TÜRKEI: Eine Woche Istanbul

von Constanze Warta, EBF, 17.06.2023, Veröffentlicht in Archipel 326

Kurz vor den Wahlen in der Türkei reiste ich nach Istanbul und verbrachte hier eine ausserordentlich intensive Woche mit vielen Begegnungen und Erfahrungen. Gerne möchte ich einige meiner vielfältigen Eindrücke über diese Stadt, die Menschen und die sozialen Bewegungen hier wiedergeben.

Anfang Mai in diesem Jahr reiste ich zum ersten Mal nach Istanbul, gemeinsam mit einer Freundin vom Europäischen BürgerInnen Forum (EBF) in Österreich. Ich wollte vor allem einige Frauen, die hier sehr engagiert sind, besuchen; türkische widerständige Frauen, mit denen wir vom EBF aus seit einigen Jahren in Verbindung sind. Gleichzeitig wollte ich mir diese Weltstadt anschauen, versuchen, etwas von ihr zu verstehen und mich auch auf den Spuren meiner Freundin Pınar Selek bewegen, die diese Stadt so liebt, in die sie seit über 20 Jahren nicht zurückkehren kann, weil sie hier in grosser Gefahr ist.

Abgesehen vom gigantischen Erlebnis, sich hier an einem Ort von unglaublicher Schönheit zu befinden, der tausende Jahre Geschichte und Kultur in sich trägt sowie tausende Jahre Handelstreiben und Machtverschiebungen, ist nicht zu übersehen, wie sehr sich diese Metropole, in der sich das Schwarze Meer und der Bosporus im Marmarameer vereinen, in den letzten Jahren verändert haben muss, um die 17 Millionen Menschen zu beherbergen, den permanent drei Millionen Tourist·innen den roten Teppich auszulegen, die meisten grossen Geschäftsketten hier anzusiedeln und Erdogans Machtstreben in Sachen Riesenbauvorhaben gerecht zu werden.

Monsterprojekte

Der neue Flughafen «Istanbul» ist das Paradebeispiel eines der zahlreichen Mega-Projekte in der Türkei, das bestimmte Baufirmen begünstigt (insbesondere die der Familie Erdogan), die Umwelt schwer schädigt und Menschenleben kostet. Der Staatschef hatte sich vor zehn Jahren in den Kopf gesetzt, einen dritten (!) Flughafen bauen zu lassen – eine Art Riesendenkmal für ihn und seine totalitäre Staatsführung. Laut Expert·inn·en hätten die bereits vorhandenen zwei grossen internationalen Flughäfen erweitert werden können. Das gigantische hochmoderne Gebäude, das einem riesigen Palast ähnelt, und die Flugpisten wurden zwischen 2016 und 2018 in rasender Geschwindigkeit auf einem ausgebeuteten Braunkohle-Tagebaugebiet errichtet. Der Wald, der hier vernichtet wurde, war zuvor ein wichtiges Naherholungsgebiet der Istanbuler·innen und ein Teil der «Lunge Istanbuls». Die Urbanisierung hier ist unvorstellbar: Vor wenigen Jahrzehnten machte der Wald insgesamt noch etwa zwei Drittel der Fläche Istanbuls aus, heute vielleicht noch ein Viertel. Gegen die Abholzung des Waldes für den Flughafenbau gab es die grosse Widerstandsbewegung «Rettet die Nordwälder», die sich aus den Protesten im Gezi-Park 2013 (siehe Kasten) gebildet hatte. Doch auch sie konnte den Flughafenbau nicht verhindern. Zweieinhalb Millionen Bäume wurden auf dem Gelände gefällt und 70 Seen trockengelegt! Laut der Istanbuler Architektenkammer ist das Gebiet voller riesiger Löcher, die sich mit Grund- und Regenwasser gefüllt haben. Für den Flughafenbau wurden die Löcher zugeschüttet und eine zweieinhalb Meter dicke Betonschicht darüber gegossen. Doch der Beton sackte immer wieder ein. Der Aufwand, um das Problem zu beheben, war immens und offenbar nicht immer erfolgreich. Ein paar Monate vor der grossen Eröffnung klaffte plötzlich ein Loch von etwa zehn Metern Durchmesser und schätzungsweise fünf Metern Tiefe auf einer der Rollbahnen. Fotos davon kursierten im Internet, bevor der Krater hastig wieder aufgefüllt und verschlossen wurde.

