DOSSIER LAND WIRTSCHAFT: Reise nach Ungarn und Rumänien

de Sylvie Seguin (EBF-Frankreich), 18 juin 2007, publié à Archipel 149

Die Reise in diese beiden Länder, wurde – wie schon die zwei vorhergehenden Fahrten nach Spanien und Portugal sowie nach Italien – von BEDE (Bibliothéque d’Echanges de Documentation et d’Expérience ) und vom Netzwerk «Semences Paysannes » organisiert. Sie war dem Erfahrungsaustausch zwischen Bauern und verschiedenen Initiativen gewidmet, die sich mit Fragen des Saatguts und der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auseinandersetzen. Dies ist der zweite Teil des Reiseberichts.

Das Dorf Hosman

Hier wurden wir sehr sympathisch von Jochen und Gabi Cotaru empfangen. Jochen, der lange Zeit in der österreichischen Longo mai – Kooperative lebte und sich an den Aktivitäten des EBF aktiv beteiligt, lebt nun seit einigen Jahren mit seiner Frau Gabi in Rumänien. Die Dorfbewohner leben hier getrennt nach ihren sprachlichen Zugehörigkeiten – rumänisch, deutsch und ungarisch. Jochen und Gabi würden gerne ein Stück Land kaufen und bearbeiten, doch das erweist sich als äusserst schwierig. Die Deutschsprachigen sind zwar zum Grossteil ausgewandert, doch sie wollen weder ihr Land noch ihre Häuser verkaufen, was Konflikte mit sich bringt, wenn andere Leute hier leben und arbeiten wollen. Unsere Freunde konnten, dank der Unterstützung der Stiftung Hosman Durabila, deren Ziel es ist, Projekte lokaler Entwicklung und biologischer Landwirtschaft zu fördern, eine alte Mühle wieder in Betrieb nehmen. Die Besichtigung der Mühle und Demonstration des Mahlens war Anlass zu angeregten Diskussionen über Getreide, das Mahlen und verschiedene Mehlsorten mit Nicolas Supiot – ein Bauer-Müller-Bäcker aus unserer Delegation. Die «Mühlengruppe» besteht aus 4 bis 5 Personen, die noch andere Projekte planen: eine Bäckerei, ein kleines Kulturzentrum, ein Atelier zur Herstellung von Wollprodukten. Gegen Abend lernten wir noch einige Frauen aus umliegenden Dörfern kennen, die uns ihre handwerklichen Produkte aus Schafwolle zeigten, vor allem Strickwaren. Ein schöner Tag ging zur Neige, und wir trafen uns wieder bei Gabi und Jochen zu Hause, wo Brot in einem kleinen Holzbackofen gebacken wurde.

GVO-Kulturen

Nächste Station war bei Dan und Ramona, die sehr engagiert sind im Kampf gegen Genmanipulation und uns über den Anbau von GVO in Rumänien aufklärten.

Seit den 80ger Jahren, schon unter Ceaucescu, wurde Soja großflächig angebaut (bis zu 500.000ha) und als Viehfutter exportiert. 1999, dank wachsendem Einfluss der USA startete Monsanto den Anbau von genverändertem Soja, ca. 90.000 Hektar waren davon betroffen. Für ihren EU-Beitritt 2007 wollte die Regierung guten Eindruck machen und verbot im Frühjahr 2006 den Anbau von GVO, für 2007. 80 Prozent der Ernte von 2005 war in die Ukraine und nach Rumänien exportiert worden, die in Rumänien gelagerten restlichen 20 Prozent der geernteten GVO-Sojabohnen waren im Prinzip kein Saatgut. Und was ist aus ihnen geworden? Laut Landwirtschaftsministerium wurden sie auf 130.000 Hektar ausgesät! Eine Umweltwache sollte die Aussaatgenehmigungen überprüfen, doch anscheinend fehlten ihr die Mittel, denn in Transsylvanien wurden keine Kontrollen durchgeführt und im Süden, dem Hauptanbaugebiet, existierten für 18 von 20 kontrollierten Sojafeldern keine Genehmigungen. Für GVO-Gegner ist es schwer, vertrauenswürdige Informationen zu bekommen, in den Statistiken beispielsweise sind zwar Namen und Adresse der Landwirte angegeben, nicht aber die Standorte der Felder. An der Offenheit der Autoritätspersonen vom Fach kann man zweifeln, denn die Mehrheit der Forscher, der Universitäten und Forschungsstationen arbeiten an Programmen, die von Unternehmen, welche genveränderte Organismen verkaufen, finanziert werden (der Chef der Abteilung für biologische Sicherheit des Landwirtschaftsministeriums arbeitet in der Forschung mit Monsanto zusammen). GVO-Soja anzubauen ist zurzeit verboten, doch was wird passieren, wenn das Moratorium fällt, z.B. für Mais? Dann wird es sich nicht mehr um Viehfutter handeln, sondern um Nahrungsmittel für Menschen. Auf ungefähr 3 Millionen Hektar wird Mais angebaut, zu großen Teilen für die Ernährung der Menschen. Auf jedem Bauernhof stehen Maissilos, oft schöne, alte Holzbauten, Mais ist seit eh und je ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Wir haben festgestellt, dass es noch «Populations-Sorten» gibt, das heißt, nicht fixierte Sorten, die auf dem gleichen Feld z.B. verschiedenfarbige Maiskolben zum Vorschein bringen, durch ihre Vielfältigkeit widerstandsfähiger und den jeweiligen Umständen besonders gut angepasst sind. Die modernen Hybridsorten haben noch nicht überall Einzug gehalten. Die Einführung von GVO-Mais würde in Rumänien eine wahrhaftige Katastrophe auslösen, so wie es in Mexiko bereits der Fall ist. Da es hier um ein Grundnahrungsmittel für Menschen geht, und die Koexistenz von genmanipuliertem Mais und alten Sorten erwiesenermaßen unmöglich ist, gibt es die Idee, ein Moratorium zu verlangen. Französische Forscher haben gemeinsam mit Landwirten im Südwesten den Versuch gemacht, GVO-Mais auf freiem Feld in der Nähe von anderen Maissorten anzupflanzen. Natürlich wurden dadurch die anderen Sorten angesteckt, d.h. genetisch verändert. Wir wussten das zwar schon, doch jetzt ist es auch wissenschaftlich bewiesen; dringend notwendig wäre es nun, die rumänische Bevölkerung darüber zu informieren…

