Am Wochenende vom 7. bis 9. Februar 2020 wurde in Riace gefeiert: Zwei Monate nach der Schliessung der Ambulanzstation auf Entscheid des Lega-nahen neuen Bürgermeisters hat sie endlich wieder – ein paar Strassen weiter – ihre Türen geöffnet; in diesem Dorf in Kalabrien weht nach wie vor der Wind der Veränderung. Vor genau einem Jahr, am 9. Februar 2019, schrieb Alex Zanotelli folgende Worte über Riace und den ehemaligen Bürgermeister Domenico Lucano: «Es ist unvorstellbar, dass ein so rechtschaffener und gerechter Mensch so behandelt und sein Werk vernichtet werden soll. In den letzten Monaten musste eine grosse Zahl von Migranten Riace verlassen. Von den dreihundert Migrantinnen und Migranten, die hier gelebt haben, bleiben sechzig übrig. Dieses Werk des Empfangs und der Integration, das ein Beispiel für viele italienische Verwirklichungen hätte sein können, sollte kaputt gemacht werden. Und doch haben in ganz Italien viele Verbände beschlossen, angesichts dieser Situation nicht aufzugeben, und haben die Ärmel hochgekrempelt, um diese Erfahrung, die das Gegenstück zu den politischen Entscheidungen Italiens darstellt, wieder in Bewegung zu bringen. So entstand die Partizipationsstiftung ‚E‘stato il vento‘ – ‚Es war der Wind‘, ein Satz, den Lucano oft benutzt, um zu sagen, dass es der Zufall des Windes war, der ein Boot kurdischer Flüchtlinge an den Strand von Riace trieb und alles, was darauf folgte, entstehen liess. Das Ziel der Stiftung ist die Wiederbelebung von Empfangsprojekten in Riace.»
Der Wind hat gedreht, E’stato il vento
Ein Jahr später können wir – trotz der Last der schmerzhaften Ereignisse (1), die dieses kleine kalabrische Dorf erdulden musste – endlich sagen, dass der Wind sich dreht: Am Freitag, den 7. Februar 2020, konnten wir die Wiedereröffnung der im Jahr 2017 geschaffenen medizinischen Krankenstation feiern, die seitdem Migrant·inn·en sowie den Einwohner·inne·n von Riace, aber auch denjenigen der Nachbargemeinden, kostenlose Behandlungen anbietet. Dem gingen über zwei Jahre intensiver Arbeit in einer Region voraus, in der es einen grossen Mangel an Gesundheitsstrukturen gibt. Die Räumlichkeiten waren innerhalb des Rathauses angesiedelt, die von der Verwaltung des ehemaligen Bürgermeisters Domenico Lucano zur Verfügung gestellt worden waren. Die neue Verwaltung, die politisch der Lega nahe steht, beschloss dann, die Räume zu leeren und ungenutzt zu lassen. Dank des professionellen Netzwerks der Jimuel-Vereinigung hatte die Krankenstation Dienstleistungen in den Bereichen Basismedizin, Pädiatrie, Gynäkologie und andere spezialisierte Beratungen angeboten. Wenn es uns heute gelungen ist, eine neue Station zu eröffnen und damit symbolisch den Beginn der Wiederbelebung zu markieren, so verdanken wir dies der Vereinigung Città Futura, die alle Projekte zur Aufnahme im Dorf initiiert hat, aber auch der Entschlossenheit von Domenico Lucano, der trotz der juristischen Unerbittlichkeit gegen ihn nie aufhörte, die Ideen zu verteidigen, um die herum dieses aussergewöhnliche Projekt Gestalt angenommen hatte. Nicht zu vergessen die Grosszügigkeit der Jimuel-Association von Dr. Isidoro Napoli und natürlich die Unterstützung der Stiftung E’stato il vento. Die im vergangenen Jahr gegründete Stiftung ermöglichte auch die Wiedereröffnung der Handwerksbetriebe und unterstützte die Inbetriebnahme der Ölmühle, die in diesem Jahr bereits ein in Italien und im Ausland geschätztes Olivenöl von ausgezeichneter Qualität herstellen konnte und verschiedenen ansässigen Geflüchteten und Bewohner·inne·n des Dorfes Arbeit verschaffte. Die Neueröffnung der Krankenstation trägt zu diesen Erfolgen bei, indem sie wieder mit ihrem unverzichtbaren Dienst für die gesamte Gemeinschaft beginnt. Ein Wunder, das dank der Hartnäckigkeit von Vielen möglich wurde, und zwar ohne jegliche staatliche Subventionen. Diese Tatsache zeigt, dass die Zerstörungswut der schwarzen Welle des Hasses gestoppt werden kann. Die Wiedereröffnung hat stattgefunden, aber es bleibt noch viel zu tun: Neue medizinische Geräte müssen angeschafft werden. Die Kontinuität des Dienstes muss gewährleistet sein. Die von der Stiftung eingeleitete Spendenkampagne wird fortgesetzt.
Roberta Ferruti, Roberta Ferruti arbeitet für RE CO SOL, das Netzwerk der Solidaritätsgemeinden. Sie ist Journalistin und lebt in Rom.
- In den Jahren 2018 - 2019 versuchte der damalige Innenminister Matteo Salvini von der rechtsextremen Lega das Beispiel von Riace für eine menschliche Flüchtlingspolitik mit allen Mitteln zu zerstören.