Wie viele andere Megaprojekte Erdogans sollte der Flughafen in kürzester Zeit gebaut werden. Die tragischen Folgen: um die 400 Arbeitsunfälle mit tödlichen Folgen. Wären nötige Schutzmassnahmen getroffen worden, könnten diese Bauarbeiter heute noch leben – doch das hätte der türkischen Regierung zu viel Zeit und Geld gekostet; die Prioritäten von Fortschritt und Prosperität sind nicht unbedingt Menschenleben.

Nicht nur die Menschen, auch die Tiere werden missachtet: Der Luftraum über dem Flughafen gehört eigentlich zweimal im Jahr den Zugvögeln. Die Naturschützer·innen von der «Nordwald-Initiative» weisen nachdrücklich auf diese Tatsache hin: «Die Nordwälder sind eine der weltweit wichtigsten Routen von Zugvögeln, das gilt insbesondere für Störche. Der Bosporus gehört auch dazu. Das Gebiet, in dem der neue Flughafen gebaut wurde, ist ein Feuchtgebiet, in dem zweimal im Jahr hunderttausende Störche rasteten. Seit ewigen Zeiten hatten sie sich diese Route eingeprägt – und nicht nur die Störche, sondern auch Raubvögel, ungefähr 250.000 pro Jahr, darunter auch selten gewordene Arten.» Und es versteht sich von selbst, dass zusätzlich zu all diesen Zerstörungsfaktoren eine Zubringerautobahn zum Flughafen gebaut werden «musste»...

Gärten, Kollektive, Repression

Ganz im Gegensatz zu dem Zubetonieren der Grünflächen und dem Bau von unzähligen Hochhäusern, die in den letzten Jahren mehr und mehr Platz einnehmen und die Natur immer weiter an den Rand drängen, stehen die Stadt-Gemüsegärten, die eine lange Tradition in Istanbul haben. Auch sie sind in Gefahr, der Modernisierung und Urbanisierung zum Opfer zu fallen. Manche dieser Gärten, die sich inmitten der Wohngebiete in verschiedenen Bezirken Istanbuls befinden, werden kollektiv bewirtschaftet, andere von Familien. Das Gemüse wird in der Nachbarschaft verkauft. Kiraz Özdog, Anthropologin und seit Jahren sehr engagiert für den Erhalt dieser Gärten, hat uns mehrere von ihnen gezeigt: «Selbst wenn es illegal ist, werden Bauarbeiten im Bereich der Gärten angefangen, um diese so nach und nach zu zerstören. Die Gärten in Yedikule zum Beispiel gibt es seit Tausenden von Jahren und jetzt wird hier gebaggert.» Sie macht, möglichst ohne dabei gesehen zu werden, eine Videoaufnahme vom Bagger und schickt sie weiter an die anderen Aktivist·inn·en. Kiraz hat uns auch auf dem Bauern- und Bäuerinnenmarkt in Kadıköy mit Vertreter·inne·n der YerDeniz-Kooperative zusammengebracht. Diese wurde 2019 von Menschen mit unterschiedlichen Organisationserfahrungen nach dem Gezi-Widerstand gegründet. Gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur und eine mögliche Verarmung kooperieren die Genossenschafter·innen auf der Basis von Solidarität, indem sie das tägliche Leben und die Produktion gemeinsam organisieren und Beschäftigung anbieten. Ihr Ziel ist es, Aktivitäten in Bereichen wie Lebensmittelherstellung, Technik, Recycling, Reparatur-Renovierung, Kultur-Kunst, Kinderbetreuung und Altenpflege zu schaffen. Die Ernährung ist also nur einer der Bereiche. Sie verkaufen ihre Produkte gemeinsam auf dem Produzent·inn·enmarkt in Kadıköy, einem alten Stadtviertel am «Goldenen Horn» in der Nähe von Taksim, wo sie auch gemeinsam einen Verkaufsladen und ein soziales Zentrum betreiben. Ausserdem sind sie mit mehreren anderen Kollektiven in der Türkei in Verbindung, die auf sozialer und landwirtschaftlicher Ebene aktiv sind. Ein Beispiel ist die landwirtschaftliche Entwicklungsgenossenschaft «Vakıflı Village Limited». Diese wurde im Jahr 2004 gegründet, um die Solidarität in Vakıflı zu stärken – dem letzten armenischen Dorf in der Provinz von Katay im Süden der Türkei. Im Jahr 2005 schlossen sich fünf Frauen zusammen und begannen mit der Arbeit an der Gründung der «Vakıflı Village Women's Branch». Die Frauen brachten die Produkte, die sie zu Hause herstellten, wie Likör, Marmelade und Fruchtsirup auf den Markt, der zur Unterstützung des Dorfes regelmässig auf dem Kirchhof veranstaltet wird. Mit dem Geld, das sie so verdienten, liessen sie Fenster in ihre Häuser einbauen. So nach und nach wurden immer mehr Frauen Genossenschafterinnen in der «Vakıflı Village Limited». In der Region von Katay wurde Vieles vom Erbeben zerstört. YerDeniz hat daraufhin einen Aufruf zur kollektiven Solidarität mit den elf Kooperativen im betroffenen Gebiet verbreitet.

