Almeria ist eine der wichtigsten Türen zu Europa. Migrantinnen und Migranten aus der ganzen Welt leben hier in Angst und Erniedrigung. Die meisten versuchen, Arbeit im Plastikmeer zu finden.
Über 100’000 LandarbeiterInnen, die meisten von ihnen Einwanderte, werden hier mit kurzen, befristeten Arbeitsverträgen oder ohne Vertrag beschäftigt. Bezahlt werden sie nur an den Tagen, an denen es Arbeit für sie gibt. Je nach Gutdünken ihres Arbeitgebers. Die Tarifbestimmungen für LandarbeiterInnen sind in der Provinz die niedrigsten von ganz Spanien und werden trotzdem nicht eingehalten. Für die MigrantInnen ist es äußerst schwierig, sich zu integrieren und die grundsätzlichsten Sozialleistungen (Wohnen, Gesundheit, Ausbildung) in Anspruch zu nehmen. Diese Situation führt dazu, dass die ArbeiterInnen, sobald sich die Gelegenheit bietet, in ein anderes Gebiet, eine andere Provinz ziehen, wo sie sich bessere Chancen erhoffen.
Das alles erschwert die Gewerkschafts- und die Sozialarbeit. Dazu kommt, dass die Unterkünfte sehr zerstreut liegen – entweder direkt im Plastikmeer, oder in den Randvierteln, wo auch andere Ausgeschlossene leben. Öffentliche Verkehrsverbindungen zu diesen Orten gibt es nicht.
Mit der Finanzkrise und der erhöhten Arbeitslosigkeit hat sich die Situation noch mehr zugespitzt. Überall bekommen die ausländischen ArbeiterInnen zu hören, dass sie unerwünscht sind. So neigen sie dazu, die Schwierigkeiten, mit denen sie täglich konfrontiert sind, als rassistisch auszulegen. Durch die Reaktionen der Behörden oder einzelner Einheimischer, wenn es um Arbeit, Unterkunft oder Formalitäten geht, die mit der Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung zu tun haben, fühlen sie sich verachtet. Das führt dazu, dass sie sich selber verachten. Damit sie selber an ihre Rechte und Aufgaben glauben können, müssen andere ihnen Vertrauen schenken. Nur so können sie wirklich fähig werden, ihre Lebensbedingungen zu ändern. Fürsorge ist da keine Lösung. Das Kollektiv der Migrantinnen und Migranten muss die Möglichkeit haben, sich gemeinsam zu organisieren und seine Rechte einzufordern.
Die Begründung jeder Gewerkschaftsorganisation ist die Verteidigung der materiellen und moralischen Rechte der Arbei-
terInnen. Die Arbeitswelt entwickelt sich ständig. Die Rechte der Arbei-
terInnen werden täglich mit Füssen getreten. Die unsichere Lage bringt die ArbeiterInnen gegenei-nander auf; diejenigen ohne Papiere gegen die mit Papieren, die Einheimischen gegen die ImmigrantInnen. In dieser Situation gibt es für uns nur eine Lösung: Sich und andere ausbilden.
Schon seit einigen Jahren hat sich das SOC dieser Aufgabe angenommen. Sie ist schwierig, risikogeladen und aufreibend.
Eine kleine Gruppe von Mitgliedern des SOC, ursprünglich selber Immi-grantInnen, hat in dieser Region eine bedeutende gewerkschaftliche Arbeit entwickelt. Dafür war und ist das Netzwerk von Em-pfangslokalen in Almeria, El Ejido und Nijar von größter Wichtigkeit. Die Einnahmen der Gewerkschaft sind weiterhin sehr beschränkt. Es ist notwendig, die Gruppe zu vergrößern und zu stärken. Ausbildung ist heute die allererste Priorität. Durch sie können sich die Menschen persönlich entwickeln, und es werden ihnen die wichtigsten Grundlagen für eine Selbstorganisation der Gruppe vermittelt. In den letzten Jahren haben mehrere solche Ausbildungskurse mit guten Resultaten stattgefunden. Es war jedoch nicht möglich, ein ausreichendes und beständiges Ausbildungsprogramm durchzuführen.
Das SOC hat sich vorgenommen, so nahe wie möglich an der Realität ihrer Lokalsektionen in El Ejido, Roquetas, Almeria und Nijar zu arbeiten. Die Auszubildenden werden sich in reellen Situationen befinden. Das wird ihnen helfen, sich die notwendigen gewerkschaftlichen Praktiken anzueignen.
In einem wöchentlichen theoretischen Kurs, zu dem sich alle Lehrlinge zusammenfinden, wird gelehrt, wie die ImmigrantInnen von ihren Rechten (Arbeitsrecht, Aufenthaltsrecht, soziale Rechte) Gebrauch machen können. Sie lernen auch alles, was Tarifverträge, Verhandlungen, Vorbeugung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten etc. betrifft.
Die Hindernisse, die wir für so ein Projekt überbrücken müssen, sind enorm: Mangel an Geld, an Material, Verständigungsprobleme (verschiedene Sprachen), das niedrige generelle Ausbildungsniveau der MigrantInnen, die Unkenntnis ihrer Grundrechte und nicht zuletzt ihre Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie gemeinsam mit dem SOC auftreten.
Die Auszubildenden müssen finanziell von uns abgesichert sein (monatlicher Lohn), um sich ganz ihrer Ausbildung widmen zu können. Denn es ist kaum möglich, sich in einem gewissen Stadium von Ausgrenzung, Unsicherheit und Entbehrung für eine gemeinsame Sache einzusetzen.
Unsere Aufgabe wird lang und schwierig sein, aber so kann auf Perspektive der Aktionsradius des SOC vergrössert werden und zusätzliche Kräfte entstehen, so dass auch eine Stabsübergabe möglich wird.