Die kleine Gewerkschaft SOC-SAT im andalusischen Almeria kann einen Sieg gegen den Tomatenriesen Biosabor verbuchen und setzt sich gegen die Vertreibung von Slumbewohner·inne·n im Gebiet von Nijar ein.
Am 28. Oktober 2022 gewann die Gewerkschaft SOC-SAT eine Abstimmung für die Zusammensetzung des Betriebsrates unter den Beschäftigten einer Tochtergesellschaft des Bio-Tomatenriesen Biosabor. Dies ist kein Zufall, sondern ein grosser Sieg für eine Gewerkschaft, die tagtäglich versucht, die Rechte der Arbeitnehmer·innen in den Bio-Produktionsbetrieben im Plastikmeer von Almeria durchzusetzen – im Gegensatz zur Trägheit der Mehrheitsgewerkschaften, die geneigt sind, sich den Interessen der Unternehmensleitung anzupassen und die Arbeitnehmer·innenrechte nach unten korrigieren zu lassen. Der Kampf der kleinen Gewerkschaft SOC-SAT gegen den Titanen Biosabor ist ein wenig wie der Kampf von David gegen Goliath, denn der Tomatenproduzent ist alles andere als ein Neuling in der Branche: Mit über 500 Beschäftigten baut Biosabor grosse Flächen in Plastikgewächshäusern in den Provinzen Almeria, Granada und Murcia an und ist auch im Senegal und in der Dominikanischen Republik präsent. Die Produkte werden nach ganz Europa exportiert, um die Regale von Carrefour, Aldi, Lidl und Co. zu füllen. Der Umsatz des Unternehmens betrug 63.787.000 € im Jahr 2021.
Bio, aber unsozial
Die Anfänge des Epos gehen auf das Jahr 2017 zurück. Damals klopften wütende Arbeiter·innen aus Marokko und Subsahara-Afrika an die Türen der SOC-SAT, um ständige Verstösse gegen die Arbeitnehmer·innenrechte und schlechte Arbeitsbedingungen anzuprangern: Löhne unterhalb des Mindestlohns; Überstunden, die nicht vergütet werden; Pausen, die nicht eingehalten werden; die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die wegen der systematischen, missbräuchlichen Verwendung von Zeitverträgen nicht anerkannt wird; Sonn- und Feiertage, an denen die Beschäftigten zwar arbeiten müssen, aber nicht entsprechend entlohnt werden; – ganz zu schweigen von den Arbeitstagen, die nicht vollständig in den Gehaltsabrechnungen erscheinen und also nicht bei der Sozialversicherung angemeldet werden. Insgesamt reichte die Gewerkschaft über 40 Anzeigen wegen Verstössen gegen das Arbeitsrecht bei der Arbeitsaufsichtsbehörde ein. Währenddessen brüstet sich Biosabor vor den lokalen Medien damit, unter den prestigeträchtigsten Labels zu produzieren: AB (Agriculture Biologique), BioSuisse, Bio-Siegel, EuroFeuille und Global Grasp. Der Hauptgeschäftsführer des Unternehmens, Francisco Belmonte, konnte zudem zahlreiche Auszeichnungen entgegennehmen wie den Preis «Empresas con valores 2017» der Tríodos Bank (eine Auszeichnung, die «sozial engagierte» Unternehmen würdigen soll) und die «Goldmedaille von Andalusien 2019» für die Werte, die das Unternehmen angeblich vertritt. Das Beispiel der Beschäftigten von Biosabor ist kein Einzelfall. Durch die Arbeit der SOC-SAT von Almeria konnte aufgedeckt werden, dass die Herstellung von Bio-Produkten in Almeria nicht unbedingt bedeutet, dass die Rechte und die Gesundheit der Beschäftigten respektiert werden. Dies gilt auch für andere Bio-Giganten. Als am 28. Oktober die Stimmzettel ausgezählt wurden und die Vertreter·innen der SOC-SAT den Sieg über die «Union General de Trabajadores» (UGT) errangen, war dies für die kleine Gewerkschaft und ihre Mitglieder eine offizielle Anerkennung ihres täglichen und unermüdlichen Kampfes für die Verteidigung der Arbeiter·innenrechte. Serrigné*, einer der gewählten Delegierten, sagte zu diesem Anlass: «Als ich 2015 in den Konzern eintrat, bekam ich 4,50 Euro pro Stunde, jetzt bekomme ich 6,80 Euro pro Stunde, die Dinge laufen etwas besser, aber es gibt immer noch Verbesserungsbedarf.» Nach einem langen Kampf erhielt er 2020 seinen unbefristeten Arbeitsvertrag. Doch: «Wir haben immer noch keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub oder Fahrtkostenzuschuss und die Feiertage, an denen wir arbeiten sollen, werden zum gleichen Satz wie die Wochentage bezahlt. Und dann haben sie zwar unseren Stundenlohn erhöht, auch wenn er immer noch unter dem Mindestlohn liegt, aber im Gegenzug setzen uns die Manager bei der Arbeit mehr unter Druck. Ich höre, wie sie den Angestellten sagen, dass sie das Tempo erhöhen sollen.» Serrigné hofft, mit der Unterstützung seiner Kolleg·inn·en einen Wandel herbeiführen zu können, und stellt fest: «Wir sind alle vereint, das ist unsere Stärke.» Der Planet «Bio» in der industriellen Landwirtschaft ist bis jetzt leider alles andere als ein Planet, auf dem es sich gut leben lässt.
