Die ersten Videos erreichten mich am Samstag, den 25. Juni um 13.40 h: zusammengepferchte, geschundene Körper, leblos oder in krampfhaften Bewegungen... Was ist das? Wo finden diese schrecklichen Szenen statt? Was ist passiert? Prisca, meine Flüchtlingsfreundin aus Kongo-Brazzaville, die sie gerade an mich weitergeleitet hat, erklärt mir in einer Sprachnachricht, dass sie geschossen und getötet haben, dass es «in diesem Land nur Barbaren gibt», sie schreit, sie ist verzweifelt. Wir befinden uns zwischen Nador und Melilla an der Grenze zwischen Spanien und Marokko – in diesem kleinen Stück Land, welches Spanien als Kolonie behalten hat und nicht mehr loslässt und das von Marokko – aus verschiedenen Gründen – nach wie vor anerkannt wird. Ist es die Eskalation der Repression in den letzten Monaten, die ich im Artikel in dieser Ausgabe beschreibe, die in diesem Massenmord ihren Höhepunkt findet?
Es zirkulieren viele Informationen über die Gründe, aber noch ist nichts wirklich klar. Sicher ist, dass die Zahl der Ermordeten von Tag zu Tag steigt; inoffiziell kursiert die Zahl von 50 Toten. Die verschiedenen Hilfsorganisationen und NGOs, die sich eingeschaltet haben, fordern, dass die Leichen nicht begraben werden, damit die notwendigen Untersuchungen durchgeführt werden können.
Wir werden die Folgen dieses dramatischen Ereignisses aufmerksam verfolgen und Ihnen die Appelle der subsaharischen Vereinigungen in Marokko übermitteln, die einen rein rassistischen Akt anprangern, der von der diskriminierenden Migrationspolitik der EU «in Auftrag gegeben wurde». Marokko hat sich offen zum mörderischen Komplizen gemacht. Hat es damit seinen guten Willen bewiesen? Die Frage klingt zynisch, ist aber sicherlich nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Marie-Pascale Rouff