Campesina unter:
http://viacampesina.org/main_en/index.php