Bei der Lektüre der Nr. 96 des Archipel stieß ich auf den ersten Teil des Artikels von Tristan Merlhiot-Joubert über Eugenik. In diesem Artikel, sagen wir es ohne Umschweife, stehen grobe Ungenauigkeiten, die nicht direkt seinem Verfasser zuzuschreiben sind, da seine Synthese von den Büchern zweier Autoren ausgeht: Pierre Thuillier und André Pichot.
Beide vertreten die längst widerlegte These, dass sowohl der „Sozialdarwinismus" – Gesellschaftsphilosophie eines fundamentalistischen Liberalismus, der in Wirklichkeit von Spencer begründet wurde – als auch die Eugenik, die von Galton systematisch entwickelt wurde, direkt auf Darwin zurückgehen. In seinem Werk Die Abstammung des Menschen nimmt der große Naturforscher vehement Stellung gegen diese zwei Abschweifungen von seiner Selektionstheorie.
Ich arbeite seit über zwanzig Jahren an einer Aufarbeitung des Gesamtwerks von Darwin und habe mir in Anbetracht seiner theoretischen und menschlichen Bedeutung die Zeit genommen, noch einmal in aller Freundschaft einige grundlegende Erklärungen dazu zu geben. Hier also ein kurzer Auszug aus einem Buch, das im Herbst 2002 in Frankreich erscheinen wird:
Die Darwinsche Theorie, dass sich die Lebewesen durch die natürliche Selektion vorteilhafter Varianten verändern, beinhaltet in ihrer Logik die Theorie, dass sich auch Vernunft, Instinkte, soziale Organisation und moralische Gefühle entwickeln. Diese globale Theorie, die man nicht in ihre Einzelteile zerlegen kann, legt er in der Anthropologie dar. Dem allmählichen Rückgang der ausschließenden Form der natürlichen Selektion wohnt dank der (auf Selektion zurückzuführenden) sozialen Instinkte im Rahmen der (ebenfalls auf Selektion beruhenden) Zivilisation eine dialektische Triebkraft inne, die ich erstmals 1983 aufzeigte. Diese Umkehrung, die von der ausschließenden Selektion zu antiselektiven Verhaltensweisen (wie Schutz der Schwachen, Pflege der Behinderten etc.) führt, nannte ich „umkehrende Wirkung der Evolution". Heutzutage werden ihre Folgen im endlich legitimierten Bereich einer materialistischen Moral- und Zivilisationstheorie untersucht.
Nie haben in der Geschichte der modernen Wissenschaften die Interpretationen einer Theorie zu so vielen Sinnwidrigkeiten geführt wie die der Darwinschen Theorie. Diesbezüglich sind die Fehler seiner Anhänger ebenso schwerwiegend wie die seiner Widersacher. Der „Ultra-Darwinismus", der von einigen angelsächsischen Sozialbiologen vertreten wird, ist in bezug auf das Darwinsche Denken ebenso absurd wie die Einwände der sogenannten „Kreationisten"1 oder derer, die, von ihren Methoden beeinflusst, heute eine Art seherische Sichtweise des Lebendigen und seiner Entwicklung durchsetzen wollen.
Zwei Lesarten der Selektionstheorie
Ende 1859 veröffentlicht Charles Darwin das Werk „Über die Entstehung der Arten" und legt darin das Prinzip der Evolution der Lebewesen auf der Grundlage fest, die ab nun den allgemeinen Rahmen für das Verständnis des Lebendigen darstellen wird: die Theorie der natürlichen Selektion. Unabhängig von jeglicher Absicht weisen die Lebewesen Veränderungen auf, die, je nachdem, ob sie nun für ihre Träger in ihrem Lebensraum Vorteile bringen, ihre Erfolge oder Misserfolge im Kampf um das Überleben bestimmen. Dieser Kampf ergibt sich aus der Kombination aller Umweltfaktoren, vor allem aus der wunderbaren Fähigkeit aller Lebewesen, sich zu vermehren. Es handelt sich um einen Prozess der Akkumulation von selektionierten und übertragenen Variationen, er ist der Motor der allmählichen Anpassung der Arten. Dank der Erkenntnis über die Dauer der geologischen Zeitalter wird es nun möglich, die mächtige Vielfältigkeit des Lebenden, die bisher der göttlichen Allmacht zugeschrieben wurde, als außerordentlich komplexe und verzweigte Ableitung von einer gemeinsamen Quelle darzustellen. Die Geschichte der Lebewesen leitet sich daher von ihrer Abstammung ab. Obwohl Darwin vorsichtigerweise vermeidet, dies im Jahrzehnt nach der Veröffentlichung der „Entstehung der Arten " zu erklären, stellt sie den Menschen an eine bestimmte Stelle einer Abstammungslinie, die ihre Wurzeln aller Wahrscheinlichkeit nach in den ersten protoplasmatischen Individuen hat.
