Auf der Flucht aus Afrika und dem Vorderen Orient ertrinken seit Jahren tausende Menschen im Mittelmeer und die europäischen Länder finden immer noch keine gemeinsame humanitäre Lösung. Nun sind seit gut einem Jahr auch in Lateinamerika neue Migrationsbewegungen zu beobachten.
Zum einen kommen die Flücht-linge aus dem nördlichen Dreieck Zentralamerikas: aus Honduras, El Salvador und Guatemala. Und zum anderen handelt es sich um Migrationsbewegungen aus Kuba, Haiti und Afrika, die in der Regel über Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Panama die Grenze von Costa Rica erreichen. Ihr endgültiges Ziel ist durchweg die USA.
Migration aus Kuba…
Seit die USA mit dem Gesetz des «Ajuste Cubano» aus dem Jahre 1966 jedem Menschen aus Kuba, der einen Fuss, sei es vom Meer aus oder auf dem Landweg, auf amerikanischen Boden setzt, die Einreise in die Staaten ermöglichen, gibt es immer wieder Phasen von starker Einwanderung, von meist beruflich hoch qualifizierten Personen in die USA.
Mit der Politik der Annäherung Obamas an Kuba fürchteten die Menschen, die auswandern wollten, das Ende des «Ajuste Cubano». Von November 2015 bis März 2016 erreichten ca. 8‘000 Personen aus Kuba über Ecuador die Grenze von Panama/Costa Rica. Die Situation der Kubaner_innen nahm im März 2016 dramatische Formen an, als Nicaragua ihnen die Durchreise untersagte. Mehrere tausend Migrant_innen sassen während Wochen an der Grenze zu Nicaragua fest, bis die Regierung von Costa Rica in Absprache mit den anderen zentralamerikanischen Regierungen eine Luftbrücke nach Mexiko organisierte.
Kaum war diese Krise einigermassen geregelt, nahm im April die Zahl der Migrant_innen aus Haiti und Afrika, die sich an der Grenze Panama/Costa Rica ansammelten, schlagartig zu. Von den ca. 100 Personen, die sich jeden Tag für die Durchreise bewerben, sind 85 Prozent aus Haiti, die anderen sind Afrikaner_innen. Die Haitianer_innen kommen mehrheitlich aus Brasilien, wo sie, nach dem zerstörerischen Erdbeben von 2010, Aufnahme und Arbeit für die Infrastrukturen der Olympischen Spiele gefunden hatten. Nach den Ereignissen des «legalen» Putsches in Brasilien sind sie jetzt ohne Arbeit. Costa Rica und Panama befürchten, dass von Seiten der USA bald die Einreisetoleranz für Menschen aus Haiti aufgehoben werden könnte. Das würde eine schwierige Situation für beide Länder schaffen.
…aus Honduras und El Salvador
Viele Flüchtende kommen aus dem zentralamerikanischen Raum, die meisten aus El Salvador. 3'000 Anträge wurden 2016 in Costa Rica gestellt, doppelt so viele wie 2015 und dreimal so viele wie 2014. Die Menschen aus Honduras fliehen vor der Repression der Armee und Regierung. Seit dem Putsch gegen den Präsidenten Zelaya nahm dort die Verfolgung von Bauern und Bäuerinnen, Journalist_innen, Gewerkschaftsmitgliedern, Studierenden und Indigenen im Widerstand gegen illegale Landnahmen, Privatisierungen oder Errichtungen von Staudämmen, dramatische Formen an. Honduras hat die höchste Rate an unaufgeklärten Morden von ganz Zentralamerika.
Aktuell kommen die meisten Flüchtlinge aus El Salvador. Bürger_innen auf dem Land und in den Städten werden dort von den gewalttätigen Banden der Maras bedroht. Das Phänomen der Maras geht auf die Zeit der 1980er Jahre zurück, als viele Jugendliche aus El Salvador in die USA emigrierten. Nach dem Vorbild bestehender Gruppen in Los Angeles bildeten sie Banden, die sich durch Drogenhandel, Überfälle, Erpressungen und Ermordungen auszeichneten. Viele von ihnen wanderten in die Gefängnisse und wurden dann ab dem Jahre 2000 massiv nach El Salvador deportiert. Dort fanden sie kaum Arbeit, setzten ihre kriminelle Tätigkeit fort und begannen ganze Wohnviertel zu kontrollieren, Zölle einzutreiben und die Menschen, die sich dagegen stellten, kaltblütig zu ermorden.
Ein Flüchtlingsprojekt in Costa Rica
Dieses Jahr waren viele Angehörige der salvadorianischen Familien, die seit 1983 im Flüchtlingsprojekt Finca Sonador in Costa Rica integriert sind, von der Verfolgung durch die Maras in El Salvador betroffen. Von August bis Oktober 2016 kamen 60 Personen in der von Longo maï gegründeten Flüchtlingskooperative an. Einige von ihnen waren nur knapp dem Tod entkommen. Die Aufnahme dieser neuen Flüchtlinge funktioniert hier dank der solidarischen Hilfe der Bevölkerung der Finca recht gut. Es wurden bereits die Grundfesten für die Häuser der neuen Familien errichtet und landwirtschaftliche Parzellen für die Eigenversorgung bereitgestellt. Die Salvador-ianer_innen zeigen Interesse für die Landwirtschaft und möchten so schnell wie möglich aktiv am produktiven Prozess teilnehmen.
Auf der Flüchtlingskooperative Finca Sonador leben 630 Personen, 60 Prozent von ihnen kommen aus El Salvador, 35 Prozent sind in Costa Rica geboren. Die restlichen 5 Prozent kommen aus Nicaragua und Europa. Auf 450 Hektar Landwirtschaftsfläche werden Mais, Bohnen, Maniok, Kaffee und Zuckerrohr (für den Verkauf) angebaut. Ein Ausbildungsprojekt «Escuela de la Tierra» ist im Aufbau.
Longo maï, Costa Rica
Mehr Informationen: www.sonador.info