Braune Ökos? Doch nicht bei uns!

von Florian Walter, Heike Schiebeck, 01.05.2019, Veröffentlicht in Archipel 281

So dachten wir. Wir sind doch die ÖBV (Österreichische Klein- und Bergbäuer·innen Vereinigung) – Mitbegründerin von La Via Campesina, einer weltweiten emanzipatorischen Bewegung. Da hat rechtsextremes Gedankengut keinen Platz. Wir erlebten jedoch mehrmals unangenehme Überraschungen. Im März 2012 beispielsweise, als bei einer Demonstration der agrarpolitischen Plattform «Wir haben es satt!» in Wien plötzlich ein FPÖ-Abgeordneter auftauchte und das Mikrofon ergriff. Er würde unsere Ziele teilen, meinte er. Wir waren nicht dieser Ansicht und setzten uns in unserer Zeitung «Wege für eine bäuerliche Zukunft» (BZ Nr. 2/2013) unter dem Motto «Rechter Rand am Land» intensiv mit Ökofaschismus auseinander.

Im Herbst 2016 erhielten wir das Angebot einer Gemeinderätin, mit uns ein Symposium für Ernährungssouveränität zu organisieren. Nach anfänglicher Zustimmung fanden wir jedoch heraus, dass sie sich für den ehemaligen FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und den US-Präsidenten Donald Trump begeisterte. Wir versuchten Kontakt aufzunehmen, um mit ihr über Ernährungssouveränität zu diskutieren. Da sie nicht reagierte, sagten wir die Veranstaltung ab. Im vergangenen Jahr fanden aufmerksame ÖBV-Mitglieder heraus, dass Siegfried Jäckle vom «Forum Pro Schwarzwaldbauern», der jahrelang mit uns zusammengearbeitet und in unserer Zeitung geschrieben hatte, Michael Beleites gegen Kritik in Schutz nimmt: «(…)wer dem (kapitalistischen Wachstumszwang) nicht folgt, wird (…) abgestempelt und läuft neuerdings Gefahr, gleich als Faschist oder Nationalist eingeordnet zu werden, wie es ein grosses deutsches Nachrichtenmagazin mit einem Freund aus Sachsen (…) gerade gemacht hat.» Dieser Freund heisst Michael Beleites, hat das Vorwort für ein Pegida-Buch geschrieben und hält Vorträge vor der rechtsextremen Burschenschaft Normannia zu Jena und der neurechten Denkfabrik «Institut für Staatspolitik» (BZ 2/2018). Einige von uns ÖBVler·in-ne·n waren schockiert und empört und suchten das Gespräch. Da Jäckle auch nach mehreren Diskussionen sich nicht von Beleites distanzierte und dessen Buch und Vorträge weiter auf seiner Website bewirbt, gab es keine Zusammenarbeit mehr. Der ÖBV-Vorstand beschloss, das Thema Rechtsextremismus in Landwirtschafts- und Umweltbewegungen zu einem Schwerpunkt der ÖBV-Bildungsarbeit zu machen.

Sehnsucht junger Menschen?

Hellhörig geworden, fielen uns auch andere unterschwellige oder mehrdeutige Passagen in Texten unserer Zeitung auf. Etwa jener einer Tiefenökologin, die ebenfalls von sich aus einen Bezug zum Nationalsozialismus herstellte, indem sie schrieb: «Jahreskreisfeste sind aus der Mode gekommen, sie werden oft sinnentleert wiedergegeben, verkommerzialisiert, oder sie werden von manchen als Überbleibsel des Nationalsozialismus verteufelt. Gleichzeitig sehnen sich immer mehr junge Menschen danach…» (BZ 4/2012) Wann, so fragten wir uns, waren denn Sonnwendfeuer zuletzt modern? Wohl doch im Nationalsozialismus! Und wonach sehnen sich junge Menschen nun? Jeder kann den Text so lesen, wie er ihn gerne deuten will – braune Ökos inklusive. Wie erkennen wir versteckte rechtsextreme Botschaften? Wie verhindern wir Applaus von der falschen Seite? Wie können wir Agrarpolitik machen, die nicht den Rechten den Boden bereitet? Welches Selbstverständnis setzen wir der Entsolidarisierung entgegen? Diese Fragen haben wir im Jänner 2019 bei einem Seminar in Kärnten diskutiert. Wir haben uns mit rechtsextremen Strömungen im ländlich-bäuerlichen Umfeld, den eigenen braunen Rändern und dem Rechtsruck in der Gesellschaft auseinandergesetzt. Der Referent Peter Bierl1 trug das Thema mit fundiertem Wissen und Humor vor.

Humor, bei so einem ernsten Thema?