Von diesem hier sehr rasch zusammengefassten Mechanismus behalten wir zurück, dass er eine Dynamik in Gang setzt, welche die Organismen verbessert: Die Fähigsten setzen sich durch und vermehren sich, indem sie sich immer besser an die Anforderungen ihres Lebensraums anpassen, während die Träger von unvorteilhaften Varianten oder solche, die sich nicht verändert haben, allmählich aussterben. Er befreit ebenfalls die Geschichte der Natur vom dogmatischen Glauben, sei es in bezug auf die Dauer der geologischen Zeitalter, sei es in bezug auf die biblische Legende, der zufolge die Arten mit all ihren Besonderheiten und in ihrer Einzigartigkeit einige Tage nach der Erschaffung der Welt getrennt aus den Händen des Schöpfers entsprungen sein sollen.
Die zwei Aspekte derselben Theorie liefern die Grundlagen für alle Widersprüche und Konfrontationen rund um die Darwinsche Theorie. Einerseits fortschrittlich, weil vom Dogma befreit, gibt sie der Naturforschung die Möglichkeit, über ihren Studienbereich voll zu verfügen; andererseits scheint sie eine Konzeption der Natur vorzuschreiben, die den vom aufkommenden Liberalismus geprägten Anschauungen im gesellschaftlichen Bereich entsprechen: Beziehungen zwischen Individuen und Nationen, die von Konkurrenz- und Herrschaftsdenken und Eliminierung bestimmt sind. Das viktorianische England gab dafür im Verlauf seiner industriellen und kommerziellen Expansion das beste Beispiel.
So strukturiert sich allmählich der innere, philosophisch-politische Konflikt. Karl Marx, der sich um 1860 für den der Selektionstheorie innewohnenden Materialismus und für die historischen Naturinterpretation Darwins begeistert, zwei Jahre später aber Darwin gleichstellt mit der malthusianischen Ideologie2, die anscheinend mit seinem Prinzip Wettstreit/Eliminierung übereinstimme. (...) Für diesen Fehler – denn es handelt sich um einen Fehler, obwohl Darwin selbst zugibt, sich bei der Darstellung des Überlebenskampfes in der Natur vom malthusianischen Schema inspiriert zu haben – war Marx nicht verantwortlich, weil er in Kämpfe engagiert war, bei denen gewisse „Darwinisten" als Gegner auftraten, und weil er das Werk nicht gelesen hatte oder nicht lesen konnte, in dem Darwin erst 1871 über den Menschen und die Zivilisation schrieb: The Descent of Man – Die Abstammung des Menschen . In der Zwischenzeit hatten sich die spencerschen Sozialidarwinisten und die galtonschen Eugeniker schon verschiedentlich auf die Selektionstheorie berufen.
Abstammung des Menschen, Zivilisation und umkehrende Wirkung der Evolution
Angesichts der Komplexität der Missverständnisse war es dringend nötig, auf eine klare und demonstrative Art die Wahrheit (der Fakten, der Texte, der Logik) über Darwin und die Grundzüge seines Werks wiederherzustellen. Diese Wiederherstellung – darauf bestehe ich – hat nichts zu tun mit „Interpretationen" oder „Doktrinen". Sie ergibt sich aus einer nach einem strengen Protokoll methodisch durchgeführten Analyse, die darin bestand, alle die natürliche Selektion betreffenden Aussagen zu ordnen je nachdem, welchen Bereich sie betrafen, sowie in bezug auf die Logik der Selektionstheorie, wie sie von Darwin außerordentlich kohärent definiert wurde – einerseits in den rein naturgeschichtlichen Werken, andererseits im anthropologischen Werk, mit dem man sich jedoch immer nur am Rande und sehr schlecht befasst hat. Erst 1983 stellte ich seinen Inhalt in meinem Buch Das hierarchische Denken und die Evolution (Aubier) in ein neues Licht. Um die Bedeutung der Wiederherstellung besser verständlich zu machen, beziehe ich mich hier auf das Konzept, das damals die Originalität des von mir eingeführten Begriffs Darwinsche Anthropologie beschrieb, sowie auf den Artikel aus dem Enzyklopädischen Handbuch des Darwinismus und der Evolution (PUF, 1996). Dieses für das Verständnis der Kohärenz der Darwinschen Anthropologie (im Unterschied zur evolutionistischen Anthropologie) grundlegende Konzept ist das der umkehrenden Wirkung der Evolution .
