AKTUELL: Verurteilung eines Pfarrers

de Michael Rössler (Freundeskreis Cornelius Koch ), 1 oct. 2002, publié à Archipel 98

Im Juli verurteilte ein Basler Gericht Pfarrer Francisco Gmür von der katholischen Kirchgemeinde St. Joseph zu einer Geldstrafe von 1.200 Franken wegen „Begünstigung des rechtswidrigen Aufenthalts von Ausländern".

Es war schockierend zu sehen, mit welcher formaljuristischen Kälte dieser kleine, weise Mann im Gerichtssaal behandelt wurde. Sein Vergehen: Er hatte eine Frau mit ihrer erwachsenen Tochter aus Ecuador in einer akuten Notlage aufgenommen. Sie hatten kein Dach über dem Kopf, zudem war die Mutter an Krebs erkrankt und in Scheidung von ihrem Ehemann in Ecuador. Wie selbstverständlich teilte der Pfarrer seinen Haushalt mit den beiden Gästen. Ein Jahr später kamen noch zwei schulpflichtige Kinder der Frau nach und Pfarrer Gmür kümmerte sich um deren Einschulung. Als die Mutter für ihre Krebsoperation und das Scheidungsverfahren zeitweilig nach Ecuador musste, fragte der Pfarrer die Vormundschaftsbehörde um Beistand an. Diese denunzierte dann die Gäste des Pfarrers bei der Polizei und erstattete Anzeige. Die Mutter mit ihren drei Kindern wohnt momentan weiter bei Francisco Gmür und wartet den Entscheid ihres Rekurses gegen die Ablehnung ihrer Legalisierung ab, den sie im Zuge der Sans-Papier-Bewegung in Basel eingereicht hatte. Francisco Gmür hat aus Menschlichkeit gehandelt. Er verdient keine Strafe, sondern Achtung und Respekt.

** Persönlicher Bericht vom Prozess

Basel, den 23. Juli 2002

** Wir waren am Prozess gegen Pfarrer Francisco Gmür. Ca. 70 Leute waren gekommen, 50 wurden eingelassen. Die Einzelrichterin sprach Francisco schuldig und hat damit das erstinstanzliche Urteil bestätigt: 1.200 Franken für Erleichterung von rechtswidrigem Aufenthalt plus Verfahrenskosten. Francisco Gmür trat ohne Anwalt auf, schilderte den Fall nochmals genau, berief sich auf Sätze aus der Bundesverfassung und auf das Christentum der Tat und bezog sich auch auf die letzten Stellungsnahmen der Bischofskonferenz zur Sans-Papiers-Frage, die eine menschliche Lösung verlangen.

Die Urteilsbegründung der Richterin war schwach: Sie argumentierte z. B., wenn es wirklich um einen Härtefall gegangen wäre, hätte man ja Asyl einreichen können und auch bekommen (Raunen und Gelächter im Saal). Sie fand, dass es hier ja nicht um einen typischen Sans-Papiers-Fall gehe, da ja typische Sans-Papiers schon 10 Jahre lang in der Schweiz seien (Raunen im Saal). Selbst der Bundesrat hat in seinen kürzlich veröffentlichten Richtlinien eine Legalisierung von Personen in Aussicht gestellt, die seit mindestens 4 Jahren in der Schweiz und gut integriert sind. Die Richterin weiter: Gmür hätte wissentlich gehandelt, was er auch nicht abstreitet. Er hätte die Möglichkeit gehabt, die verschuldete Familie in Ecuador finanziell zu unterstützen, anstatt ihren Aufenthalt in der Schweiz zu erleichtern und noch dazu Schwarzarbeit zu begünstigen. Es wäre auch nicht ideal, dass ein Teil der Familie (Mutter mit 2 Kindern) hier in der Schweiz lebt und der andere Teil (Vater mit 2 Kindern in Ecuador). Dabei hatte Francisco Gmür in der Einleitung ganz klar erklärt, dass es sich um einen Scheidungsfall handelt: Der Vater lebt mit einer anderen Frau zusammen. Auf den schlechten Gesundheitszustand der Frau und auf die Situation der Kinder (Integration etc.) ging die Richterin überhaupt nicht ein. In Bezug auf die von Francisco Gmür zitierten Verfassungsartikel und den christlichen Glauben argumentierte sie, dass ja gerade die Verfassung der Eidgenossenschaft auf christlichen Grundsätzen beruht und damit auch das staatliche Gesetz. Die Kirche und damit er als Pfarrer können somit nicht den Alleinanspruch auf die christlichen Werte erheben. Ansonsten zog sie mit dem Ausländergesetz und der sonstigen allgemeinen Gesetzeslage zu Felde. Als mildernde Umstände wurde bewertet, dass Francisco Gmür im guten Glauben und unkommerziell gehandelt hat. Die Richterin betonte die besondere Milde des Urteils, denn sie hätte auch eine Gefängnisstrafe verhängen können. Innerhalb von 10 Tagen kann der Verurteilte Rekurs einlegen. Das kostet übrigens nochmals ein paar hundert Franken. Er wird mit einem Anwalt auf jeden Fall Rekurs einlegen.