DOSSIER G8: Saatgut ist Gemeingut

de Mandy Hasenfuß (Halle, 1. 10. 2006), 10 sept. 2007, publié à Archipel 151

Die Ereignisse rund um das G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm/Mecklenburg waren so vielfältig, dass es jetzt noch zu früh ist, um ausführlich darüber zu berichten. «Eine andere Gesellschaft ist möglich», «Widerstand ist fruchtbar» und «Kein Mensch ist illegal» waren drei dominierende Themen der breiten Protestbewegung, die in den Monaten davor und schlussendlich während einer Woche rund um Heiligendamm sichtbar wurde.

Soweit bisher bekannt, wurden 100 Millionen Euro für die Sicherheit des anderthalb Tage dauernden Gipfeltreffens ausgegeben. Das Konzept, die Demonstranten als gewalttätige Randalierer zu kriminalisieren, scheiterte kläglich. Von all dem werden wir in den nächsten Monaten berichten.

In dieser Nummer gehen wir auf ein Thema des vor einigen Monaten gegründeten «Aktionsnetzwerkes Globale Landwirtschaft» ein. Dem Netzwerk ist es gelungen, seit langer Zeit wieder die Fragen der Landwirtschaft innerhalb der linken Bewegung in Deutschland zu diskutieren und mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit zu bringen: Vom 3. bis zum 11. März 2007 waren neun Personen mit Orangen, Ausstellungen und Informationsmaterial durch Österreich und Deutschland unterwegs, um auf die katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Saisonniers in der industrialisierten Landwirtschaft Europas aufmerksam zu machen. Am 17. April, dem «Tag der Landlosen», den Via Campesina jedes Jahr in Erinnerung an die Toten der Landkämpfe in Brasilien begeht, gab es in 15 deutschen Städten ebenfalls verschiedene Aktionen. Am 19. und 20. Mai fand in Halle die 3. Europäischen Tagung zur Saatgut-Erhaltung statt. Die ersten beiden Treffen waren 2005 in Poitiers, Frankreich und 2006 in Bullas, Spanien, wo sich Interessenten aus Süd- und Westeuropa trafen. In Halle gesellten sich Menschen aus Nord- und Osteuropa dazu. Dieses dritte Treffen hat das EBF gemeinsam mit der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie und der IG für gentechnikfreie Saatgutarbeit organisiert.

Am 21. Mai, einen Tag vor dem «Internationalen Tag der biologischen Vielfalt», beteiligte sich ein breites Bündnis an der Protestdemonstration vor der Genbank Gatersleben gegen die dortige Freisetzung von genmanipuliertem Weizen und genmanipulierten Erbsen. Am 3. Juni gab es dann von Rostock bis Gross Lüsewitz den Aktionstag «G8 und Globale Landwirtschaft», der alle Fassetten globaler Landwirtschaft berührte.

Jürgen Holzapfel

EBF, Notkomitee

Offener Brief Zur 3. Europäischen Saatgut-Tagung, an der auch Menschen anderer Kontinente teilnahmen, gab es, neben anderen Ergebnissen, einen offenen Brief an die deutsche Genbank für Kulturpflanzen in Gatersleben.

«Die Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in den Laboren und auf den Feldern der Genbank in Gatersleben, einer der größten Sammlungen von Kulturpflanzen, waren der Anlass für 150 Bauern, Bäuerinnen, GärtnerInnen, ZüchterInnen, Vertreter von Genbanken und Initiativen zur Erhaltung und Nutzung der Pflanzenvielfalt aus 25 Ländern und vier Kontinenten, vom 18. bis 20. Mai 2007 in Halle zu tagen.

Einer der Beschlüsse der Tagung betrifft unmittelbar die Genbank in Gatersleben:

Wir haben keinerlei Garantie dafür, dass durch die seit mehr als zehn Jahren durchgeführten Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in den Laboratorien der Genbank nicht bereits Verunreinigungen in den Erhaltungsbeständen erfolgt sind. Durch die Freisetzungsversuche ist die Wahrscheinlichkeit jedoch sehr viel größer geworden. Wenn wir davon ausgehen, dass im vergangenen Herbst die ersten Freisetzungsversuche mit gentechnisch verändertem Weizen erfolgt sind, sind unmittelbar alle Weizensorten gefährdet, die zur gleichen Zeit für ihre Erhaltung auf den Feldern in Gatersleben ausgesät wurden, sowohl die Winter- als auch die Sommerweizen.

