COSTA RICA: Erfolg gegen Staudämme

von Roland Spendlingwimmer,Longo mai, Finca Sonador, 22.05.2017, Veröffentlicht in Archipel 259

Am 14. März 2017, dem «Internationalen Aktionstag für die Flüsse»*, versammelten sich im Dorf San Rafael im Süden von Costa Rica Vertreter von regionalen Komitees gegen Staudammprojekte, Studierende, Ökologieorganisationen und sozial engagierte Gruppen, um die letzten Erfolge im langen Kampf gegen die unzähligen Staudammprojekte, die seit der Öffnung des Energiesektors errungen wurden, zu feiern und zu besprechen, was weiter zu tun ist.

Von den sechzehn Projekten, die in der Periode von 2012 bis 2014 bei der Prüfungsstelle für Umweltverträglichkeit, SETENA, um eine Lizenz ansuchten, mussten acht auf Grund des heftigen Widerstandes der Bevölkerung definitiv archiviert werden. Darunter die Projekte Monteverde I und Monteverde II, welche die beiden Flüsse Rio Convento und Rio Sonador der Kooperative Finca Sonador von Longo maï betrafen. Letzte Woche kam dann das Projekt Altamira zu Fall. Das Komitee «Rios Vivos» (lebendige Flüsse), das seit gut drei Jahren an der Spitze der Bewegung gegen die Staudämme aktiv ist, äusserte sich dazu: «Mit dem Fall des Projektes Altamira konnte einer unserer schönsten Flüsse der Region gerettet werden. Dieser Fluss bietet in einer tief eingeschnittenen Felsenschlucht eine einmalige Badestelle und einen beeindruckenden Wasserfall. Von der Finca Sonador in nur ca. 2 Stunden zu Fuss erreichbar, ist dieser Ort für Einheimische und Besucher zu einer grossen Attraktivität geworden. Das geplante Projekt hätte diesem Fluss 90 Prozent des Wassers entnommen.»
Lohnender Widerstand
Die letzten Projekte in der Region, die an dem Treffen in San Rafael im Zentrum der Diskussionen standen, sind «El Consuelo» in der Nähe von Buenos Aires, 30 Kilometer südlich der Finca Sonador und das Projekt von San Rafael, 20 Kilometer südlich von San Isidro, wo die Zusammenkunft stattfand. An beiden Orten gibt es starken sozialen Widerstand. Die Bevölkerung ist zu 80 Prozent dagegen. Beide Projekte wurden von der Firma H. Solis, einer der grössten Baufirmen Costa Ricas, geplant. H. Solis hat mit dem costarikanischen Staat mehr als 50 Prozent der Verträge für den Unterhalt des nationalen Strassennetzes. Diese Verträge belaufen sich auf 247 Millionen Dollar.
Die Gewinne der Firma sind so gross, dass H. Solis sich entschlossen hat, in neun Wasserkraftprojekte zu investieren. San Rafael und El Consuelo sind zwei davon. Bezüglich «El Consuelo» gibt es jedoch gute Nachrichten: Ende März erklärte die staatliche Organisation für Wasser, AyA, dass der Rio Cañas im Kanton von Buenos Aires, den Solis für das Projekt «El Consuelo» nutzen wollte, für eine neu geplante Trinkwasserversorgung der Region (38‘000 Personen) von vitaler Bedeutung sei und eine zusätzliche Nutzung für Stromerzeugung nicht in Frage käme. Damit ist das Wasserkraftprojekt «El Consuelo» praktisch gestorben.
Zusätzlich zu diesen Erfolgen im kämpferischen Süden sind auch in anderen Regionen sechs Projekte zu Fall gekommen. So die Projekte Las Vegas und Bijagual, die Flüsse Pacuare und Savegre im pazifischen Raum und Acosta, Upala, Coto Brus und Sarapiqui im Atlantikgebiet, wo Moratorien erklärt wurden.
Bereits im Jahr 2014 erklärten die Komitees, ökologische Organisationen und ein gutes Dutzend Gemeinden im Rahmen eines nationalen Dialogs zur Energiefrage ein Moratorium für Staudämme: «Nach 30 Jahren Kampf erklären wir von unserer Seite ein Moratorium für alle Projekte der Ausbeutung der Natur und der Flüsse. In der Zwischenzeit müsste allen klar geworden sein, dass weder die staatliche Elektrizitätsgesellschaft (ICE) noch die privaten Betreiber beweisen konnten, dass die geplanten Wasserkraftwerke den realen Notwendigkeiten der Bevölkerung von Costa Rica entsprechen.»
Weg von Agrar-Giften!
Auch an einer anderen Front hat sich der Süden Costa Ricas, im speziellen der Kanton von Pérez Zeledón, in dem 150‘000 Menschen leben, ausgezeichnet. Der Gemeinderat von San Isidro beschloss am Dienstag, den 6. April 2017 einstimmig, den Kanton frei von Pestiziden und Herbiziden zu erklären. Eine Pionierleistung, die dem starken Druck der Ökologiebewegung, der Biobäuerinnen und Biobauerngruppen und organisierten Dorfgemeinschaften zu verdanken ist. Pérez Zeledón ist der erste Kanton von ganz Costa Rica, der diese Entscheidung getroffen hat. In der Praxis heisst das, dass alle öffentlichen Plätze, Schulareale, Strassen- und Wegränder, Friedhöfe usw. nicht mit Herbiziden behandelt werden dürfen. Costa Rica ist eines der Länder in Lateinamerika mit sehr hohem Import von Agro-Chemikalien. In den letzten zehn Jahren stieg dieser um 312 Prozent! Jährlich werden 8‘000 Tonnen davon importiert. Darunter immer noch massiv Glyphosate. «Rios Vivos» und alle anderen Kräfte, die hier im Süden zusammenarbeiten, haben wieder einmal klar gemacht, dass, sobald sich die lokale Bevölkerung organisiert und die Kontrolle über ihre Regionen übernimmt, der grenzenlosen Ausbeutung der Naturreichtümer erfolgreich Einhalt geboten werden kann.

*Der 14. März, Internationaler Aktionstag gegen die Staudämme, geht auf das Jahr 1997 zurück, als in Curitiba (Brasilien) zum ersten Mal Aktivist_innen, Ökolog_innen, Vertreter_innen von bedrohten Dorfgemeinschaften und Indigene zusammen kamen, um sich über Massnahmen gegen die Staudammprojekte auszutauschen. Seit diesem Tag werden jedes Jahr weltweit am 14. März Aktionen für den freien Lauf der Flüsse veranstaltet. 2017 gab es simultan 123 Aktionen in 43 Ländern.