ANDALUSIEN: Ein soziales Zentrum für die LandarbeiterInnen

de Federico Pacheco, SOC-Almeria, 4 déc. 2006, publié à Archipel 144

Im Jahr 2005 konnte die andalusische LandarbeiterInnnen-Gewerkschaft Sindicato de Obreros del Campo (SOC) - dank einer ersten internationalen Solidaritätskampagne - ein Gewerkschaftslokal in der Stadt El Ejido in der Provinz Almeria, im Herzen der Region des Poniente, eröffnen.

Dieses Gebiet weist die größte Konzentration von Plastikgewächshäusern für Wintergemüse mit den meisten LandarbeiterInnen der Provinz auf. Hier ist die soziale Ausgrenzung der ImmigrantInnen beson-ders groß, und rassistische Übergriffe gegen sie sind an der Tagesordnung. Mit diesem Lokal besitzen die ausländischen SaisonarbeiterInnen, ob sie nun Papiere haben oder nicht, und die einheimischen TagelöhnerInnen und Arbeitslosen einen Ort, wo sie sich treffen und gemeinsam organisieren können, um ihre Rechte zu verteidigen. Im Dezember 2005 wurde eine neue Unterstützungskampagne lanciert, dieses Mal für die Region Levante im Gebiet des Campo de Nijar, das 32 km von Almeria entfernt und 64 km östlich von El Ejido liegt. Es handelt sich dabei um die zweitgrößte Fläche des Gemüseanbaus unter Plastik nach der des Poniente und der damit verbundenen Anzahl von ImmigrantInnen. Die wichtigsten Orte sind Campohermoso und San Isidro, wo die Tagelöhner-Innen unter sehr prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen und einer skrupellosen Ausbeutung leiden. Dazu kommen die skandalösen «Wohnverhältnisse»: Selbstgebastelte Verschläge aus Karton und Plastik, die so genannten chabolas , und leer stehende Landwirtschaftshangars, die cortijos , überwiegen - ohne jede minimale Ausstattung. Es gibt keine Orte, wo sie sich informieren und organisieren können. Nach einem Jahr intensiver Gewerkschaftsarbeit in der Region ist das SOC jetzt dabei, ein Lokal von 80m2 zu kaufen, um ein soziales Zentrum einzurichten mit Beratungsstelle, als Treffpunkt und Versammlungsort. Mittelfristig ist es vorgesehen, eine wirtschaftliche Aktivität zur Selbstfinanzierung anzuschließen. Die Anzahlung für den Kauf dieses neuen Raumes wurde durch die Beiträge der 200 lokalen Anhänger-Innen des SOC und durch die Geldsammlungen des Europäischen BürgerInnen-Forums und der Stiftung Solifonds in der Schweiz ermöglicht. Eine erste Rate von 30.000 Euros konnte jetzt bezahlt werden; 50.000 Euros fehlen noch, um die Abzahlungen zu vervollständigen. Dazu braucht es noch etwas mehr als 20.000 Euros für Steuern, Mobiliar und Renovation des Lokals. Deshalb lanciert das SOC eine neue Solidaritätskampagne, um das benötigte Geld zu sammeln und somit eine Hypothekarschuld möglichst klein zu halten. Das SOC widmet den größten Teil seiner Anstrengungen der Information, der Organisierung und der Verteidigung der ausländischen TagelöhnerInnen, die als billige und flexible Arbeitskräfte für die 40.000 Hektaren unter Plastik gebraucht werden. Dabei handelt es sich um eine kapitalistische industrielle Produktion unter schamloser Ausbeutung natürlicher und menschlicher Ressourcen, welche zwar kurzfristig Profit abwirft, aber längerfristig jede Möglichkeit einer nachhaltigen lokalen Entwicklung untergräbt. Die Unterstützung, die aus verschiedenen europäischen Ländern dem SOC zukommt, spielt für die Gewerkschaft eine wesentliche wirtschaftliche und politische Rolle. Sie trägt dazu bei, die Würde der LandarbeiterInnen in der Provinz Almeria zu verteidigen, aber auch gleichzeitig die Interessen der ganzen europäischen Arbeiterschaft. Denn diese Art von Produktion bedroht das Arbeitsrecht überall. Das SOC betreibt heute drei Lokale in der Provinz von Almeria und hat drei Vollzeit-Mitarbeiter: ein marokkanischer Gewerkschafter in El Ejido, ein anderer Marokkaner in Almeria und ein Gewerkschafter aus dem Senegal für Roquetas und Nijar. Dabei wurden besonders im Bereich des Arbeitsrechts Fortschritte erzielt. Die Informationskampagne, die das SOC während diesem Jahr geführt hatte, bewirkte den Anstieg der Anzeigen gegen Missstände in den Betrieben und der Anfragen von Hilfesuchenden. Außerdem kam es zu kollektiven Aktionen in den größten Gewächshäusern. Streiks und Versammlungen in den Betrieben haben dazu geführt, dass zumindest die minimalen Rechte respektiert werden, welche die Löhne, die Arbeitsstunden und die Sicherheit am Arbeitsplatz betreffen. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist auf 1.000 gestiegen. Deren Mitgliederbeiträge reichen jedoch noch nicht für eine Selbstfinanzierung der gesamten gewerkschaftlichen Arbeit aus. Deshalb ist die internationale Unterstützung für einen Teil der Löhne und der laufenden Kosten immer noch unabdingbar. Parallel dazu unternimmt das SOC Anstrengungen, um einige unabhängige wirtschaftliche Aktivitäten (wie Betrieb einer Teestube oder eines Cafés in den Lokalen) aufzubauen, um die Kosten zu decken.