Ja, zum Lachen ist es schon, wenn Rassenfanatiker den Gebrauch von Glyphosat deshalb ablehnen, weil sie im Einsatz des Spritzmittels einen gezielten Anschlag auf ihr überlegenes arisches Erbgut sehen. Manche Tiefenökolog·inn·en und Tier-rechtler·innen halten eine vermeintliche Überbevölkerung des Planeten für die wichtigste Ursache von ökologischen Zerstörungen. Sie fordern eine drastische Reduktion der Menschheit, nicht nur um Umweltkatastrophen zu verhindern, sondern weil sie den Planeten in eine Wildnis zurückverwandeln wollen. Sie sind gegen das Impfen, weil es die natürliche Selektion verhindert. Da die Überbevölkerung im globalen Süden ausgemacht wird, ist diese Haltung menschenfeindlich und rassistisch. Bierl zitierte dazu provokant Erich Mühsam: «Wer meint, es gäbe zu viele Menschen, der möge doch mit gutem Beispiel vorangehen und sich selbst entleiben!» Rassistische Esoterik als Wissenschaft getarnt Die Anthroposophie ist in der Öffentlichkeit vor allem durch Waldorfschulen und Demeter-Nahrungsmittel bekannt und bezeichnet sich selbst oft als wissenschaftliche Grundlage für den biologisch-dynamischen Landbau, der «Königsdisziplin der Landwirtschaft». Was wir nun hörten, war, dass dieser Weltanschauung ein obskures esoterisch-rassistisches Evolutionskonzept, die sogenannte Wurzelrassenlehre zu Grunde liegt, die auch judenfeindliche Elemente enthält. Wen wundert es da noch, dass die Waffen-SS in den Konzentrationslagern Ravensbrück, Dachau sowie im steirischen KZ Nebenlager Bretstein Experimente mit biologisch dynamischer Landwirtschaft durchführen liess? Warum haben sich bislang nur wenige Demeter-Anhänger·innen mit diesen Tatsachen auseinandergesetzt?

Gedanken zu Ende denken!

Das anfängliche Lachen über abstruse und eigenartige Behauptungen blieb uns bald im Halse stecken. Bierl überraschte uns in seinem Vortrag mit Begriffsverwirrungen: Ganzheitliches Denken, organische Marktwirtschaft, Gemeinwohl, Postwachstumsökonomie, Natur der Frau und Ernährungssouveränität – diese Begriffe begegnen uns in Gesprächen mit Nachbar·inne·n, Ökobewegten, Tierschützer·inne·n, Globalisierungskritiker·inne·n und natürlich in Texten der «Bäuerlichen Zukunft». Sie werden aber auch von Rechtsextremen benutzt, die damit etwas ganz Anderes meinen. In ihrem Sinne bedeutet etwa «ganzheitlich»: Die natürliche göttliche Ordnung der Gesellschaft sei gegliedert in Ganzheiten wie Rasse, Volk, Sippe und Familie. Der Einzelne müsse sich der Ganzheit unterordnen. Widerstand, Protest, Rebellion und kritisches Denken seien somit wider die Natur.2

Which side are you on?

Der geschichtliche Rückblick auf die autoritären Wurzeln der Umwelt-, Heimatschutz- und Lebensschutzbewegung rückte so manchen Begriff ins rechte Licht. Es war so etwas wie ein Aha-Erlebnis: Zunächst harmlos klingende Worte erwiesen sich als Versatzstücke rechter Ideologien. Ein Beispiel: Ethnopluralismus klingt tolerant, gemeint ist jedoch Rassentrennung. Was wir von dem Seminar mit nach Hause genommen haben: Bei nebulösen Formulierungen Fragen stellen. Behauptungen, die sich gut anhören, konsequent zu Ende denken und dann erst entscheiden, ob sie zu unseren Vorstellungen passen oder nicht. Werden allen Menschen im Sinne der Aufklärung die gleichen Rechte auf Leben, Freiheit und Glück zugestanden? «Mir ist erst jetzt klar geworden, wir müssen uns entscheiden, auf welcher Seite wir stehen», sagte eine Teilnehmerin spontan.

Kapitalismuskritik: ja, aber durchdacht!

Während des interaktiven Workshops dämmerte uns die Erkenntnis, dass unsere Kritik am Kapitalismus manchmal vielleicht nicht genügend durchdacht ist. Vereinfachende Erklärungsversuche können anschlussfähig sein für völkisch-nationalistische Positionen: Statt die Ausbeutung von Menschen und die Zerstörung der Natur auch durch heimische Betriebe zu kritisieren, geht es bei völkischer Kapitalismuskritik darum‚ Feindbilder zu schaffen: fremde Mächte, amerikanische Konzerne und eine sogenannte jüdische Weltverschwörung, die im Hintergrund die Fäden zieht. Wir bereiten schon die nächste Veranstaltung vor. Titel: Kapitalismuskritik für Anfänger·innen. Um die Demokratie zu zerstören, genügen wenige, um sie zu retten brauchen wir viele!

Florian Walter, Heike Schiebeck

ÖBV – Via Campesina Austria Fazit von Peter Bierl Es wäre ein Fehler, die Auseinandersetzung mit dem eigenen braunen Rand zu scheuen. Die ÖBV sollte selbstbewusst als Teil der weltweiten Bewegung La Via Campesina auftreten und ihren emanzipatorischen, weltoffenen Charakter betonen. Damit einher geht eine klare öffentliche Positionierung als antifaschistische Organisation, engagiert in sozialen Kämpfen, die in die Zukunft weisen. Diese politischen Signale können dazu beitragen, dass sich nicht die Falschen an euch hängen. Und niemals aufhören, Fragen zu stellen.


  1. Peter Bierl, Politikwissenschafter, Soziologe, Psychologe und politischer Aktivist aus München, arbeitet als freier Journalist und hat zuletzt das Buch Grüne Braune. Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von Rechts veröffentlicht.

  2. Siehe dazu den Kurzbeitrag im Bayrischen Rundfunk: «Braune Ideologie hinter grüner Fassade» über den Anastasia-Kult: https://bit.ly/2I437W4