Sternenstaub

de Fatima, 9 mai 2006, publié à Archipel 137

** Viele unserer LeserInnen sind Ascen begegnet, ihrem Lachen, ihrer Leidenschaftlichkeit und ihrer Energie.

Der folgende Text wurde von Fatima Sissani bei ihrer Beerdigung vorgetragen ** Irgendwo habe ich gelesen, dass wir aus Sternenstaub geboren sind. Viel-leicht habe ich es aber auch nicht ganz verstanden, und Du bist nicht mehr hier, um es mir zu erklären. Ich weiss allerdings nicht, ob ich Dir zugehört hätte, denn die Idee gefällt mir. Ja, es ist schön zu glauben, dass wir alle Sternenstaub sind, dazu bestimmt, eines Tages den Rückweg anzutreten: Von Sternenstaub, Ascen, wirst Du wieder ein Stern. Es ist schön zu glauben, dass Du immer irgendwo da sein wirst, einer von Tausenden Sternen, strahlend. So wirst Du den Weg ins Unendliche gehen, das Weltall durchstreifen, dieses Weltall, das Dich so faszinierte, das Dir so viele Fragen stellte.

Denn das behalte ich von Dir zurück, die Fähigkeit, immer zu zweifeln. Du hattest schließlich wenig Gewissheiten, womöglich gar keine. Doch das lähmte Dich nicht im geringsten, das ständige Zweifeln gab Dir eine ungeheuere Energie um zu forschen, zu experimentieren, zu verstehen und manchmal einen Sinn zu geben. Es war wunderbar, das mitzuerleben. Für mich eine wahre Lebenslehre. Das macht heute Deine Abwesenheit erträglicher. Ja, der Gedanke, dass Du viele Deiner Projekte durchgezogen hast, dass Du, glaube ich, das Leben gelebt hast, das Du wolltest, tröstet mich ungemein. Es ist ein Privileg, nicht ein Glück, denn Du musstest Entscheidungen treffen, Opfer bringen, ablehnen, was uns die Allgemeinheit befiehlt. Nichts war leicht bei alledem, aber Du suchtest auch nicht nach bequemen Lösungen. Also hast Du das Leben gelebt, wie Du es wolltest. Trotz der vielen Fragezeichen der letzten Jahre. Du wusstest nicht mehr wie weiter, also stelltest Du Dir die Fragen laut. Immer wieder. Wie Du es immer tatest. Vielleicht war das für Dich eine Art Lebensregel. Du fragtest Dich immer wieder nach dem Leben, das Du führen wolltest, die Unzufriedenheit behagte Dir nicht. Du warst manchmal anstrengend, aber so mitreißend.

So bist Du nun mitten in einer Frage gegangen. Mitten im Dilemma des Exils, scheint mir. Dein heimatliches Spanien schien Dich zu rufen, oder einfach das Mittelmeer oder vielleicht genauer gesagt, der Süden. Dieser Süden, wo man laut redet, wo man aufkreuzt ohne zu fragen, ob man stört. Ich sage Süden, denn wir hatten ihn gemeinsam, mehr als das Mittelmeer. Du sagtest immer zu mir: «Ha, Fatima, Du verstehst mich». Ich weiß nicht, ob ich Dich verstand, Ascen, aber ich liebte Dich. Ich liebte Deine Art, das «A» meines Namens zu singen. Es klingt noch in meinen Ohren nach. Wie das Bild, das ich von Dir zurückbehalte: lebhafte, neugierige Augen. Ich kann mich an Dich nicht anders erinnern als in ständiger Bewegung: stehend, den Körper leicht vorgeneigt, immer bereit zum Aufbruch - zum Hühnerstall oder zum Computer oder zu einer Frage.

Wie schön war es, mit Dir zu reden. Die Dinge waren komplex, das wusstest Du. Also nahmst Du Dir die Zeit, sie zu zerpflücken. Solange Dir das half zu verstehen, hörtest Du zu. Ich glaube, dass Du dachtest, wir alle könnten Dir helfen zu verstehen. Diese Haltung war Ausdruck des Zweifelns. Großartig.

Welch ein Glück, dass unsere Leben sich gekreuzt haben! Ich weine heute aus Trauer, aber auch vor Glück, Dich gekannt zu haben.

Ich wende mich direkt an Dich, denn ich habe nicht aufgehört, mit Dir zu reden, seit Dein Atem stillsteht. Ich redete mit Dir, denn ich sagte mir, so könnte ich Dich aufwecken. Ich spreche heute zu Dir, ich wache - nicht mehr, um Dich zu wecken, das habe ich aufgegeben - sondern damit Deine Seele den Weg zu den Sternen findet.

In diesem Selbstgespräch ein Wort an Nick, Pablo und Marta: Mehr als uns allen fehlt sie sicher Euch. Aber vergesst nicht, denn es bedeutet viel: Ascen hatte ein wunderbares Leben.

Also, meine schöne Spanierin, ich vertraue Dich dem Himmel an, dem Mond, der Sonne, dem Wind, dem Regen, dem Blitz, ich vertraue Dich dem Weltall an, damit Du über uns wachst.

Und uns hilfst, darüber hinwegzukommen, dass Du uns fehlst.

Fatima