BALKANROUTE : Ein Akt des Widerstands

von Maddalena Avon u. Johannes Dahmke, 09.04.2021, Veröffentlicht in Archipel 302

Bei einer Delegationsreise nach Kroatien und Bosnien im Jahr 2019 lernten wir ver-schiedene interessante Initiativen kennen, die sich mit Geflüchteten engagieren. Eine davon ist das „Center for Peace Studies“ (CPS) in der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Archipel befragte Maddalena Avon, warum sie in diesem Zentrum arbeitet.

Warum hast du eine mögliche Karriere für das Engagement mit Geflüchteten geopfert?

Ich sehe meine Lebensentscheidung, Aktivistin zu sein, als notwendigen Akt des Wider-stands, nicht als Opfer. Ich kam 2015 aus Italien für einen Studentenaustausch nach Kroa-tien, als viele Menschen auf der Flucht über die Balkanroute waren, und so habe ich mich sofort für sie eingesetzt. Dann habe ich sehr schnell von der Arbeit des „Center for Peace Studies“ (CPS) gehört. Ich hatte das Gefühl, dass das CPS der Ort sein könnte, an dem ich mein Engagement und meine Leidenschaft für einen gemeinsamen Kampf gegen das EU-Grenzregime und für die Achtung der Menschenrechte tagtäglich leben könnte.

Kannst du kurz die Organisation vorstellen, für die du tätig bist?

Das CPS ist eine Organisation, die sich mit Themen wie der Bekämpfung von Ungleichheit, Diskriminierung und Vorurteilen befasst, die sich für die Entwicklung von Programmen zum Schutz der Menschenrechte von besonders verletzlichen Gruppen einsetzt und welche die Gewaltfreiheit postuliert, insbesondere durch das Programm für Friedensstudien, an dem ich dieses Jahr teilnehme. Das CPS ist eine basisorientierte, nichtstaatliche und gemeinnützige Organisation, die Gewaltlosigkeit und sozialen Wandel durch Bildung, öffentliche Politik, Forschung und Aktivismus fördert. Die Initiative entstand aus verschiedenen Formen der direkten Friedensarbeit in Westslawonien und wurde 1997 offiziell in Zagreb registriert.

Wie sieht dein Engagement aus?

Ich bin derzeit Mitglied des Programms "Asyl, Integration und menschliche Sicherheit". Was ich an meiner Arbeit am meisten liebe, ist die Möglichkeit, an verschiedenen, aber doch sehr miteinander verbundenen Themen zu arbeiten – von der Integration, über den Zugang zu Asyl, bis hin zu Diskriminierung und Überwachung von Menschenrechtsverletzun-gen. Auch der Einsatz verschiedener Methoden ist genial: ein vernetztes und grenzüber-schreitendes Handeln durch direkte Aktion, Forschung und juristisches Vorgehen – ich glaube, das ist der Schlüssel, um umfassend auf die Dinge einwirken zu können, die wir verändern wollen.

Wer sind die Menschen, denen du hilfst?

Frauen und Männer, die für ein besseres Leben kämpfen und Sicherheit suchen. Sowohl diejenigen, die auf der Flucht sind, als auch diejenigen, die endlich sicher in einem europäi-schen Land sind, kämpfen darum, ein neues Leben in einer neuen Heimat beginnen zu können. Ich würde sagen, dass unser Ansatz nicht auf das Helfen fokussiert ist, sondern auf einen ermächtigenden Akt der Unterstützung und Orientierung. Wir sehen die geflüchteten Menschen, mit denen wir arbeiten, als unsere Freundinnen, Kollegen, als Gleichgesinnte an, und die Arbeit an diesen Themen ist viel mehr als nur ein Projekt – es ist eine langfristige und lebensverändernde Erfahrung auf beiden Seiten für alle, die beteiligt sind. Menschliches und politisches Engagement ist unerlässlich.

Was brauchst du für deine Arbeit, was fehlt?

Unterstützung von denen, die normalerweise auch für das Gemeinwohl arbeiten sollten – das müssten die öffentlichen Institutionen sein. Aber weil diese fehlt, wird auch die Solidarität in den lokalen Gemeinden sehr leise. Ich glaube, dass sie immer noch da ist, aber die Angst ist da, kriminalisiert zu werden, sobald man sich solidarisch zeigt und gegen die EU-Migrationspolitik handelt.

Das Interview führte Johannes Dahmke vom EBF

Mehr Informationen: Centar za mirovne studije//Centre for Peace Studies: www.cms.hr