Die Wahl des konservativen Präsidenten Klaus Johannis im November 2014 war – trotz einer gewissen Ernüchterung – ein Gewinn für unsere Gesellschaft, davon bin ich weiterhin überzeugt. Wo stehen wir heute? Was hat Johannis bisher erbracht?
Seine erste, die Landespolitik betreffende Handlung war ein Treffen mit der Regierung und Parteienvertreter_innen aller Couleur. Auf der Tagesordnung stand die Erhöhung des Verteidigungsbudgets auf zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung, gemäss einem NATO-Ziel. Damit outete sich Iohannis als Präsident der NATO-Integration. Das war zwar nicht überraschend, aber dennoch ernüchternd. Im Wahlkampf hatte sich der Kandidat für notwendige Reformen des Bildungs-, Gesundheits- (als pull factors für die Auswanderungsströme vor allem der Mittelschicht verantwortlich) und Rentenwesens, die praktisch am Boden liegen, engagiert. Heute ist davon keine Rede mehr und der Präsident kann sich auf fehlende Zuständigkeit in der Sache berufen.
Medial präsent
Iohannis ist ein medialer Präsident. Seine öffentlichen Auftritte mit etwas steifem Lächeln und gesetztem Sprechen befriedigen die Bedürfnisse einer vermuteten Mehrheit nach Reinstallation der Monarchie. Für die netz-affine Generation kommuniziert Iohannis über soziale Medien. So schafft er den Eindruck transparenten Handelns, den wir in Rumänien so noch nicht erleben durften. Gerade hier verläuft aber auch die Grenze zu einem Soft-Populismus: Zum Jahrestag der Ortschaft Rosia Montana äusserte sich Iohannis als erster relevanter Landespolitiker mit einer Grussbotschaft. Die genauere Lektüre des Textes jedoch liess eine klare Positionierung für oder gegen den seit Jahren umstrittenen Goldtagebau vermissen. Obwohl er den Wahlerfolg mit seinen Leistungen als Bürgermeister von Sibiu/Hermannstadt erklärt, weiss Iohannis, dass ihm sein Image als Angehöriger der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe Rumäniens eben-falls zugute kam. Doch bei der Auswahl seiner Berater_innen wurde deutlich, dass Iohannis nun auch Teil des politischen Systems ist. Wiederholt riefen die Namen von Kandidat_innen Entrüstung hervor – sei es wegen Verbindungen zur alten Nomenklatura oder wegen Korruptionsvorwürfen. Immerhin reagierte Iohannis darauf mehrmals mit der Rücknahme der betreffenden Personen.
Eine unabhängige Justiz
Seit dem Wahlkampf haben die Antikorruptionsermittler_innen so viel Arbeit wie nie zuvor. Es sieht so aus, als sei eine Lawine losgetreten worden. Täglich wird von neuen Ermittlungen und Verhaftungen bisher als unberührbar geltender Personen berichtet. Das liegt mit an der klaren Parteinahme des Präsidenten für eine unabhängige Justiz. Zum andern trifft auch die Einschätzung zu, dass sich der Präsident und der Premierminister Ponta (Sozialdemokrat) «ob aus demokratischer Überzeugung oder aus Neid auf den Anderen»1 gegenseitig zu einer für Rumänien eher nützlichen Politik zwingen würden. Auch wenn es für westliche Ohren irritierend klingen mag – Iohannis ist der Präsident der rumänischen Zivilgesellschaft. Sie hat ihn mit grossem Engagement gewählt und verfolgt sein Tun und Lassen auf Schritt und Tritt. Er ist ein konservativer Politiker und nicht die Stimme sozialer Gerechtigkeit. Nach den ersten 100 Tagen Amtszeit besteht jedoch weiter Anlass zur Annahme, dass die Korruption bekämpft und auf politischer Ebene die Zivilgesellschaft endlich ernst genommen wird. Das ist nicht viel, aber ein Anfang.