LAUTSRECHER : Aufruf gegen das World Economic Forum 04

17 févr. 2004, publié à Archipel 112

Vom 21. bis 25. Januar 2004 versammelt sich das World Economic Forum (WEF) einmal mehr zum jährlichen Treffen in Davos. Gegen das Stelldichein der Reichsten und Mächtigsten, die sich selbst als "globale Führer" bezeichnen, wird es auch dieses Mal grosse Proteste geben.

Das WEF ist – wie die gesamte neoliberale Politik – in eine Krise geraten. Diese Krise versucht das WEF zu überwinden, indem es Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einbindet und öffentliche Diskussionsforen anbietet, um sich damit Legitimität zu verleihen.

Gleichzeitig werden mittels polizeilicher und militärischer Aufrüstung Proteste erschwert und kriminalisiert. Der Bundesrat stellt sich dabei vorbehaltlos hinter das WEF und diffamiert KritikerInnen als gewalttätige Chaoten. Damit wird – neben dem immensen Polizeiaufgebot aus allen Kantonen sowie aus Deutschland – der so genannte "Einsatz unterhalb der Kriegsschwelle" von immer mehr Soldaten gegen die Bevölkerung legitimiert.

So sehr wir das WEF ablehnen, lehnen wir auch die geistige und strukturelle Militarisierung der Auseinandersetzung seitens der Machthabenden ab. Es ist legitim und notwendig, Widerstand zu leisten gegen das jährlich stattfindende elitäre Zusammentreffen der Mächtigsten und Einflussreichsten im Davoser Hinterland. Und es ist möglich, die Ausbeuter dieses Planeten daran zu hindern, sich sämtliche Ressourcen unter den Nagel zu reissen und über deren Verteilung zu bestimmen. In den letzten Jahren haben sich Libertäre, KommunistInnen, FeministInnen und Autonome, aber auch viele gewerkschaftliche, ökumenische, ökologische und in Menschenrechtsbewegungen engagierte Menschen in der Schweiz und den umliegenden Ländern organisiert, um die Treffen des WEF zu verhindern und Widerstand gegen die von ihm vorangetriebene Politik zu leisten.

Trotz Verboten und Kriminalisierung gab es in den letzten zehn Jahren in Davos immer wieder erfolgreiche Demonstrationen. Wir haben das WEF im Jahre 2002 nach New York vertrieben und wir haben unsere Solidarität bewiesen. Im Januar 2003 haben wir trotz grossem Druck die Identitätskontrollen im Fideriser Vehgatter verweigert. Wahrscheinlich wird es am Samstag, den 24. Januar in Davos wieder eine Demonstration geben. Die Militarisierung der Auseinandersetzung durch die Behörden und ihre Absicht, Proteste in Davos nur unter absurden Auflagen zu gestatten, verunmöglicht jedoch eine für alle zugängliche Grossdemonstration in Davos. Aus diesem Grund werden im Januar 04 auch ausserhalb von Davos verschiedene Demos gegen das WEF stattfinden.

World Exploitation Forum

Das World Economic Forum ist eine Stiftung mit Sitz in Genf. Mitglied sind die 1000 grössten Konzerne der Welt. Das WEF ist somit die Lobby der mächtigsten Firmen, deren oberstes Ziel die Profitmaximierung ist. Ende Januar findet jeweils das Jahrestreffen in Davos statt, zu dem – neben den Verwaltungsräten und Topmanagern der Mitgliederfirmen – auch eine handverlesene Anzahl von Staatschefs, WissenschaftlerInnen, Chefredakteuren, KünstlerInnen, sowie einige VertreterInnen von NGO-Konzernen eingeladen werden.

Insgesamt tummeln sich im Januar 3000 WEF-Teilnehmer und wenige Teilnehmerinnen in Davos, die durch die persönliche Einladung von WEF-Chef Klaus Schwab zu "Global Leaders" geadelt werden. Begleitet werden sie von Tausenden so genannter Sicherheitskräfte jeglicher Couleur.

Am Jahrestreffen in Davos, der grossen Messe des Kapitalismus, diskutieren die TeilnehmerInnen einerseits an Panels über verschiedenste Themen, andererseits dürfen sich die geladenen PolitikerInnen mit den erfolgreichsten Wirtschaftsleuten und zunehmend auch mit Stars aus der Unterhaltungsindustrie im Blitzlicht der Medien sonnen.

Was den Erfolg und die Bedeutung der WEF-Jahrestreffen ausmacht, sind jedoch nicht die Begegnungen vor laufender Kamera oder die Diskussionen an den Panelveranstaltungen, sondern die informellen Treffen von potentiellen Businesspartnern in den Hinterzimmern, Bars oder – warum auch nicht – der Hotelsauna. Dort werden Strategien und Pläne bezüglich der Führung und Ausbeutung der Welt ausgeheckt und Deals um die rentabelsten Märkte eingefädelt. Ganz unverbindlich werden Voraussetzungen zu Aktionsplänen geschaffen, welche später von den Institutionen von Bretton Woods (IWF, Weltbank), der Welthandelsorganisation WTO oder von Regierungen übernommen werden.

Das WEF versammelt in sich eine enorme strukturelle Macht, welche die Interessen der Global Leaders auf allen Ebenen zementieren will: die Aneignung der Produktionsmittel für die Reichsten; die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zu Gunsten der Konzernführungen ohne Rücksicht auf ökologische Konsequenzen; der Wiederaufbau von durch imperialistische Kriege zerstörter Ökonomien und Infrastruktur; die Beseitigung so genannter Handelshemmnisse, wie beispielsweise die gewerkschaftliche Organisierung; die Ausnützung der Arbeit der Frauen, bei der Patriarchat und Kapitalismus aufs engste miteinander verknüpft sind. Kaum verwunderlich also, dass die Frauen innerhalb der WEF-Tagung eine verschwindend kleine Minderheit sind. Ihnen bleiben die Raumpflege der Hotelzimmer oder Begeleitservicedienste überlassen.

