Schweiz / Ukraine: Dick Martys Worte zum Mut

von Michael Rössler,(Freundeskreis Cornelius Koch), 20.05.2012, Veröffentlicht in Archipel 204

Am 3. April 2012 fand die Übergabe des Schweizer Menschenrechtspreises «Offene Grenzen»* an das Komitee der Medizinischen Hilfe in Transkarpatien (CAMZ) im Verwaltungsgebäude des Oblastes Zakarpattia (Distrikt Transkarpatien) in Uschgorod statt. Das CAMZ ist die Partnerorganisation des Europäischen BürgerInnen Forums in der Ukraine.

Mehrere Repräsentanten der Regierung und des Parlamentes Transkarpatiens, der Schweizer Botschafter aus Kiew mit seiner Frau und Vertreter der regionalen Medien nahmen an diesem festlichen Akt teil. Der international bekannte Verfechter der Menschenrechte, der Tessiner Alt-Ständerat Dick Marty, war zusammen mit den Preisgründern vom «Freundeskreis Cornelius Koch» aus der Schweiz angereist. Die Delegation war von mehreren hundert Schweizer Bürgerinnen und Bürgern mit einer Solidaritätserklärung mandatiert worden. Dick Marty stellte seine Laudatio unter folgendes Motto:
«Eine Zivilgesellschaft offenbart ihre Reife an der Behandlung ihrer Fremden.»

Auszüge aus der Rede:

*«Besonders in Westeuropa und in der Schweiz tun sich viele Menschen mit der Migration, einer weltweiten gesellschaftlichen Erscheinung, schwer. Andere profitieren davon, indem sie Angst schüren und ihre fremdenfeindliche Suppe kochen, um Wählerstimmen zu gewinnen. Ein Spiel mit dem Feuer und mit Menschenleben. Viele bei uns möchten die Flüchtlinge und Migranten möglichst weit weg haben in der irren Annahme, dass ein Problem, das man nicht sieht, nicht existiert. Wir leben aber alle zusammen in EINER Welt. (…)
Ich sehe es als eine Ehre an, den Frauen des «Komitees der Medizinischen Hilfe in Transkarpatien» (CAMZ) den Schweizer Menschenrechtspreis «Offene Grenzen» übergeben zu dürfen. Sie leisten eine hervorragende Arbeit für Flüchtlinge und Migranten, die an den geschlossenen Toren des so genannten vereinigten Europas stranden, weil Großzügigkeit und Gastfreundschaft bei uns fast Fremdwörter geworden sind. Sie sorgen für medizinische, juristische und menschliche Beratung und Betreuung von Menschen, die entweder in humanitär prekären Lagern interniert sind oder unter schwierigsten Bedingungen versuchen, auf der Straße zu überleben. Der Einsatz für Wehrlose und Schwächere wird nicht immer von allen geschätzt. Deshalb braucht ein solches Engagement, wie es das CAMZ zeigt, sehr viel Mut. (…) Ich möchte ein wenig über den Mut sprechen: (…) Indem man den Mut hat, auf etwas Fremdes, Unbekanntes zuzugehen und den Menschen, die ganz andere Probleme haben als wir, zuhört und indem man mit ihnen die Gedanken austauscht, dadurch wird uns auch unsere eigene Situation wieder neu bewusst und wir sehen auch uns in einem neuen Licht. Indem man sich im Spiegel des Fremden sieht, wird man seiner selbst besser bewusst. Man wird selbst-bewusster. (…) Wichtig ist auch der Mut, beharrlich weiterzumachen, wenn man von etwas vollständig überzeugt ist. Auch dann, wenn man nur eine kleine Gruppe ist oder gar wenn man alleine ist. Vor allem dann, wenn wir sehen, dass uns jene davoneilen, die sich nur um ihr eigenes Wohl kümmern. Hier braucht es den Mut, auch die Einsamkeit zu ertragen: Mut, durchzuhalten. Immer wieder die Widrigkeiten des Lebens zu überwinden, auch den Pessimismus zu überwinden, zu dem uns die Vernunft und die Resignation gerne verführen, auch wenn sich alles um uns herum verdunkelt. Der Mut macht immer wieder das Licht an im Saal.»
Am Schluss der Preisverleihung wurde den Preisträgerinnen des CAMZ ein Scheck über 10‘000 Euros übergeben – eine Summe, die sie für ihre weitere Flüchtlingsarbeit einsetzen werden.

  • *siehe Archipel Nr. 200