Ökologisches Desaster

Nach unserem Besuch auf dem Produzent·inn·enmarkt und dem Gespräch mit den Mitgliedern der YerDeniz-Kooperative begleiteten wir eine der Frauen zu einer Veranstaltung der linken, grünen, kurdischen Partei «Yesil Sol Parti», die den Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu unterstützt. Die Frauen tanzten und sangen zu kurdischer Musik, lachten und luden uns zum Tanz ein. Wir konnten nicht lange bleiben, da wir ein Treffen mit einem Journalisten hatten. Am Abend erfuhr ich, dass eine Stunde nachdem wir gegangen waren, die Veranstaltung durch Tränengas von der Polizei aufgelöst worden war. Und ein paar Stunden später, in der Nacht, wurde ein sehr beliebter junger kurdischer Sänger von Grauen Wölfen1 ermordet, angeblich weil er «nicht für die Nationalisten singen wollte». Am Tag davor war der Istanbuler Bürgermeister (ein Opponent Erdogans) während einer Wahlveranstaltung tätlich angegriffen worden – die Polizei schritt nicht zu seiner Verteidigung ein.

Onur, ein Freund von Kiraz, ist im Widerstand gegen den Bau von riesigen Wasserrückhaltebecken engagiert, welche die Umwelt zerstören, ganze Dörfer vernichten und die Menschen, die dort seit Generationen leben, vertreiben und krank machen. Er informiert gemeinsam mit seinem Team in Videos über diese vernichtenden Megaprojekte. Eines davon ist eine riesige Geotherm-Anlage, durch die giftige, krebserregende Metalle in Umlauf gebracht werden.2 Wir haben auch die islamistische Siedlung im Nordwesten Istanbuls besichtigt, die Erdogan vor ein paar Jahren bauen liess: ein modernes Getto mit islamistischen Schulen, Frauen-Internaten, die wie Gefängnisse aussehen, ein Geschäft für Heiratszubehör neben dem anderen. Erdogans Bestreben ist es, saubere, islamistische Siedlungen in den Aussenbezirken zu errichten, mit künstlichen, schmalen Grünflächen («le paysage» wie sie ironisch genannt werden), breiten Gehsteigen und allen notwendigen Geschäften. Am besten kommen die Menschen, die hier leben, gar nicht mehr in die Altstadt, die ja für den Tourismus freigehalten werden muss. Und nachdem die Fahrt in solche Siedlungen mit der U-Bahn fast eine Stunde dauert (ja, Istanbul ist riesig!), ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Bewohner·innen in ihren Ghettos bleiben und brav weiterhin «ihren» Präsidenten wählen, ziemlich gross.

