Die Nuklearindustrie zieht sich aus der Verantwortung. Nach dem über Jahrzehnte astronomische Gewinne gemacht wurden, droht bei dem Rückbau alter Meiler und der Lagerung von hoch strahlendem Material, dass die Kosten vergesellschaftet werden. E.On macht es vor.
In der Juni-Ausgabe des letzten Jahres hat der Archipel bereits über das Projekt eines Atommüllendlagers im französischen Bure berichtet. Zur Erinnerung, in einem der am wenigsten besiedelten Regionen, zwischen der Meuse und Lothringen gelegen, soll ein gigantisches, unterirdisches Labyrinth entstehen, in dem der gefährlichste Müll der Menschheitsgeschichte für immer gelagert werden soll.
Die staatliche Struktur ANDRA, welche sich um die Lagerung des strahlenden Abfalls kümmert, hat sich für Bure entschieden, nicht etwa weil es Beweise gäbe, dass die Tonböden die nächsten Millionen Jahre weder Wasser noch Luft oder neugierige Lebewesen durchlassen würden, sondern weil es in Bure am wenigsten Widerstand zu erwarten gab.
In einer Region, die mit verheerenden Folgen von zwei Weltkriegen heimgesucht wurde und wo sich eher ein Wegducken als eine Kultur der Resistance eingenistet hat.
Wirtschaftlich sehr schwach aufgestellt haben die lokalen Politiker_innen leider zu oft dem plötzlichen Geldregen nicht widerstehen können und die 300 Millionen Euro, die jedes Jahr als Strukturhilfen den beiden Kommunen zufliessen, akzeptiert.
In den letzten Jahren haben sich verschiedene Kollektive und Vereine gebildet, die sich diesem Projekt widersetzten und mit verschiedenen Aktionen auf die Problematik einer sogenannten «Endlagerung« hinweisen. Es ist nicht immer einfach, mit der lokalen Bevölkerung in einen Dialog zu treten. Viele haben selbst durch den plötzlich lukrativen Verkauf von Land von ANDRA profitiert. Andere erhoffen sich einen wirtschaftlichen Aufschwung für ihre Region, die die immensen Gefahren eines solchen Projektes aufwiegen.
Das Projekt Bure Zone Libre (Bure Freie Zone) ist ein Kollektiv, welches seit 2004 ein großes, offenes Haus belebt. In dem sich getroffen, zusammen gelebt, ein Gemüsegarten unterhalten und von dem aus der Widerstand organisiert wird.
Das EBF hat bereits mehrmals in Südfrankreich Veranstaltungen mit Aktivist_innen aus Bure organisiert und freut sich über eine Fortführung am ersten Juli-Wochenende in Avignon.
Für die französische Atomindustrie ist es dringend, eine Lösung für die strahlenden Reste präsentieren zu können. Es wird immer schwieriger, Atomkraft als einen Segen zu verkaufen, aber genau das will der Atomenergiekonzern Areva weiterhin tun. Für allem der Export von Atomtechnologie wird dem Konzern in Zukunft sein Überleben sichern.
Aber nicht nur Atommüll, sondern auch der Rückbau alter Meiler kommt auf die Energiemultis in den nächsten Jahren zu. So zum Beispiel auf E.On mit sieben Stück. 14,5 Milliarden Euro hat der Konzern nach eigenen Angaben dafür zurückgelegt. Ob das reichen wird, ist umstritten.
Die Atomindustrie hat in den letzten Jahren vor allem Wissen im Bereich der skrupellosen Verzögerung von Stilllegungen generiert. Es gibt hingegen kaum Erfahrungen wie ein Rückbau vonstatten gehen soll.
Es geht nicht nur um Brennstäbe, sondern um riesige Industrieteile, die sich nicht alle einfach verbuddeln lassen können wie zum Beispiel in Krümmel bei Hamburg. Dort wurde eine ausgetauschte Turbine einfach auf dem Gelände entsorgt, in dem sie mit Beton ummantelt wurde.
Sicher sind da nur die Kosten, die die Atomkonzerne gerne umschiffen würden. Und E.On sucht Schlupflöcher. Aus einer Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes für den Bundestag geht hervor, dass nur eine der zwei Firmen, in die E.On sich aufspalten will, für die Kosten verantwortlich gemacht werden kann.
Nach dem Konzernumbau wird es demnach eine alte E.On geben, die weiterhin mit der konventionellen Stromerzeugung durch Kohle, Gas und Atomkraft wirtschaften und eben auch für den Rückbau der alten Meiler verantwortlich sein wird. Sie übernimmt alle Risiken und bekommt vom Konzern die zurückgelegten14,5 Milliarden Euro. Sollte diese Firma allerdings in ein paar Jahren in finanzielle Schwierigkeiten geraten, ist die neue E.On wohl nicht haftbar zu machen.
Der neue Konzern wird sich in Zukunft auf erneuerbare Energien spezialisieren. Was das für den Wald bedeutet, zeigt das Beispiel Gardanne in Südfrankreich erschreckend deutlich.
Es gilt zu verhindern, dass nach jahrzehntelanger Privatisierung der Gewinne durch die großen Atommultis nun die Kosten vergesellschaftet werden.