SYRIEN: Ein Ort der Kultur und der Solidarität

de Kollektiv Al Beyt, 12 déc. 2025, publié à Archipel 353

Ein Jahr nach dem Sturz des Regimes wollen wir, die Mitglieder des Kollektivs Al-Beyt, einen Raum für internationale und künstlerische Begegnungen in Damaskus eröffnen, um am Wiederaufbau Syriens mitzuwirken.

Wir, Moaoia, Laure und Kassem, haben 2021 in Paris das Kollektiv Al-Beyt gegründet. Kassem und Moaoia kamen 2015 als politische Flüchtlinge aus Syrien nach Frankreich. Beide arbeiten im Vereins- und Veranstaltungsbereich. Laure ist Französin und arbeitet im Kultur- und Filmbereich. Zusammen mit anderen Verbündeten nahm das Kollektiv Gestalt an und wir konnten ein aktives politisches Unterstützer·innen-Netzwerk aufbauen, das seit vier Jahren besteht.

Unsere Veranstaltungen umfassen: Diskussionen, Konzerte, Filmvorführungen, Tanz und Theater, Ausstellungen, Gastronomie … Diese politischen und festlichen Begegnungen rücken die syrische Identität in den Vordergrund und bringen uns gleichzeitig mit anderen Gemeinschaften im Exil zusammen, um Erfahrungen, Kultur und Engagements zu teilen. Um unser Netzwerk zu erweitern, haben wir bereits Veranstaltungen in Marseille, Basel und Berlin organisiert. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unser Projekt im nächsten Jahr auch in Lyon, Wien und Brüssel zu präsentieren. Ein weiteres Ziel ist es, immer mehr Künstler·innen aus der Region um Damaskus einzuladen, damit sie in Europa auftreten können. Unser Verein arbeitet seit vier Jahren mit einem Team, das zu hundert Prozent aus Freiwilligen besteht, ohne Spenden oder Subventionen, ausschliesslich mit den Erträgen aus den kulturellen Aktivitäten. Durch unsere Veranstaltungen konnte das Kollektiv Mittel für den Kauf eines Grundstücks in der Region Idlib und für den Bau von neun Häusern auf diesem Gelände sammeln. Ziel war es, den Menschen, die aus den vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten fliehen mussten, eine neue Unterkunft zu bieten und ihnen ihre Unabhängigkeit zurückzugeben. Symbolisch ist der Kauf des Landes auch für uns Exilierte wichtig. Es ist eine unabhängige und autonome Initiative, die wir, zusammen mit unseren Freund·innen und Familien in Syrien, ermöglichen konnten.

Den Raum zurückerobern

Nach dem Sturz des Regimes ist es für uns als politische Exilant·innen, die an der syrischen Revolution von 2011 teilgenommen und unter der Unterdrückung des Regimes von Baschar al-Assad gelitten haben, mehr als notwendig, einen Platz in dieser neuen Ära zu finden, so ungewiss sie auch sein mag. Heute, nach mehr als zehn Jahren fern von unserem Land, ist es uns endlich möglich, nach Syrien zurückzukehren. Wir müssen diese Gelegenheit nutzen, um einen Raum für freies Denken und freie Meinungsäusserung zu schaffen. Gestärkt durch unsere Erfahrungen in Frankreich liegt es uns am Herzen, eine Brücke zwischen hier und dort zu schlagen. Die Wiederöffnung Syriens gegenüber dem Rest der Welt nach Jahren der Isolation ermöglicht es uns endlich, diesen transnationalen Austausch zu verstärken. Damit sich das Land von mehr als fünfzig Jahren Diktatur und Schweigen erholen kann, schlagen wir ein Projekt vor, das zum Stabilisierungsprozess dieser extrem geschwächten Gesellschaft beitragen wird: einen Ort, der von und für Gruppen der Zivilgesellschaft geschaffen wird.

