SÜDSPANIEN: Landbesetzungen in Andalusien

de Federico Pacheco, SOC-SAT, 6 août 2017, publié à Archipel 261

Die Besetzungen von zwei brachliegenden landwirtschaftlichen Betrieben, einer davon bereits Eigentum einer Bank, der andere noch im Besitz der öffentlichen Hand, aber in Privatisierung begriffen, geben dem andalusischen Beispiel von der Wiederaneignung unserer Lebensgrundlagen neuen Schwung.

Am 1. April 2017 organisierte die andalusische Gewerkschaft SOC-SAT ein Treffen in Jaén, um erneut die Freilassung des Gewerkschafters Andrés Bódalo zu fordern, der seit einem Jahr in Haft ist. Andrés wird beschuldigt, im Rahmen eines Protestes von Saisonarbeiter_in-nen ein Gemeinderatsmitglied des Dorfes Jódar angegriffen zu haben. Dieses Urteil, das trotz mangelhafter Beweislage gefällt wurde, ist Teil einer Repressionsstrategie des spanischen Staates gegen soziale Bewegungen, die noch schärfer umgesetzt wird, sobald es um die Interessen von Grossgrundbesitzenden geht. Von den dutzenden aktuellen sozialen und politischen Verurteilten gehört ein weiterer Aktivist der SAT an: Francisco Molero aus Malaga wird aufgrund seiner Teilnahme an der Aktion «Rodea el Congreso» (Umzingelung des Kongresses) im Jahr 2013 in Madrid in Haft gehen.
«Cerro Libertá, reforma agraria ya!»1
Anlässlich dieses Termins hat eine Gruppe landwirtschaftlicher Saisonarbeiter_innen und städtischer Arbeitsloser aus Jaén und Jódar mit Unterstützung durch die SOC-SAT beschlossen, den 74 Hektar grossen Hof «El Aguadentero» zu besetzen. Das Gut befindet sich im Besitz der Bank BBVA, die den Landwirtschaftsbetrieb vor fünf Jahren eingestellt hat, den 64 Hektar grossen Olivenhain verwildern lässt und das Land lediglich als Spekulationsobjekt nutzt. Dies geschieht in einer Region, in der die Arbeitslosigkeit bei über 30 Prozent liegt und sich Eigentum der landwirtschaftlichen Flächen, insbesondere der Olivenplantagen, immer stärker konzentriert. Es wird entweder zur Spekulation oder für Intensivkulturen genutzt. Die Bank hat den Hof einem lokalen Grossunternehmer, Vegas Molinero, abgelöst. Dieser hatte sie ursprünglich in den Jahren des Immobilienbooms als Bauland gekauft.
Der Betrieb, der wenige Kilometer von der Stadt Jaén entfernt liegt, wurde in «Cerro Libertá» (Hügel der Freiheit) umbenannt, als Würdigung des inhaftierten Andrés Bódalo, der sich seit jeher im Kampf um Land, Selbstorganisation der Saisonarbeiter_innen und Rechte der Landarbeiter_innen eingesetzt hat. Nach eineinhalb Monaten haben die Besetzenden das in Ruinen liegende Haus wieder aufgebaut, Trümmer und Abfall beseitigt, einen Garten von einem Hektar voller Gemüsepflanzen angelegt und mehr als 500 Olivenbäume geschnitten, um ein Minimum an Produktion im kommenden Herbst zu sichern. Sie haben die alte Olivenölmühle wieder aktiviert, Pistazienbäume gepflanzt und pflegen den Hügel mittels Wiederbeweidung durch eine Schafherde. Die alten Gemäuer werden restauriert, um auf Perspektive einen sanften Tourismus zu empfangen.
Wie zu erwarten sind die Gewerkschaft und die Besetzenden bereits Verleumdungen ausgesetzt, administrative und gerichtliche Massnahmen wurden eröffnet und sie erhalten zahlreiche Drohungen, unter anderem aufgrund der Kriminalisierung ihrer Aktion in den Medien.
Die BBVA weigerte sich, eine Delegation der Besetzung zu empfangen, und die «Junta de Andalucía» (unabhängige Kreisverwaltung) ist bisher nicht auf die Forderung eingegangen, die verlassenen Agrarflächen – kraft ihrer rechtlichen Befugnisse – zu enteignen. Doch die institutionelle Gewalt gegen das Kollektiv der Landwirt_in-nen konnte bisher, mit Unterstützung zahlreicher Personen und lokaler Gruppen, ferngehalten werden. Sowohl für die zu verrichtenden Arbeiten, als auch bei der Kampagne gegen das Bankensystem, das Millionen mit Immobilienspekulation und öffentlichen Geldern verdient hat, gibt es eine starke Solidarität.
«Somonte vive, la lucha sigue!»2
In 200 Kilometer Entfernung vom «Cerro Libertá» arbeitet eine andere Gruppe landwirtschaftlicher Saisonarbeiter_innen auf dem Landgut «Somontes» in der Nähe von Cordoba, das seit 2012 durch die SOC-SAT besetzt wird . Bewirtschaftet werden mehr als 200 Hektar öffentlichen Landes, hauptsächlich für den Getreideanbau. Die «Junta de Andalucía», welche die Landwirtschaftssubventionen der EU (PAC) einstreicht, ohne dafür irgendetwas zu leisten, weigert sich, das agrarökologische Projekt, dass die Gewerkschaft vorschlägt, zu diskutieren und behält das Ziel bei, die Gemeinschaftsflächen zu privatisieren. Die andalusische PSOE (sozialistische Arbeiterpartei) treibt generell in ihrer agrarwirtschaftlichen Gesetzgebung die Privatisierung öffentlichen Landes voran und zwingt diejenigen, die öffentliche Flächen bewirtschaften, zum Kauf. Damit bleiben dutzende Landbewirtschaftende und Kooperativen, die nicht kaufen konnten oder wollten, in einer gesetzwidrigen Situation.