Für die nächsten Monate will das SOC einen Gewerkschafter als Vollzeitbeschäftigten für das Levante-Gebiet bereitstellen, wo ImmigrantInnen und teilweise auch andalusische TagelöhnerInnen sowohl in der intensiven Landwirtschaft als auch auf dem Bau, in den Marmorsteinbrüchen und in der Hotellerie arbeiten. Die Beziehungen mit den Vereinigungen der Eingewanderten sollen intensiviert und Kurse für Spanisch und für die gewerkschaftliche Arbeit organisiert werden. Wenn alles klappt, wird die Einweihung des neuen Lokals in San Isidro Ende März 2007 zu den «dritten interkulturellen Gewerkschaftstagen» stattfinden.

Federico Pacheco

SOC-Almeria

Im Gebiet von Nijar

Das Gebiet von Nijar, wo das neue soziale Zentrum für LandarbeiterInnen des SOC in San Isidro entstehen soll, liegt 32 Kilometer östlich von der Provinzhauptstadt Almeria entfernt. Das Gemeindegebiet umfasst 600 Quadratkilometer und mehr als 6.000 Hektaren Plastikgewächshäuser für die intensive Produktion von Wintergemüse. Es ist damit neben El Ejido das zweite Plastikmeer in der Provinz Almeria mit den gleichen Problemen: Verseuchung des Bodens und des Wassers, Ausbeutung der ImmigrantInnen als billige und rechtlose Arbeitskräfte. Heute leben

90 % der rund 22.000 EinwohnerInnen der Gemeinde von dieser Aktivität.

Auf dem Gebiet von Nijar liegt jedoch auch der große Naturpark von Cabo de Gata mit seiner einzigartigen Flora und Fauna. Dieses aussergewöhnliche Naturreservat ist heute einerseits durch den Massentourismus gefährdet und andererseits durch die illegale Landnahme der Gemüse-Unternehmer, die immer mehr Platz für ihre Plastiktunnel suchen. Der Direktor des Parks und eine kleine Gruppe von MitarbeiterInnen kämpfen gegen diese Entwicklung und zeigen gleichzeitig auf einer 700 ha grossen Landfläche, dass eine traditionelle und umweltschonende Landwirtschaft möglich ist. Die Mitglieder des Europäischen BürgerInnenforums waren tief beeindruckt von deren Arbeit, als sie im April 2000 während der ersten internationalen BeobachterInnen-Delegation nach El Ejido zum ersten Mal den Park besuchten.

Wie bei El Ejido stehen wir auch hier vor zwei Herausforderungen: Einerseits gilt es, zusammen mit den LandarbeiterInnen für deren Rechte zu kämpfen und andererseits ein anderes Wirtschaftsmodell vorzuschlagen, das ohne die brutale Ausbeutung von Mensch und Natur auskommt.