Ursprünglich waren es 17 Bergbäche in unserer Region, welche von ausländischen und inländischen Investoren für Wasserkraftwerke verbaut werden sollten. Nach und nach konnten wir 16 dieser Projekte zu Fall bringen. Das 17. – von einem einheimischen Bauunternehmer und Millionär hier im Süden von Costa Rica – war sehr widerspenstig.
Doch Mitte Juli 2019 konnte auch die letzte geplante Verbauung, diejenige des Flusses San Rafael, von einem der schönsten Flüsse im Kordillerenmassiv, verhindert werden. Der Kampf für diesen Fluss im Kanton Perez Zeledon zog sich sechseinhalb Jahre hin. Dieser mit Abstand längste Widerstand war notwendig, um das 17. von den privaten Wasserkraftwerk-Projekten zu Fall zu bringen, die an den wichtigsten Flüssen im Süden von Costa Rica zwischen 2013 und 2015 geplant worden waren. In Costa Rica ist die Stromerzeugung in einem gemischten System organisiert: das staatliche «Costarikanische Institut für Elektrizität» (ICE), die Kooperativen und schliesslich die Privatunternehmer. Etwa 80 Prozent der Elektrizitätserzeugung werden durch Wasserkraftwerke produziert, davon 30 Prozent von den privaten Unternehmern. In den an den Fluss San Rafael angrenzenden Gemeinden bildeten sich – wie zuvor an den Flüssen Chirripó am Pacífico, Peñas Blancas, San Pedro, Convento, Sonador, Volcán, Angel, Cañas und Canasta – lokale Kommissionen, die sich aus Gemeindevertreter·inne·n sowie sozialen Initiativen und Umweltorganisationen zusammensetzten. Diese Gruppen zeichneten sich durch eine horizontale Entscheidungsstruktur aus. An ihnen beteiligten sich Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten, Konfessionen oder politischen Parteien. Am Wichtigsten ist es, eine Vision zu teilen und auf verschiedenste Art und Weise die Kampagne für das Wasser der heutigen und zukünftigen Generationen zu unterstützen. Denn als die Regierung vor sechs Jahren den privaten Markt für den Energiesektor öffnete, stürzten sich die Unternehmer wie wild auf die Wasserkraftprojekte. Der Strassenbauunternehmer H. Solís wollte hier, am Fluss San Rafael, für die nächsten vierzig Jahre das öffentliche Gut Wasser nutzen, um – hauptsächlich zu seinem eigenen Vorteil – Elektrizität zu erzeugen. Die lokale Widerstandsgruppe Pro Rescate del Rio San Rafael erhielt auf regionaler und nationaler Ebene grosse Unterstützung von vielen Gruppen, die sich solidarisierten und mittels Aktionen Druck auf die Behörden ausübten, wodurch sie schliesslich erreichten, dass der Umweltminister (Nationales Ministerium für Umwelt und Energie, MINAE) die letzte der Genehmigungen ablehnte, die das Unternehmen für den Beginn der Arbeiten benötigte.