Von all diesen Sorten lagern noch Bestände in der Genbank, die insofern nicht von der Kontaminierung bedroht sind.

Wir setzen uns zum Ziel, möglichst viele dieser Sorten außerhalb der Genbank gentechnikfrei anzubauen und zu erhalten.

Deshalb bilden wir ein internationales Notkomitee, welches dieses Ziel umsetzt.

Wir verlangen von der Leitung der Genbank, uns eine vollständige Liste der betroffenen Weizensorten zu übergeben, mit dem Hinweis über die Herkunft jeder Sorte. Auf dieser Grundlage wird sich das Notkomitee bemühen, in den Herkunftsländern Bauern, Gärtner und Privatpersonen zu finden, die bereit sind, Samenproben zum Erhalt der Sorten auszusäen, zu pflegen und zu ernten. Wir erwarten von der Genbank, dass sie uns diese Proben zur Verfügung stellt, mit der Garantie, dass sie nicht mit der bevorstehenden Ernte vermischt wurden.

Als Folge dieser kurzfristigen Initiative erwarten wir uns eine breite Diskussion über die Notwendigkeit, Alternativen zu der Erhaltung der Pflanzenvielfalt in Genbanken zu entwickeln.

Darüber hinaus fordern wir von dem IPK in Gatersleben:

Angesichts der Wahrscheinlichkeit einer Kontaminierung der beim IPK eingelagerten Getreidesaaten durch die gegenwärtigen gentechnischen Experimente im Freiland mit transgenem Weizen, soll bei der Aushändigung von Getreidesaaten dieses Jahrgangs in die jeweiligen Verträge (Material Transfer Agreements ) ein Zusatz aufgenommen werden, der besagt, dass keine Garantie dafür übernommen werden kann, dass es sich bei diesen Saaten um gentechnikfreies Material handelt.

Darüber hinaus erwarten wir, dass angesichts der Bedeutung der Sammlungen der Genbank für die Zukunft der Landwirtschaft das gesamte Areal des IPK und dessen Umgebung als gentechnikfreie Zone eingerichtet wird.

Neben diesen ganz praktischen Schritten für eine gentechnikfreie Erhaltung und Nutzung der Kulturpflanzen schlagen wir weiterhin folgendes vor:

Im Mai 2008 wird Deutschland Gastgeber der 9. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Abkommens über die biologische Vielfalt (CBD) sein (Conference of the Parties - COP9). Diese Konvention, die ebenso wie die Klimakonvention Ergebnis des Weltgipfels für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio ist, soll unter anderem den Erhalt und eine nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt regeln. Angegliedert an diese Konvention ist ein internationales Protokoll über die biologische Sicherheit, das Mindeststandards für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) setzt, das so genannte Cartagena-Protokoll. Unmittelbar vor der Konferenz der Biodiversitätskonvention findet ebenfalls im kommenden Mai in Deutschland die 4. Sitzung der Unterzeichnerstaaten dieses Protokolls statt (Meeting of the Parties – MOP4). Im Cartagena-Protokoll ist das «Vorsorge-Prinzip» verankert. Dieses Prinzip besagt, dass auch dann, wenn keine wissenschaftlichen Beweise dafür vorliegen, dass mit dem Einsatz bestimmter GVO eine Gefährdung verbunden ist, deren Einsatz in den jeweiligen Mitgliedsstaaten aus anderen Gründen untersagt werden kann. Wir verlangen, dass die bei COP9 und MOP4 Beteiligten auch die gentechnischen Experimente der Genbank in Gatersleben auf die Tagesordnung setzen. Denn hier wird offenbar versucht, mit diesen Freisetzungen in direkter Nähe der größten und bedeutendsten Sammlung alter Kulturpflanzen in Deutschland ein Exempel zu statuieren, dass unabsehbare negative Folgewirkungen auch für Standorte von Genbanken in anderen Ländern haben kann.»