Einige Themen vom WEF

  • Am WEF wurde die Uruguay-Runde des GATT vorangetrieben, aus der die WTO (Welthandelsorganisation) entstanden ist.

  • Gespräche und Diskussionen über die (bisher misslungene) Durchsetzung des MAI (Multilaterales Investitionsabkommen).

  • Das WEF ermöglichte die einleitenden Gespräche im Hinblick auf das Entstehen der NAFTA (North American Free Trade Agreement), welche den Eckstein der Durchsetzung der globalen Liberalisierung in Nordamerika bildet (und anlässlich dessen Einführung in Mexiko sich die ZapatistInnen vor zehn Jahren erhoben).

  • Die Privatisierung von Wasser respektive die Aufteilung der Wasserrechte an Quellen, was dazu führt, dass bisher allgemein zugängliche Nutzungen privatisiert werden – grosse Getränkefirmen wie Nestlé sind momentan daran, sich weltweit Wasserquellen zu sichern.

  • Privatisierung der Ausbildung/Erziehung: In die Hände der Konkurrenzwirtschaft gebracht, würde die Verwaltung dieses Sektors dem Hauptkriterium unserer Epoche unterstellt: maximale Rentabilität, was bedeutet, mit der Qualität der Ausbildung Geschäfte zu machen.

  • Vorantreiben und Sicherung der Unterstützung für den Plan Colombia und den Plan Puebla-Panama, welche beide unter anderem die weitergehende Liberalisierung der Wirtschaft, die Militarisierung der Gesellschaft und gleichzeitige Zerstörung der sozialen Vorsorge in den betreffenden Ländern Lateinamerikas beinhalten.

  • Diverse grosse Staudammprojekte wie GAP (Türkei), Narmada (Indien), Bio Bio (Chile), welche jeweils Umsiedlung für Tausende von Leuten und massive Eingriffe in die Umwelt bedeuten (gleichzeitig wird der Profit dieser Geschäfte natürlich nicht vor Ort gewonnen).

  • Die sozialen Errungenschaften sind eine Bremse für die Rentabilität und den Profit: Seit einigen Jahren können wir beobachten, wie die Erfolge der Kämpfe der letzten hundert Jahre in Frage gestellt werden: Erhöhung des Rentenalters – Kürzung der Arbeitslosenunterstützung.

Bye Bye, Mister Schwab

Seit zehn Jahren sieht sich das WEF in Davos mit Demonstrationen und wachsender Kritik konfrontiert. Eine vielfältige internationale Protestbewegung entstand in dieser Zeit, die nicht mehr ignoriert werden kann.

Das Weltsozialforum, welches in den letzten Jahren im brasilianischen Porto Alegre stattgefunden hat und im kommenden Januar erstmals in Indien (Mumbai) zusammentreffen wird, hat sich als Gegenveranstaltung zum elitären WEF etabliert. Neben den Protestaktionen und Demonstrationen während der WEF-Jahrestagung in Davos fand zudem in den letzten fünf Jahren jeweils der Kongress "Public Eye on Davos" statt, durchgeführt von der Erklärung von Bern und anderen NGOs, die die Machenschaften der WEF-TeilnehmerInnen kritisch unter die Lupe nehmen. Und in Zürich organisiert attac seit einigen Jahren den Kongress "Das andere Davos".

Derart in Legimationsnotstände verstrickt, und konfrontiert mit der unüberhörbaren Forderung nach der Auflösung ihres Clubs, reagierte die Genfer WEF-Leitung mit einer Umarmungsstrategie. "Dialog" heisst das Zauberwort und "Open Forum" das Vehikel der PR-Abteilung des WEF. Parallel zur Jahrestagung im Bunker des Davoser Kongresszentrums dialogisieren nun an öffentlichen Veranstaltungen in der Aula der Mittelschule einige "Global Leaders" der Wirtschaft mit angeblichen KritikerInnen aus NGOs und der Kirche. Die Davoser Bevölkerung und die JournalistInnen der bürgerlichen Medien dürfen dabei als Publikum dienen.

Zum ersten Mal führte das WEF das Open Forum an ihrer letzten Jahrestagung durch, welche unter dem vielversprechenden Motto "Building Trust" (Vertrauen bilden) abgehalten wurde. Das Open Forum ist in direkter Konkurrenz zum Kongress "Public Eye on Davos" entstanden und will suggerieren, dass nur die NGOs ernstgenommen werden, welche sich beim WEF als Dialogpartner anbiedern und somit das angeschlagene Image des WEF aufzubessern helfen. Wir schenken unser Vertrauen weiterhin lieber den sozialen Kämpfen und selbstbestimmten Strukturen von unten. Eine Umverteilung des Reichtums wird nicht über den Dialog mit den reichsten und mächtigsten Herren dieser Welt erreicht, indem wir sie bitten, ein bisschen mehr Brosamen für die Ärmsten übrig zu lassen.

Das WEF ist ein elitärer Klub, der über keinerlei demokratische oder soziale Legitimität verfügt und abgeschafft gehört! Wir verweigern deshalb den Dialog mit dem WEF und rufen alle Hilfswerke, Solidaritätsorganisationen, Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Umweltbewegungen und kirchlichen Gruppen auf, Angebote zum Dialog mit den WEF-Verantwortlichen abzulehnen und das Open Forum zu boykottieren und sich stattdessen an den vielfältigen Protestaktionen, Demonstrationen und Diskussionsforen zu beteiligen, die eine andere Welt zum Ziel haben.

Anti-WTO Koordination Schweiz

Dezember 2003