Dieses Konzept liegt dem Übergang von dem zugrunde, was aus Bequemlichkeit die Sphäre der Natur genannt wird – die vom strengen Gesetz der Selektion regiert wird – zur zivilisierten Gesellschaft , in der Verhaltensweisen auftreten und zu festen Einrichtungen werden, die sich dem freien Lauf dieses Gesetzes entgegenstellen. Wenn dieses Konzept in Darwins Werk nirgends genannt wird, so ist es beschrieben in einigen wichtigen Kapiteln der Abstammung des Menschen (1871), seinem dritten großen synthetischen Werk, der Fortsetzung und Anwendung der im Ursprung der Arten entwickelten Selektionstheorie auf den Bereich der natürlichen und sozialen Entwicklungsgeschichte des Menschen. Es ist das Ergebnis eines von Darwin in seinem Versuch, die Abstammungstheorie auf den Menschen auszuweiten, identifizierten Paradox und seines Versuchs, die soziale und moralische Zukunft der Menschheit als Folge und besondere Entwicklung der vorangegangenen und universellen Anwendung des Selektionsgesetzes in der Sphäre der Lebenwesen darzustellen.
Dieses Paradox könnte folgendermaßen formuliert werden: Die natürliche Selektion, das führende Prinzip der Evolution, das die weniger Fähigen im Überlebenskampf ausscheidet, selektioniert innerhalb der Menschheit eine Form des gesellschaftlichen Lebens: Auf dem Weg zur Zivilisation werden durch ein Zusammenspiel von Ethik und Institutionen die eliminierenden Verhaltensweisen selbst eliminiert. Einfacher gesagt: Die natürliche Selektion selektioniert die Zivilisation, die sich der natürlichen Selektion entgegenstellt. Wie dieses Paradox lösen?
Wir lösen es, indem wir einfach die Logik untersuchen, die der Selektionstheorie zugrunde liegt. Die natürliche Selektion – ein fundamentaler Punkt bei Darwin – selektioniert nicht nur anpassungsfähige organische Varianten, sondern auch Instinkte . Unter den vorteilhaften Instinkten, wurden vor allem die von Darwin soziale Instinkte genannten entwickelt. Beweis dafür ist der Triumph der gesellschaftlichen Lebensform unter den Menschen und die tendenzielle Hegemonie der „zivilisierten" Völker. Im Zustand der „Zivilisation" – komplexes Ergebnis der Zunahme von Vernunft, des größer werdenden Einflusses des Gefühls von „Sympathie" und der verschiedenen moralischen und institutionellen Formen des Altruismus – kommt es zu einer Umkehrung der individuellen und sozialen Verhaltensweisen in bezug auf die frühere selektive Funktionsweise: Statt der Eliminierung der weniger Fähigen taucht in der Zivilisation die Pflicht auf, zu helfen und zu pflegen: Statt dass Kranke und Behinderte auf natürliche Weise aussterben, werden sie gerettet mit Hilfe von Wissen und Technologie (Hygiene, Medizin...), welche die Reduzierung und Kompensierung mangelhafter Organismen zum Ziel haben. Statt die zerstörerischen Folgen der natürlichen Hierarchie der Kräfte, der Zahl und der Lebensfähigkeit zu akzeptieren, widersetzen sich ausgleichende Eingriffe der sozialen Disqualifizierung.
Die natürliche Selektion hat so über die sozialen Instinkte ihr Gegenteil selektioniert, das heißt: eine Vielfalt von anti-eliminatorischen – d.h. anti-selektiven Verhaltensweisen im Sinne des Begriffs Selektion, wie er im Ursprung der Arten entwickelt wird, sowie parallel dazu eine anti-selektive (=anti-eliminatorische) Ethik, die in Form von Prinzipien, Verhaltensregeln und Gesetzen zum Ausdruck kommt. Das allmähliche Aufkommen der Moral erscheint als von der Evolution untrennbar. (...)