Die Anschrift für das Notkomitee ist bis auf weiteres:

Europäisches Bürgerforum

Dorfstr. 68

D-17159 Dargun, OT Stubbendorf

Tel. 49 (0)39 959 23 881

E-mail: ulenkrug@t-online.de

Der Schöpfer is(s)t mit uns…

Wissen Sie, die folgenden Zeilen schreibe ich eigentlich nur, weil es viel zu schade wäre, sie nicht zu schreiben. Was hab' ich neulich gestaunt, innerlich gelacht und mein kleines Lebensmotto («Man lernt ständig dazu und kommt aus dem 'Sich wundern' nicht raus») bestätigt gefunden.

Am 26. September 2006 war ich nämlich mit zwei Freunden in Gatersleben auf dem Biotechnologiecampus, gelegen im Vorharzland, unweit von Quedlinburg. Auf dem Campus befindet sich auch das IPK (Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung). Aber was sage ich so umständlich Biotechnologiecampus und IPK? Vor Ort war nämlich immer die Rede vom so genannten Green Gate Gatersleben. Na, das hört sich doch gleich viel weniger bürokratisch, viel weniger verklemmt – möchte man bald sagen – an. Herrlich selbstbewusst, offensiv und innovativ, durch und durch trendy klingt das. Und so sahen und fühlten sich an diesem Tage auch die vielen schick gekleideten Männer und Frauen auf dem Gelände. Und noch mehr von ihnen waren stolz, sehr stolz sogar. Das konnte man ihnen förmlich an den Gesichtern ablesen. Aber worauf waren sie eigentlich stolz?

Darauf natürlich, dass ihre Forschungsanstalt zu den Orten gehörte, die im Rahmen Kampagne «Deutschland. Land der Ideen» ausgezeichnet wurde. Initiiert von der FC Deutschland GmbH (in Lobbyistenkreisen gibt man sich ja seit der Fußball-WM sehr sportlich, aber nicht unbedingt fairer) und von der Bundesregierung und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ins Leben gerufen, wirbt man feldzugähnlich und medial aufgepeppt für den Standort Deutschland und seine tollen Denker. Und im Green Gate Gatersleben gibt es sie, die Denker, die Vorreiter, die Avantgardisten einer neuen Zukunft. Und deshalb durften sie feiern und sich freuen, dass viel Prominenz aus Wirtschaft und Politik angereist war. Da war es natürlich ganz sinnvoll den Promis und Geldgebern, was ja in diesem Fall ein und dasselbe ist, etwas zu bieten. Im Hörsaal wurde zu Beginn der eintägigen Festveranstaltung von einem Vertreter der Deutschen Bank der Titel «Ort im Land der Ideen» verliehen. Und was war die Bürgermeisterin Edith Hüttner glücklich, die mittlerweile auch im Aufsichtsrat der BGI Biopark Gatersleben Infrastrukturgesellschaft mbH sitzt, sich von so viel Presse und Beifall umgeben zu sehen.