Das Dorf Sinca Noua

Der letzte Tag war dem Besuch der Gemeinde Sinca Noua zwischen Sibiu und Brasov gewidmet, die sich zur GVO-freien Zone erklärt hat. Der Bürgermeister empfing uns und erzählte uns die besondere Geschichte seines Dorfes. Unter Ceaucescu weigerte man sich hier, das Land zu kollektivieren. Um die Bevölkerung nach harten Konflikten zu bestrafen, liess Ceaucescu das Dorf 1968 von der Landkarte streichen. Alle öffentlichen Infrastrukturen wie Rathaus und Schulen wurden abgeschafft, die Strassen nicht mehr unterhalten, alle staatlichen Subventionen gestrichen. Gegen den Willen der Bevölkerung wurde die Integration in eine Nachbargemeinde erzwungen. 1989, nach dem Fall von Ceaucescu, beschlossen die 2000 Dorfbewohner ihre Gemeinde wieder zum Leben zu erwecken und die Verwaltung in die Hand zu nehmen. Während 12 Jahren kämpften sie mit allen Mitteln, um ihr Ziel zu erreichen. Die Regierung musste schließlich ein spezielles Gesetz erlassen, um die Wieder-Gründung dieser Gemeinde zu ermöglichen. Da die Dorfbewohner am Anfang überhaupt kein Geld hatten, versuchten sie in Europa Unterstützung zu bekommen, um die Infrastrukturen des Dorfes wieder aufzubauen. Dies wurde nicht gut aufgenommen, denn Rumänien hatte in den 90iger Jahren keinen guten Ruf. Schließlich gelang es ihnen jedoch, in Deutschland eine Partnerschaftsgemeinde zu finden, die von ihnen verlangte, eine Entwicklungsstrategie für die nächsten 20 Jahre zu erarbeiten, um die Kontinuität zu gewährleisten. Als sie dafür bei den umliegenden Gemeinderäten Rat einholen wollten, stellten sie fest, dass in keinem von ihnen über solche Dinge diskutiert wurde. Sie mussten alles erfinden, und so nutzten sie einen ganzen Winter, um - nachdem die Arbeiten in Haus und Hof erledigt waren – über ihre kollektiven Strategien zu diskutieren und ein gemeinsames Dokument auszuarbeiten, das nun auch von anderen Gemeinden konsultiert wird. Die Tatsache, dass das Dorf gegen den Regierungsbefehl standgehalten und die Kollektivierung verhindert hatte, hat ihrer Meinung nach viel dazu beigetragen, die Jungen im Dorf zu halten. Der Bürgermeister betonte, dass die Bewohner auf ihre Höfe stolz sind, alles bewirtschaftet ist und das Durchschnittsalter 38 Jahre beträgt. Sie sind sich jedoch auch der Tragweite bewusst, die der Beitritt Rumäniens zur EU bedeutet, und vor allem der Gefahr für die kleinen Höfe. Der Bürgermeister sieht dies als das «Ende einer Welt», doch ohne Nostalgie, eher in dem Sinn, neue Lösungen finden zu müssen. So wurde z.B. gemeinsam beschlossen, dass in der Gemeinde nur biologische Landwirtschaft betrieben wird, und dieses Bekenntnis sowie die Position des Dorfes gegen genetisch veränderte Organismen wurden am Dorfeingang angeschlagen. Diese Entscheidung ist für alle verpflichtend, da sie im Respekt der langfristigen Entwicklungsstrategie des Dorfes getroffen wurde. Jetzt sind die Dorfbewohner dabei, für die Weiterverarbeitung ihrer landwirtschaftlichen Produkte und für die Nutzung der kleinen Parzellen Ideen zu sammeln. Sie zeigten uns auch stolz ihre Samenzucht, durch welche sie mehrere traditionelle Sorten Bohnen, Mais und Zwiebeln erhalten. In diesem Dorf, das uns alle an das Dorf von Asterix erinnerte, gäbe es noch viel kennen zu lernen! Die Bewohner wünschen sich übrigens, noch andere Partnergemeinden in Europa zu finden.

Zurück nach Frankreich

Auf unserem Rückweg überlegten wir, wie wir nun nach all diesen Begegnungen weitermachen sollen. Wir werden versuchen, den Erwartungen unserer Gesprächspartner nachzukommen, vor allem in den Bereichen Ausbildung und Informationsaustausch. Für einige gibt es bereits ein nächstes Treffen, von 18. bis 20. Mai in Halle, zum Thema Pflanzenvielfalt als Gemeingut (siehe Archipel Nr.147).