Doch diese Ausweitung der Selektionstheorie auf die menschlichen Gesellschaften, die viele Theoretiker unter dem Einfluss der evolutionistischen Philosophie Spencers voreilig nach dem vereinfachenden und falschen Modell des liberalen „Sozialdarwinismus" interpretiert haben (Anwendung des Prinzips der Eliminierung der Schwächeren in einem allgemeinen Überlebenskampf auf menschliche Gesellschaften), kann nur unter dem Aspekt der umkehrenden Wirkung gesehen werden. Die Umkehrung der Selektion ist Grundlage und Bedingung für die „Zivilisation". Somit kann sich eine triviale Sozialbiologie, die im Gegensatz zur anthropologischen Logik Darwins die Idee einer einfachen Kontinuität (ohne Umkehrung) zwischen Natur und Gesellschaft vertritt, nicht auf den Darwinismus berufen.
Die Umkehrung ist es letztendlich, welche die Unterscheidung Natur / Kultur begründet, indem sie die Falle des zwischen diesen beiden Begriffen entstandenen „Bruchs" vermeidet: Die Kontinuität in der Evolution durch die allmähliche Umkehrung in Verbindung mit der (selektionierten) Entwicklung der sozialen Instinkte , führt so nicht zu einem wirklichen Bruch, aber zu einer Bruchwirkung , weil die natürliche Selektion im Verlauf ihrer eigenen Evolution ihrem eigenen Gesetz unterworfen wurde . Ihre neu selektionierte Form, welche den Schutz der Schwachen fördert setzt sich gegenüber der früheren Form der Eliminierung durch, weil sie vorteilhaft ist. Der neue Vorteil ist nicht mehr biologisch, sondern sozial . (...)Zwei Fehlinterpretationen der Darwinschen Theorie
Nach der logischen Reintegration der Theorie wird die Übereinstimmung deutlich zwischen der globalen Theorie und den Fakten und Texten, die ihren anthropologischen Aspekt bilden. Diese Kohärenz steht natürlich in völligem Gegensatz zu den Schlussfolgerungen gewisser voreiliger Kommentatoren oder Manipulatoren, nämlich dass Darwin gleichzeitig der Urheber der inegalitären Gesellschaftstheorien gewesen sei, der Begründer des „wissenschaftlichen Rassismus", ein elitistischer Neo-Malthusianer, ein Verfechter der Ausrottung der Indianervölker in der Konfrontation mit der „weißen" Zivilisation, die Rechtfertigung des viktorianischen Imperialismus und der harten Kolonialherrschaft, der Förderer der sogenannten negativen Eugenik und sogar der nazistischen Vernichtungen. Diese „Fehler" sind hartnäckig, denn sie kommen zwei Kategorien von Ideologen gelegen: einerseits den rechtsextremen, die ihre Leidenschaft für „Säuberungen" gerne mit einem wissenschaftlichen Heiligenschein umgeben, und den ultraliberalen, die so ihr Dogma vom Triumph der Besten untermauern.
Auf der anderen Seite gibt es jene, die den Darwinismus „von links" kritisieren, dabei aber zu faul sind, die Texte genau zu lesen und daher ein deformiertes Bild, ohne es weiter zu überprüfen, für global richtig halten. Darwin aber verunmöglicht in Die Abstammung des Menschen nicht nur, dass man sich logisch auf ihn beruft, um solche Positionen zu vertreten, er hat sich auch sein Leben lang engagiert, Abschweifungen wie den „Sozialdarwinismus" Spencers zu bekämpfen (Anwendung auf die Gesellschaft der natürlichen Selektion, Nicht-Eingreifen, Ablehnung von Hilfeleistung, moralische Theorie vom ursprünglichen Egoismus, individualistischer und anti-staatlicher Ultraliberalismus), oder die Eugenik Galtons (Anwedung der künstlichen Selektion auf die Gesellschaft, um die durch das Verschwinden der natürlichen Selektion in der Zivilisation auftretende Degenerierung zu bekämpfen, Eingreifen, Ruf nach Zusammenspiel des Staates und der Legislative). 1871 hat Darwin sich gegen diese beiden Stellungen ausgesprochen.