Es folgte die Verleihung des alljährlich ausgeschriebnen Gaterslebener Forschungspreises an einen jungen Pflanzenforscher namens Abel. Sinnfälliger hätte ich es ja gefunden, wenn er Kain geheißen hätte. Aber das nur nebenbei. Seinem souverän vorgetragenen und mit vielen Fachausdrücken gespickten Fachvortrag konnten allerdings nur die Wenigsten folgen, was sich im Saal durch leises Murmeln und Fußscharren beizeiten zeigte. So genau wollte man es nun doch wieder nicht wissen. Was folgte war eine Podiumsdiskussion zu den ethischen Herausforderungen der Pflanzenbiotechnologie. Neben einem Vertreter des Landesministeriums für Landwirtschaft, war auch einer aus dem Wirtschaftsministerium anwesend, zwei Forscher und, man höre und staune, ein Vertreter der kath. sowie der ev. Kirche. Das Wort Diskussion war von den Veranstaltern ein wenig hoch gegriffen, denn ein Meinungsaustausch, im eigentlichen Sinne des Wortes Diskussion, fand gar nicht statt. Wie denn auch, wenn sich alle Podianten einig sind. Die Pflanzenbiotechnologie ist der richtige Weg, so meinte man fast schon synchron hören zu können. Nicht nur für Sachsen-Anhalt (es war die Rede von einem «Markenartikel aus Sachsen-Anhalt»), sondern überhaupt und im Allgemeinen. Wer will denn die Milliarden von Menschen ernähren, die in Zukunft die Erde bevölkern werden? Malthus und sein Ressourcendiskurs sei noch immer nicht widerlegt, meinte Dr. Graf Wilhelm von der Schulenburg, der zwar nicht im Podium saß, aber unbedingt auch einen Kommentar abliefern wollte. Schweigen wir an dieser Stelle diskret von seiner Unkenntnis in Bezug auf die Widerlegung von Malthus. Weiter ging es mit folgendem Argument: Um dem Druck der Globalisierung stand zu halten, müsse mehr an der Kostenschraube gedreht werden. Schneller produzieren, billiger produzieren. Hier, jetzt und in Zukunft. Dann plötzlich ein Innehalten. Der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums stellt die Frage: Ist es denn ethisch vertretbar, dass man im Namen der Ethik Hungernde sterben lässt, wo transgene Pflanzen gerade in der Ländern des armen Südens so viel Gutes bringen würden? Keiner sprach über Verteilungsprobleme, keiner sprach über das so genannte «gei-stige Eigentum» an den neu geschaffenen Pflanzen, keiner über die schleichende Privatisierung und Ökonomisierung des Lebens, keiner sprach von der täglichen Vernichtung überproduzierter und hoch subventionierter Lebensmittel in den Ländern der so genannten Ersten Welt. Keiner. Nicht mal die Kirchenvertreter. Pater Dölken, einer der kath. Stützen der Veranstaltung, meinte sogar, der Mensch, immer verstanden als homo creator, müsse mitschöpfen dürfen. Er schöpfe ja nicht aus dem Nichts, er gestalte nur Vorhandenes um und käme so gar nicht erst in Konkurrenz zum allmächtigen Gottvater. Ja, wenn man das so sieht…Da kann man ja gleich sagen: Wenn Gott meinte, sich ab dem 7. Tag ausruhen zu müssen, dann muss er sich nicht wundern, wenn seine Geschöpfe am 8. Tag selbst weiterwerkeln.

Nun dachten wir inkognito Angereiste und deshalb argwöhnisch Beobachtete, dass sich der vorauseilende Gehorsam der Kirchenleute erschöpft hätte. Das oberflächliche und stark affirmative Geschwätz war so schon kaum auszuhalten gewesen. Aber weit gefehlt. Es stand noch die feierliche Einweihung eines millionenteuren Gewächshauses für transgene Pflanzen auf dem Programm. Vokabelreich meldeten sich ein Minister, ein Betreiber und ein Bischof zu Wort. Als Scherz gemeint, sagte ich, als ich die salbungsvollen Worte des Letztgenannten so nach und nach vernahm, leise zu meinem beiden Bekannten: «Na, wenn der gute Hirte man nicht noch das Gewächshaus segnet…ha, ha, ha». Und ob Sie es glauben oder nicht, kaum war es gesagt, da rutschte der Bischof von seinem Redepodest und lief auf das Gewächshaus zu. «Im Namen des Vater, des Sohnes und des Heiligen Geistes…», kurzes Schwenken und Schütteln des heiligen Wassers in Richtung einer der frisch geputzten Gewächshausscheiben, und schon ruhte Gottes Segen auf den Creatoren. Wissen Sie, als ich das sah, staunte ich nicht schlecht und lernte wieder viel dazu. Spontan fiel mir nur der etwas ruppige Liebermann-Spruch ein: «Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte.»