Am 27. Juli 2025 stürmte die Polizei ein antifaschistisches Jugendcamp am Peršmanhof – einem Lern- und Gedenkort in Bad Eisenkappel/Železna Kapla, an dem 1945 ein SS-Massaker verübt wurde.1 Drei Monate später liegt der Bericht der vom Innenministerium eingesetzten Expert·innenkommission vor – und ihr Urteil ist eindeutig: Der Einsatz war «in mehrfacher Hinsicht unverhältnismässig, rechtswidrig und zweifelhaft».
Was sich im Sommer in Kärnten/Koroška ereignete, war keine bedauerliche Panne. Es war Ausdruck einer politischen und administrativen Aufrüstung im Denken, einer routinierten Feindbildproduktion, die antifaschistisches Engagement als Sicherheitsrisiko behandelt. In Völkermarkt formierte sich ein bemerkenswert entschlossenes Ensemble aus Behörden: das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung, die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dazu Streifen, Drohnen, Hubschrauber, Polizeihunde und die Spezialeinheit SIG. Alles im Einsatz – gegen ein Bildungscamp junger Menschen, die sich mit Erinnerung und Demokratie beschäftigten.
Der Bericht zeigt ein vielschichtiges Behördenversagen: Die Initiative ging von einem Beamten aus, der dazu gar nicht befugt war. Der Bezirkshauptmann blieb passiv, obwohl er formal Einsatzleiter war. Rechtsgrundlagen wurden gedehnt oder erfunden – § 36 des Fremdenpolizeigesetzes diente als Vorwand, ohne dass ein einziger begründeter Verdacht vorlag. Identitätsfeststellungen und Festnahmen erfolgten unrechtmässig, der massive Mitteleinsatz verstiess gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Das Innenministerium hat inzwischen disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen angekündigt. Doch politische Verantwortung bleibt aus. Der Minister sah sich in einer Pressekonferenz vor allem bemüssigt, die österreichische Polizei als Ganzes in Schutz zu nehmen – und bestätigt damit unfreiwillig, was der Bericht selbst nahelegt: dass in der Exekutive nicht Einzelne, sondern eine Kultur des Wegschauens, des Misstrauens gegenüber antifaschistischem und zivilgesellschaftlichem Engagement sowie einer unseligen Kumpanei unter Gleichgesinnten am Werk war. Der Peršmanhof steht für den antifaschistischen Widerstand in Kärnten/Koroška – und für die fragile Erinnerung daran. Wer ausgerechnet dort ein solches Vorgehen verantwortet, beschädigt mehr als nur ein paar Paragraphen. Er beschädigt die Grundlagen einer demokratischen Kultur und tritt jenes «Nie wieder» mit Füssen, welches das moralische Fundament der Zweiten Republik sein sollte. Wenn weiterhin geleugnet wird, dass es im Polizeiapparat erhebliche Probleme im demokratischen Selbstverständnis gibt, bleibt der Eindruck: Der Rechtsstaat wird zwar zitiert, aber nicht verstanden.
Klaus Schönberger*
- 2025, am Tag der Veröffentlichung des Kommissionsberichts
*Klaus Schönberger ist Kulturwissenschaftler an der Universität Klagenfurt/Celovec und Mitglied des Kulturgremiums des Landes Kärnten/Koroška.
- Siehe auch: Archipel Nr. 350, September 2025, «Polizeiübergriff auf NS-Gedenkstätte».