Nach einem schwierigen Jahr für «Somontes» – zwei Räumungen mussten 2016 hingenommen und zwei Wiederbesetzungen organisiert werden – wird ein Teil wieder bewirtschaftet, vor allem mit Saatgut aus dem «Red Andaluza de Semillas» (ein Verein, der sich für die Erhaltung alter Sorten einsetzt). Es werden 24 Hektar Weizen, davon die Hälfte mit alten Sorten, biodynamisch angebaut, es gibt einen bewässerbaren Gemüsegarten von 6 Hektar, ein paar Legehennen‚ einen Olivenhain und Obstbäume. In der kommenden Saison sollen die Getreideflächen verdoppelt und die restlichen Flächen von einer Schafherde beweidet werden. Dazu gibt es Pläne für eine biodynamische Saatgutbank. Das Gemüse wird in Konsument_in-nengruppen in Sevilla und Cordoba vertrieben.
Die SOC-SAT organisiert eine Solidaritätskampagne für die Landbesetzungen in Andalusien: Besuche vor Ort werden vorgeschlagen, Informationsarbeit wird geleistet, Material- und Geldspenden werden gesucht. Politische Unterstützung gegen Repression sowie juristische Beratung gehören zu den tagtäglichen Aufgaben der Gewerkschaft.
Für ein selbstbestimmtes Leben
Landbesetzungen haben bei der SOC aber auch weltweit eine lange Tradition. Es geht um eine gerechte Landverteilung und einen würdevollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Und «Somontes» steht in Europa nicht alleine da. Die ZAD in Notre-Dame-des-Landes gegen einen Flughafen bei Nantes in Frankreich, die Bewegung zur Verhinderung einer Goldmine in Rosia Montana in Rumänien und Beispiele des Widerstands im Süden Italiens müssen allerdings auch – genauso wie «Somontes» – mit einer starken Repression rechnen.
Die Konzentration von Land auf einen kleinen Teil der Besitzenden und vermehrt auf Investmentfonds nimmt auf allen Kontinenten rasant zu. Auch in Europa. Zur gleichen Zeit verschwinden zuhauf kleine Familienhöfe und die Versiegelung von Landwirtschaftsflächen zu Gunsten von Bauland, Minen und nutzlosen, riesigen Infrastrukturprojekten schreitet voran.
Die Kleinbäuer_innenbewegung Via Campesina und die SOC-SAT fordern eine Abkehr der CAP (Common Agricultural Policy, EU), welche die Konzentration von Landbesitz und vor allem die Agrarindustrie subventioniert. Stattdessen soll sich eine agroökologische Landwirtschaftspolitik mit einer Regulierung des Zuganges zu natürlichen Ressourcen entwickeln – gegen die Macht der Supermärkte, hin zu lokalen Märkten. «Somontes» will Möglichkeiten aufzeigen, den Zugang zu Land und die Kontrolle von natürlichen Ressourcen anders zu gestalten. In den Händen von Menschen in einem kollektiven Modell, bäuerlich und langfristig mit einer lokalen Vermarktungsstruktur. Neben den landwirtschaftlichen Arbeiten geht es aber auch um soziales Engagement, politische Beteiligung und die Kohäsion der Gruppe, was nicht immer einfach ist und auch Zeit braucht. Das persönliche Engagement ist beträchtlich, angesichts des ständig drohenden Rauswurfes und dessen juristischen Folgen sowie der damit einhergehenden Unsicherheit. Die Landbesetzungen arbeiten auf agrarischer, ökonomischer, politischer und sozialer Ebene für eine bessere Gesellschaft. Es bedarf also einer breiten Unterstützung, lokal wie international.
Am 11. und 12. Juli organisiert Via Campesina ein Treffen in «Cerro Libertá», eine Woche vor dem XII. internationalen Kongress der Kleinbäuer_innenbewegung in Bilbao. Das Programm ist dicht, denn die Themen rund um die kleinbäuerliche Landwirtschaft sind vielfältig und dringlich. Die Kämpfe um den Zugang zu Land und Wasser, um die freie Produktion und Verteilung von Saatgut und den Aufbau eines selbstbestimmten Lebens stehen ganz oben auf der Agenda. Geplant ist ein internationales Alarmnetzwerk, das auf die Kriminalisierung und zunehmende Ermordung von Bäuer_innen und Aktivist_innen in den Ländern des Südens aufmerksam machen soll.

Sie können per E-Mail Kontakt mit den Menschen vor Ort aufnehmen: sober.alim.sindicatoandaluz(a)gmail.com

  1. «Hügel der Freiheit, Agrarreform jetzt!»
  2. «Somontes lebt, der Kampf geht weiter!»