Heute (ich bin wieder zurück) ist der 15. Mai – ein Tag nach den Wahlen. Der Wahlausgang ist für sehr viele eine herbe Enttäuschung. Millionen haben sich mobilisiert, um einen Wandel zu erwirken. Doch die absolute Macht Erdogans, der noch einmal mit Repression, Angstmache und Versprechen von Sicherheit und Stabilität die Hälfte der türkischen Bevölkerung für sich gewinnen konnte, wurde durch diese Wahl nach 20 Jahren Herrschaft wieder bestätigt. Dass dieser Politiker über Leichen geht, um seine Macht zu erhalten, ist Vielen, insbesondere der Landbevölkerung und der Diaspora wohl nicht bewusst.

Journalismus, Meinungsunfreiheit

Wir haben auch Erol Onderoglu getroffen. Er gehört zu den «Reportern ohne Grenzen» und ist einer der Mitbegründer der linken Journalist·innen-Plattform «Bianet». Obwohl er in dieser sehr angespannten Vorwahlwoche kaum Zeit hatte, hat er sich eine Stunde freigeschaufelt, um auf unsere diversen Fragen einzugehen. Es ist klar, dass der Druck auf die Journalist·inn·en sehr gross ist. Jetzt in der Vorwahlzeit ist er extrem. Einige Journalist·inn·en wurden festgenommen. «Zwei kurdische Journalisten wurden vorgestern eingesperrt», erzählt uns Erol. «Fast alle öffentlichen Medien sind in Erdogans Hand, was aber nicht heisst, dass die gesamte Bevölkerung der Türkei sich von diesen Medien berieseln lässt. Die Menschen hier haben andere Wege gefunden, zu informieren und sich zu informieren. Doch die Bevölkerung ist tief gespalten, gerade durch diese permanente Manipulation und Ausschaltung der Meinungsfreiheit.»

Asli Odman, eine langjährige Freundin, ist Mitglied der Koordination «Akademiker·innen für den Frieden», die im Jänner 2016 aufgrund der verschärften Repression der türkischen Regierung in den kurdischen Gebieten entstanden ist. Nachdem diese Initiative eine Petition mit dem Titel «Wir werden nicht Teil des Verbrechens» in Umlauf gebracht hatte, wurden die Unterzeichner·innen systematisch angegriffen. 498 verloren innerhalb kürzester Zeit ihre Arbeitsplätze. Viele von ihnen durften bis heute nicht an die Universitäten zurückkehren. Asli meint, sie habe Glück gehabt, dass gegen sie kein Prozess angestrengt wurde und sie wieder an der Uni unterrichten darf. Neben Beruf und Familie fährt sie regelmässig zum Justizpalast, um die Prozesse gegen die Gefangenen zu verfolgen, die seit der Gezi-Revolte einsitzen. Ausserdem reist sie seit dem schrecklichen Erdbeben von Anfang Februar oft nach Hatay und Adana. Sie wollte sofort, so wie viele andere, Hilfe leisten. Zuerst engagierte sie sich als Dolmetscherin und später in den Feldspitälern. «Hier konnte ich wenigstens konkret etwas für die Verletzten tun. Die Erzählungen der geschockten, verwundeten, traumatisierten Menschen von einer Sprache in eine andere zu übersetzen, und nichts dagegen tun zu können, war schlimmer für mich, als die Verwundeten zu behandeln.» Und heute versucht sie, gemeinsam mit anderen zu verhindern, dass der ganze Bauschutt der zerstörten Häuser, gespickt mit Asbest und anderen giftigen Materialien, einfach in die Flüsse und ins Meer gekippt wird. Die nächste ökologische Katastrophe steht bevor.

