BUCHBESPRECHUNG: Mitten durch meine Zunge

von Trixie Graf (Forum Civique), 09.08.2008, Veröffentlicht in Archipel 162

Das von Brigitta und Thomas Busch1 herausgegebene Buch versammelt Texte von fünfzig Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Epochen und Erdteilen und ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Sprachforschung lebendig und spannend vermittelt werden kann.

Von Ovid und Augustinus über Amadou Hampâte Bâ und Elias Canetti bis zu Aharon Appelfeld und Jacques Derrida erzählen uns Schriftstellerinnen und Schriftsteller, wie sie Mehrsprachigkeit erlebt haben. Situationen wie zum Beispiel das Leben unter Kolonialherrschaft, Flucht und Exil oder Arbeitsmigration führen dazu, dass Menschen mit mehreren Sprachen aufwachsen oder gezwungen sind, andere dazuzulernen beziehungsweise ihre Sprache zu wechseln.

«Ich lebe am Scheideweg zweier Kulturen, in welcher Sprache kann ich am besten schreiben?» fragt sich Chinua Achebe aus Nigeria. Gloria Anzaldúa aus Kalifornien wurde bestraft, wenn sie in der Pause Spanisch sprach. Aharon Appelfeld kam als 14-jähriger nach Palästina, ihm gingen alle Sprachen, die er gekonnt hatte, verloren, er durfte seine Muttersprache Deutsch nicht benutzen, sie war «geächtet» . Klaus Mann musste im amerikanischen Exil auf Englisch schreiben: «Wimmelt gewiss von Fehlern. Plötzlich ist man wieder ein Anfänger…» Ulla Hahn lernte neben ihrer Muttersprache Kölsch in der Schule Hochdeutsch, «fast so wie Englisch» . Maja Haderlapp kann sich ihre Sprache nur in Form von übereinander geschichteten Gesteinsablagerungen vorstellen. Aurelius Augustinus hasste die griechische Literatur, weil man ihm «mit wilden Drohungen und Strafen heftig zusetzte» , die griechische Sprache zu lernen. Ovid versuchte nach Jahren in der Verbannung, etwas zu sagen und bittet um Nachsicht, weil er «oft das Wort nicht mehr findet» . Und nach jeder Geschichte fragt man sich gespannt, was der oder die nächste wohl erlebt haben mag. Wer sich für Mehrsprachigkeit und Sprachen im Allgemeinen interessiert, sollte sich die vergnügliche Lektüre dieses Buches nicht entgehen lassen.

Forum Civique

  1. Brigitta Busch ist habilitierte Linguistin an den Universitäten Wien und Kapstadt ;

Thomas Busch befasst sich in seiner Verlagstätigkeit mit literarischer Mehrsprachigkeit:

«Mitten durch meine Zunge»

Literarische Texte zum Erleben von Sprache und Mehrsprachigkeit

Brigitta und Thomas Busch (Hg.)

Drava Verlag, Klagenfurt 2008 (www.drava.at)

ISBN 978-3-85435-530-5