Um auch noch auf die trivialsten und am wenigsten fundierten Anschuldigungen zu antworten, sei hier noch festgehalten, dass Darwin sich persönlich gegen den Rassismus engagiert hat (in der Ethnological Society), gegen die Sklaverei (siehe die Reise eines Naturalisten aus dem Jahr 1839 und die Texte über die unmenschliche Ausbeutung der schwarzen Sklaven in Brasilien. Siehe auch seine Briefe an Asa Gray über die Sklaverei der Schwarzen in den baumwollproduzierenden Staaten im Süden der USA), aber auch gegen die Zügellosigkeit des Konservatismus im sozialen Bereich (siehe sein Engagement für die Mittellosen und seine Kritik des Erbrechts, das jeweils die Ältesten begünstigt), gegen Anwendung der Eugenik und des Malthusianismus auf die menschliche Gesellschaft (siehe Die Abstammung des Menschen , Kapitel V). Die Konfusion zwischen Darwin einerseits und Spencer und Galton andererseits, begünstigt durch Darwins langes Schweigen über den Menschen (1859-1871) – in dieser Zeit haben sich die Thesen Spencers und Galtons im viktorianischen England durchgesetzt – kann heutzutage nicht mehr gerechtfertigt werden und wird von einigen aufrechterhalten, um rein ideologische Ziele zu verfolgen. Diese Pervertierung der Darwinschen Thesen in bezug auf Anthropologie und Politik hat es zum Beispiel der amerikanischen Sozialbiologie ermöglicht (ethologische, „genetische" Version des sozial-ethischen Spencerismus), mit Unterstützung der „Neuen Rechten" in Frankreich, mit Darwin die abenteuerlichsten Übergriffe der Biologie auf die Gesellschaft zu rechtfertigen.Patrick Tort**Direktor des Internationalen Charles Darwin-Instituts, Preisträger der Akademie der Wissenschaften
Darwin und die Zivilisation
„So wichtig auch der Kampf um das Überleben war und noch ist, so gibt es in bezug auf die höchste Sphäre der menschlichen Natur andere, wichtigere Faktoren. Die moralischen Eigenschaften entwickeln sich direkt oder indirekt viel mehr aufgrund von Gewohnheiten, der Fähigkeit zu denken, der Erziehung, der Religion etc. als aufgrund der natürlichen Selektion, obwohl man letzterer ganz sicherlich die sozialen Instinkte zuschreiben kann, die ihrerseits die Grundlage für die Entwicklung der Moral sind."Charles Darwin in: Die Abstammung des Menschen (1871), Kapitel XXI, Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Darwin gegen den Rassismus
„Auf dem Weg zur Zivilisation versammeln sich kleine Stämme zu größeren Gemeinschaften. Die einfache Vernunft sollte jedem Individuum eingeben, dass er seine sozialen Instinkte und seine Sympathien auf alle Mitglieder einer Nation ausweiten sollte, selbst wenn er sie nicht persönlich kennt. Wenn dieser Punkt erreicht ist, so gibt es nur mehr eine künstliche Barriere, die verhindert, dass er seine Sympathien auf die Menschen aller Nationen und Rassen ausweitet. Die Menschen haben sich von diesem Punkt entfernt, wegen großer Unterschiede in der äußeren Erscheinung und der Gewohnheiten. Leider zeigt uns die Erfahrung, dass es lange dauert, bis wir alle Menschen wieder als uns gleichwertig ansehen."(Die Abstammung des Menschen )
Darwin gegen die Sklaverei
Darwin hasste die Sklaverei, schon aufgrund seiner Familientradition. Wie er selbst waren auch sein Großvater Erasmus und sein Vater Robert Liberale (Whigs), also Verfechter der Abschaffung der Sklaverei. Später hatte er in Brasilien Gelegenheit ihre schrecklichen Auswirkungen kennenzulernen. Auch während des Sezessionskrieges in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA, bezog er klar gegen die Sklaverei Position. Von einer seiner Reisen nach Lateinamerika schrieb er: „Ich wäre nicht gerne ein Torie, schon allein wegen der Trockenheit ihrer Herzen was die Sklaverei anbetrifft, ein Skandal für die christlichen Nationen."
(Brief an J.S. Hernslow, 18. Mai 1832).