Die Kraft der Frauen

In meinem Bericht bin ich leider gar nicht auf die hier sehr bedeutende Frauenbewegung und die starke Lgbt+Community eingegangen. In einem Land, in dem Feminizide und häusliche Gewalt gegen Frauen an der Tagesordnung sind (durchschnittlich ein Frauenmord/Tag!) und die Justiz gegen die Täter oftmals Milde walten lässt, ist die Selbstbehauptung und der Widerstand der Frauen lebensnotwendig. Erdogan hat veranlasst, dass die Türkei ihre Unterzeichnung der Istanbul-Konvention, die durch das Minister·innenkomitee des Europarates am 7. April 2011 verabschiedet worden war, wieder zurückzieht. Dieses erste internationale Übereinkommen zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist offensichtlich nicht vereinbar mit den islamisch-konservativen, patriarchalen Prinzipien des Herrschers. Wir werden jedenfalls, so sehr es uns möglich ist, die mutigen und engagierten Menschen weiter unterstützen, die seit Jahren Widerstand gegen die Missstände in ihrem Land leisten und für Meinungs- und Aktionsfreiheit kämpfen. Unser nächster Termin in Istanbul ist der 29. September, der entscheidende Prozesstag4 für Pınar Selek.

Constanze Warta

  1. «Graue Wölfe» (türkisch Bozkurtlar oder Bozkurtçular) ist die Bezeichnung für türkische Rechtsextremisten, die auch in den nationalistischen Parteien stark vertreten sind. Sie haben zahlreiche Gewalttaten und Morde in der Türkei und im Ausland begangen und tun das auch heute noch.

  2. Unter followtheriver.org sind viele Informationen und Fotos zu finden.

  3. Siehe Artikel von AsliOdman: «Die Prozesse gehen weiter», Arch. Nr. 275, Nov. 2018, sowie den von Alexander Behr: «Solidarität mit den entlassenen Akademinker·inne·n», Arch. Nr. 258, April 2017.

  4. Siehe Text von Nick Bell in diesem Archipel

Die Gezi-Proteste

Ende Mai 2013 nahmen die Gezi-Proteste am Taksim-Platz ihren Ausgang. Sie richteten sich ursprünglich gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Areal des Gezi-Parks am Taksim, im Zentrum der Altstadt. Die Demonstrationen entwickelten sich zu landesweiten Protesten gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die regierende islamisch-konservative AKP. Die Regierung liess die Proteste brutal niederschlagen. Zahlreiche Menschen sitzen wegen der Teilnahme an den Protesten nach wie vor in türkischen Gefängnissen. Auch letztes Jahr war die Reaktion der Regierung auf die Demonstrationen zum Jahrestag der Proteste äusserst brutal. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen. Allein in Istanbul kamen 169 Menschen in Polizeigewahrsam; mehrere von ihnen wurden geschlagen. Was dieses Jahr am 1. Juni passieren wird, können wir zu Redaktionsschluss noch nicht sagen. Jedenfalls machen wir uns auf Einiges gefasst.

Der Putschversuch

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 kam es in der Türkei zu einem gescheiterten Putschversuch durch Teile des türkischen Militärs, für den die türkische Staatsführung den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen und seine Anhänger verantwortlich machte. Dieser stritt jedoch jegliche Verantwortung ab. Den Aussagen Gülens zufolge hätte der türkische Staatspräsident Erdogan den Aufstand selbst inszeniert, um im Nachhinein die Opposition und die Gülen-Bewegung zu bekämpfen. Jedenfalls hat Erdogan bereits am nächsten Tag jubiliert und den verhinderten Putschversuch als ein «Geschenk Allahs» bezeichnet. Nach dem Putsch wurden 170 Medien geschlossen und mehr als hundert Journalist·inn·en verhaftet. Die Ausstrahlung prokurdischer Sendungen wurde unterbunden. Die Regierung unter Präsident Erdogan schränkte die demokratischen Rechte ein und ergriff weitreichende Repressionsmassnahmen. Zehntausende Beamte, Richter·innen, Lehrer·innen etc. wurden im Zusammenhang mit dem Putschversuch entlassen und es kam zu umfangreichen Verhaftungswellen. Zwölf Abgeordnete der prokurdischen «Demokratischen Partei der Völker» (HDP), darunter die beiden Parteivorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksedağ, wurden verhaftet.