Der Untergang der «Prestige»

de Lourdes Mendes, EBF, 5 févr. 2003, publié à Archipel 102

Während die USA sich und die Welt auf einen Krieg vorbereiten, dessen nur schlecht kaschiertes Ziel der ungehinderte Zugang zum irakischen Erdöl ist, während in Venezuela die Kraftprobe zwischen der mächtigen Erdöllobby, welche die Rohölförderung kontrolliert und der demokratisch gewählten Regierung weitergeht, verseucht ein Unterprodukt eben dieses Erdöls, nämlich Schweröl, die Atlantikküste Spaniens und bald auch Frankreichs.

Am 19. Dezember 2002 bricht der Öltanker "Prestige"

250 km vor der galizischen Küste auseinander. Seither liegt er in 3.600 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund. Die "Prestige" transportierte 77.000 Tonnen sibirischen Schweröls von Lettland nach Singapur. Das Schiff schlug schon am 13. November leck. In dieser ersten Woche bis zum Auseinanderbrechen – in der die spanischen Behörden den Tanker ins offene Meer schleppen lassen – fließen bereits 15.000 Tonnen Schweröl aus. Aber auch danach verliert das Wrack über die zahlreichen Risse im Schiffskörper nach wie vor hochgiftiges Öl. Am 10. Dezember 2002 wird bekannt, dass jeden Tag 125 Tonnen neu hinzu kommen. Die Bevölkerung ist wütend und protestiert unter dem Slogan "Nunca mais – Nie wieder!" Mehrere Demonstrationen mit bis zu 100.000 TeilnehmerInnen finden in Galizien und ganz Spanien statt. Sie fordern den Rücktritt der politischen Verantwortlichen und ein effizientes Krisenmanagement.

Am galizischen Küstenstreifen, der den Namen Todesküste trägt, haben sich schon Hunderte Schiffsunglücke ereignet. Allein in den letzten dreißig Jahren wurde die Gegend von fünf Ölpestkatastrophen heimgesucht. Aber das Ausmaß der Schäden in Folge des Untergangs der "Prestige" übertrifft alles bisher dagewesene. Die spanische Regierung bemüht sich, die Ölpest zu verharmlosen und reagiert erst sehr spät mit Hilfsmaßnahmen zur Entschädigung der Fischer und Züchter von Meerestieren, die für ihre Erwerbsausfälle 40 Euro pro Tag erhalten. Die restliche Bevölkerung, die nur indirekt von der Fischerei lebt, geht leer aus. Zur Säuberung der verseuchten Strände treffen täglich Tausende Freiwillige aus ganz Spanien und von noch weiter her ein. Ohne Schutzanzüge sowie geeignete Geräte setzen sie bei dieser gefährlichen Arbeit ihre Gesundheit aufs Spiel. Schließlich tritt auch – mit gehöriger Verzögerung – die spanische Armee in Erscheinung. Von 1.064 Stränden in den vier betroffenen Regionen sind 562 verseucht.

Demonstration in Zug

Am Samstag, dem 11. Januar 2003 nehmen 600 Menschen an einer Protest- und Solidaritätsdemonstration im schweizerischen Zug teil. Von der Eigentümerin der Fracht – der in Zug ansässigen Handelsgesellschaft Crown Resources AG – verlangen sie, ihre Mitschuld am Schiffbruch des Tankers öffentlich einzugestehen und ihren Beitrag zur Behebung der Ölschäden zu leisten. Die Zuger Stadt- und Kantonsverwaltung fordern sie auf, die geleisteten und ausstehenden Steuereinnahmen der Crown Resources an die Opfer der Ölkatastrophe weiterzuleiten. Zur Demonstration aufgerufen hat die Sozialistisch-Grüne Alternative (SGA) Zug sowie verschiedene galizische und spanische Organisationen in der Schweiz. Unterstützt wird sie von zahlreichen Gruppen und Bewegungen, darunter auch vom Europäischen Bürgerforum. Hauptredner ist Antón Carracedo Sacedo, der Bürgermeister von Laxe, einem von der Ölpest schwerst betroffenen galizischen Fischerdorf. Unter den weiteren Rednern ist auch der Zuger Regierungsrat und Polizeidirektor Hanspeter Uster (SGA). Er fordert die Schaffung eines verbindlichen Verhaltenskodex für die Ölhandelsfirmen, die Verschärfung der Sicherheitsnormen, darunter die zwingende Auflage nur noch zweiwandige Tanker zu chartern. Die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Katastrophe werden beim Namen genannt: die Inkompetenz der galizischen Autonomie- und der spanischen Zentralregierung, die Versäumnisse der Europäischen Union, die Rücksichtslosigkeit der griechischen Reederei und die Gewinnsucht der Chartergesellschaft Crown Ressources.

Am Rande sei noch bemerkt, dass auch die Genfer und die Waadtländer Kantonalbank maßgeblich an der Finanzierung der Fracht der "Prestige" beteiligt waren.