Bewusste Spaltung der Bevölkerung
Auf regionaler Ebene ist die Errichtung von neuen Wasserkraftwerken Teil des Projektes MESOAMERICA, eines geostrateischen Projekts der USA, das dazu dienen soll, ihre Interessen in einem globalen Kampf um die Naturreichtümer zu behaupten und weltweit die Hegemonialmacht zu bleiben. Das Projekt MESOAMERICA besteht aus der Zusammenarbeit der Länder von Mexiko bis Kolumbien, um die Region zu entwickeln oder besser gesagt: zu plündern. So wurde das «Zentralamerikanische Elektrische Verbindungssystem» (SIEPAC) geschaffen, das Mexiko mit Kolumbien verbindet. Dazu gehört auch der Bau von Strassen, Häfen, Pipelines sowie des «Mesoamerikanischen Biologischen Korridors», um die Ausbeutung und Plünderung des an Wasser und Mineralien reichen mesoamerikanischen Raums voranzutreiben, das Agrarbusiness zu fördern und die biologische Vielfalt zu nutzen. Genau in demselben Sinn wird die Wasserkraft genutzt, um Strom für die in der Region tätigen Grossunternehmen zu erzeugen. In den letzten Jahren war die mehrheitliche Opposition der Bevölkerung gegen das Wasserkraftprojekt San Rafael stark zu spüren. Dennoch ging der Diskurs der Betreiber, das Projekt hätte «minimalen Impact im Umwelt- und Sozialbereich» und würde «enorme Fortschritte für die Dörfer und die ganze Region bringen», weiter. Auf der anderen Seite erteilten die staatlichen Institutionen, die Gemeinde von Pérez Zeledón, das «Nationale Umwelttechnische Sekretariat» (SETENA), die Wasserdirektion und die Regulierungsbehörde für öffentliche Dienstleistungen (ARESEP) nacheinander die Genehmigungen, obwohl Dutzende von Unregelmässigkeiten in den Projektvorstellungen feststellbar waren. Während der fast sieben Jahre dieses sozio-ökologischen Konflikts verursachte die Präsenz des Unternehmens eine Spaltung in den Dörfern und Konflikte zwischen Nachbar·inne·n, Freund·inne·en und Familienangehörigen. Während dieser Auseinandersetzungen kam es zu einzelnen gewalttätigen Ereignissen, die aber zum Glück eher glimpflich ausgingen. Im Falle einer Ausdehnung des Konfliktes hätte die Situation mehr Gewalt, ja sogar Tote bringen können, wie das in einem anderen Konflikt im indigenen Territorium in Salitre passierte. Salitre ist nicht so weit von San Rafael entfernt. Eine andere Gefahr bestand darin, dass es zu einer grossen Repression und willkürlichen Verhaftungen von Oppositionellen durch die Polizei hätte kommen können. Es ist kein Geheimnis, dass die Polizeikräfte von Costa Rica militärische Schulungen in Zentren wie der Escuela de las Americas (WHINSEC in Fort Benning, USA), in Kolumbien, in Chile oder Israel bekommen.
Es ist noch viel zu tun
Die besonnene und positive Rolle der Dorfbewohner·innen und der Umweltaktivist·inn·en war entscheidend für den Sieg über das Projekt San Rafael. Aber die Bedrohung unserer Flüsse im Süden geht weiter. Speziell im Kanton von Coto Brus, wo der costarikanische Staat mittels des staatlichen ICE fünf Wasserkraftwerke an Flüssen, die Zuflüsse zum Rio Grande de Terraba sind, bauen möchte. Man muss noch dazu sagen, dass einige Projekte die zwischen 2013 und 2019 gestoppt werden konnten, als «unsterblich» gelten. Das gilt für den Grossstaudamm Gran Boruca, der vor einigen Jahrzehnten geplant wurde, dann fallengelassen wurde und vor nicht so langer Zeit als PH Diquis am Rio Grande de Terraba wieder aktiviert wurde. Genauso agierte man mit dem Projekt Los Gemelos in den 1990er Jahren. Dieses Projekt tauchte jetzt wieder unter dem Namen PH Hidrosur am Rio Chirripo am Pacífico auf. Gleichzeitig haben wir in unserer südlichen Region ein grosses Problem mit dem Bodenbesitz im Indiogebiet und auch eine anhaltende Problematik mit den grossen Agrarbetrieben, die seit Jahrzehnten in erster Linie Ananas anbauen.
Was die Anwendung von Chemikalien in der Landwirtschaft betrifft, ist Costa Rica führend. Sogar an öffentlichen Plätzen werden solche giftigen Mittel angewendet. Ein drittes problematisches Gebiet ist die neuerliche Aktivierung von kleinhandwerklichem Mineralabbau. In der Regel werden die Genehmigungen von den staatlichen Stellen sehr problemlos gegeben. Damit werden das neoliberale System und die grossen Geschäfte in Costa Rica weiter grosszügig bedient.
- WHINSEC: Western Hemisphere Institute for Security Cooperation