Geplante Vertreibung
Am 25. November 2022 demonstrierten etwa 300 Menschen von einem der Slums in der Gegend von Nijar (Almeria) in einem 17 Kilometer langen Marsch, um die Gleichgültigkeit der Behörden gegenüber ihrer Not anzuprangern. Die Mobilisierung organisierte die SOC-SAT von Almeria, nachdem die Stadtverwaltung die Zerstörung von einem der grössten Slums der Stadt mit Namen «Walili» angekündigt hatte. Den Bewohner·innen war einfach eine Aufforderung zum Verlassen des Geländes zugestellt worden, ohne dass ihnen ein konkretes Umsiedlungsangebot gemacht worden wäre. Der Demonstrationszug, der sich vor dem Rathaus von Nijar versammelt hatte, wo die Sozialistin Esperanza Pérez Felices als Bürgermeisterin waltet, skandierte Slogans wie «Keine Räumung ohne Alternative», «Frau Bürgermeisterin, geben Sie uns eine Lösung», «Für menschenwürdige Wohnungen zu erschwinglichen Preisen» oder «Bosse, wir wollen Lösungen». Doch die Bürgermeisterin weigerte sich zunächst, die Bittsteller·innen zu empfangen.
In Nijar, dem neuralgischen Zentrum der Biogemüse-Produktion im Plastikmeer von Almeria, befinden sich allein 82 Slums, die meisten davon in der Nähe von den landwirtschaftlichen Betrieben, die ständig auf der Suche nach billigen Arbeitskräften sind, um in den Gewächshäusern Tomaten, Paprika und Auberginen ernten zu lassen. Die Bevölkerung dieser Slums besteht vor allem aus Männern marokkanischer oder schwarzafrikanischer Herkunft, aber auch einige Frauen sind darunter. Alle sind auf der Suche nach Arbeit und/oder warten darauf, ihre Situation legalisieren zu können.
Halbherzig und ungenügend
Auf ausdrücklichen Wunsch der SOC-SAT von Almeria empfing schlussendlich die Bürgermeisterin einige Tage später José Garcia Cuevas, den Sprecher der Gewerkschaft, zusammen mit einem Dutzend der Bewohner·innen in einem städtischen Pavillon. Angesichts von deren Besorgnis erklärte Esperanza Pérez Felices, dass den Bewohner·innen in Kürze eine Unterbringungsmöglichkeit mitgeteilt werden würde. Laut der Gewerkschaft handelt es sich um zwei Hangars mit einer Gesamtkapazität von 60 Wohnungen, wobei jede Wohnung 30 Quadratmeter gross ist und zwei Personen aufnehmen kann. Die Bürgermeisterin fügte hinzu: «Die künftigen Bewohner und Bewohnerinnen müssen nachweisen, dass sie arbeiten und uns den Namen ihres Arbeitgebers mitteilen», und sie betonte: «Diese Hangars werden keine Personen mit illegalem Status aufnehmen.»
Der Sprecher der Gewerkschaft erklärte, dass die Mehrheit der Menschen, die hier leben, Sans Papiers seien. «Ausserdem», so der Sprecher, «gilt die Unterbringungslösung nur für insgesamt 120 Personen, während im Slum von Walili etwa 500 Menschen leben». Angesichts dieser halbherzigen Lösung schlug José Garcia Cuevas den Bewohner·innen vor, bald einen Tag zu organisieren, um die Formulare für die Beantragung von Unterkünften auszufüllen. Eine nächste Mobilisierung, um «eine echte und tragfähige Lösung» für die Slumbewohner·innen im gesamten Gemeindegebiet von Nijar zu fordern, ist im Gespräch.
Die Räumungsanordnung ist nicht die einzige Plage, mit der die Bewohner·innen von Walili konfrontiert sind. Walili gehört zu den Slums, die in den Jahren 2020 und 2021 am stärksten von Bränden betroffen waren, ebenso wie «Paula» und «Atochares», die sich in derselben Umgebung befinden.
Joanna Moreno, SOC-SAT Almeria
*Vorname geändert.