Offener Brief an die Regierungsrätin Dora Andres

20 févr. 2010, publié à Archipel 93

Offener Brief an die Regierungsrätin Dora Andres

Am 11. März überreichten ein Dutzend VertreterInnen der Sans-Papier-Bewegung aus der ganzen Schweiz dem Sekretär von Frau Andres nebenstehenden „offenen Brief“. Darin wurde sie gewarnt, dass die Verletzung des Kirchenasyls in Bern einen Tabubruch darstelle und dass dieser weitere nach sich ziehen könnte. Zwei Tage später besetzten 50 AktivistInnen der Sans-Papiers-Unterstützungskollektive aus der ganzen Schweiz und Mitglieder von „Augenauf“ während einer Stunde die Räumlichkeiten der privaten Fluggesellschaft „Skywork“ auf dem Berner Flughafen Belpmoos. Diese Firma führt gegen ein Entgelt des Bundes Ausschaffungen von AusländerInnen durch. Sie lässt sich dafür 30‘000.- Franken pro auszuschaffende Person bezahlen! Die eilends einberaumte Pressekonferenz fand ein breites Echo. Sicherlich gibt es zahlreiche Betriebe in ganz Europa, die sich auf ähnlich skrupellose Art an der Ausschaffungspolitik bereichern und eine Negativwerbung verdienen.

*Sehr geehrte Frau Andres,
Am Mittwoch, den 27.2.02 drangen um 5.30 Uhr 50 Polizisten in Kampfausrüstung in die Johanneskirche in Bern ein. Die Johanneskirche hatte seit einem Monat dem Sans-Papier-Kollektiv Bern Gastrecht gewährt. Die Sans-Papiers hatten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Sie tragen für diesen Einsatz die politische Verantwortung.

Mit diesem brachialen Akt setzen Sie sich über die Jahrhunderte alte Tradition des Kirchenasyls hinweg. Das Kirchenasyl hat in der Vergangenheit immer dann Menschen geschützt, wenn geltendes Recht und soziale Realität auseinander klafften. Die Unterstützungsbewegung der Sans-Papiers stellt fest: Diese Verletzung des Kirchenasyls ist ein Tabubruch.
Mit der Eröffnung einer regelrechten Menschenjagd auf Sans-Papiers versuchen Sie ein gesellschaftliches Problem, welches nur politisch gelöst werden kann, mit polizeilichen Mitteln aus der Welt zu schaffen.
Der Kampf der Sans-Papiers und ihrer UnterstützerInnen für die kollektive Regularisierung ist immer offen und aufrichtig geführt worden. Ein Tabubruch könnte auch andere nach sich ziehen.*