Am wichtigsten ist es uns, unsere Unabhängigkeit vor jeglicher politischen oder religiösen Autorität zu bewahren. Da die Lage in Syrien weiterhin instabil ist, ist es für uns von grösster Bedeutung, diesen autonomen und sicheren Raum für alle zu schaffen. Die Syrerinnen und Syrer können ihn dann frei nutzen, um sich Gehör zu verschaffen und ihre Initiativen voranzubringen. Seit dem Sturz des Regimes zieht Syrien zahlreiche ausländische Investoren an, welche die wirtschaftliche Schwäche des Landes ausnutzen, um ihre Interessen zu verfolgen. Angesichts dieser neuen Einmischungen müssen wir schnell handeln, um unser Erbe und unsere Unabhängigkeit zu bewahren.

Im Herzen von Damaskus

Kürzlich erhielten wir von einem befreundeten französisch-syrischen Journalisten die Information, dass ein traditionelles Damaszener Haus im historischen Zentrum von Damaskus zum Verkauf steht. Schnell entstand die Idee, es zu kaufen, um dort ein Kultur- und Sozialzentrum zu eröffnen. Denn Kunst und Kultur sind unsere Werkzeuge in unserem Engagement, und dieses Projekt steht somit in der Kontinuität unserer aktuellen Arbeit. Das Haus befindet sich im Herzen von Damaskus, in einem historischen Viertel, dessen Geschichte mehr als zwei Jahrtausende zurückreicht. Für uns, die Gründer·innen des Kollektivs Al Beyt, die aus den nordöstlichen Provinzen (Ar-Raqqah und Deir-ez-Zor) stammen, sind diese Gebiete leider immer noch unzugänglich. Die Lage in Syrien ist weiterhin instabil und Reisen zwischen den Provinzen und Städten sind schwierig. Daher ist es von grösster Bedeutung, sich in der Hauptstadt Syriens zu positionieren, wo man im Allgemeinen anreist. Die politische und soziale Lage in Damaskus ist stabiler und erleichtert den Empfang von Menschen auch aus dem Ausland.

Wir stellen uns einen offenen Ort vor: Filmvorführungen, Poesieabende, Diskussionen, Konzerte, Ausstellungen, Workshops, Volksbildung, Medienausbildung etc. mit einem täglich angebotenen solidarischen Catering, das den sozialen Zusammenhalt stärkt. Das Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, der in der heutigen syrischen Gesellschaft verankert ist und wieder Raum für kritisches Denken, Konvivialität und interkulturellen Austausch bietet. Dieser Ort wird auch Unterkünfte im Rahmen von Künstler·innenresidenzen sowie eine Anlaufstelle für Fachleute, Journalist·innen und Aktivist·innen der Zivilgesellschaft bieten, die kommen, um über den Wiederaufbau des Landes zu berichten oder daran mitzuwirken.

Nach Gesprächen mit dem Eigentümer wurde uns das Haus bis April 2026 zum Kauf reserviert: Wir haben also sechs Monate Zeit! Nun sind wir also mitten in einem Wettlauf mit der Zeit, um diesen grossen Traum zu verwirklichen. Schliesslich ist es für uns, die wir seit so vielen Jahren auf den Sturz von al-Assad gewartet haben, ein wahr gewordener Traum, dass wir Euch diesen zukünftigen Gemeinschaftsraum vorstellen können. Jetzt können wir endlich in die Zukunft blicken: Es gibt noch viel zu tun! Es ist an der Zeit, unsere enttäuschten Hoffnungen aus der Revolution, die heute aus ihrer Asche wiederauferstehen, zu verwirklichen.

Moaoia, Laure und Kassem, Kollektiv Al Beyt

Zukünftige Aktivitäten von Al Beyt

  • Solidarisches Café, kleine Gastronomie
  • Kulturveranstaltungen: Diskussionen, Poesie, Filmvorführungen, Konzerte
  • Workshops: Informatik, Medien, Fotografie, Musik.
  • Residenzen für syrische und internationale Künstler·innen
  • Empfang und Unterkunft von Projektpartner·innen aus dem Ausland
  • Produktionsraum für Filmbearbeitung (Schnitt und Kalibrierung)
  • Tonstudio

Bei Fragen, Ideen oder Ratschlägen könnt Ihr euch gerne an uns wenden: collectif.albeyt@gmail.com Instagram: @al·beyt·collectif

Hier ist ein Link zur HelloAsso-Spendenaktion:

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