FOS-SUR-ME : Müllberge 3. Teil: Alternativen

von Jean Duflot (Radio Zinzine), 18.06.2007, Veröffentlicht in Archipel 149

Angesichts der ständig wachsenden Müllmengen und deren schädlichen Auswirkungen gibt es keine andere Lösung, als Alternativen zu traditionellen Müllbeseitigungsmethoden zu finden. Der Rechtsstreit um die Müllverbrennungsanlage von Fos-sur-Mer könnte Anlass zu Neuerungen sein.

Unabhängig vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs, wirft die Protestbewegung also gleichzeitig das Problem von alternativen Methoden und Vorbeugungsmaßnahmen auf.

Es gilt, auf der Ebene des Angebots und der Nachfrage, der industriellen Produktion und des Konsums, energisch einzugreifen.

Hörte man auf den gesunden Menschenverstand, so müssten zuallererst die Strategien der meisten Industriebetriebe

Die Orientierung der Unternehmen stammt aus den zuständigen Ministerien (Industrie, Finanzen, Umwelt), hängt aber auch vom Bewusstsein der Verbraucher ab, die in der Folge für die Verschwendung verantwortlich sind, welche durch die Logik des Marktes entsteht. Im ersten Fall fällt dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, die industrielle Dynamik streng zu kontrollieren. Im zweiten Fall geht es um den «ökologischen Reflex» gegen die fetischistische Faszination für einen Pseudo-Überfluss, der durch die Werbung noch verstärkt wird. Hier ist Information und Erziehung angesagt. Dem für seinen Lebensraum verantwortlichen Bürger würde kein Zacken aus der Krone fallen, wenn er seinen Mistkübel besser verwaltete.

Zwischen dem Gesetzgeber und uns liegt das unergründliche Räderwerk der repräsentativen Demokratie. Seit den 1970er Jahren hat ein undurchdringliches Dickicht von Prozeduren das Problem von Hunderten Empfehlungen, Direktiven, Dekreten, Entscheidungen, Reglementierungen überwuchert, zum Teil, um eine partielle und schrittweise Abschaffung der Verbrennungsanlagen hinauszuschieben. Zweifelsohne gab es Fortschritte auf juristischer Ebene. Aber die Direktiven der Bürokraten haben den Grund des Problems nicht erfasst, und wir sind noch immer weit von der endgültigen Abschaffung der Verbrennungsanlagen entfernt. Die Maßnahmen, um Produzenten und Verbraucher zur Verantwortung zu ziehen – die lokalen Überwachungskommissionen, die Steuern für Umweltverschmutzung, die Mülltrennung, das Verbot bestimmter giftiger Substanzen (Asbest, Quecksilber, Blei usw.) bei der Herstellung gewisser Produkte und die Kampagnen für umweltgerechte Verpackungen unterstützen im Grunde die massive Eliminierung.

Heute wird die Umweltkommission in Brüssel dem Parlament vorschlagen, frühere Gesetze zu ändern (1975, 1992). Die fünf Ebenen – Vorbeugung, Wiederverwendung, Wiederverwertung, Energievalorisierung, Eliminierung – sollen revidiert und eine Vermischung aus den beiden letzten gefördert werden, was einer Neuauflage der globalen Verbrennungspolitik entspricht. Damit ein massiver Widerstand die Tendenz umkehrt, müssten die Proteste gegen gesetzliche Zwänge von einer konkreten Praxis im ganzen Land begleitet sein.

Einem Dossier der Schweizer Zeitschrift «Durable » (Nr. 22) über die Müllpolitik in Frankreich zufolge, hinkt der Rekordhalter der Verbrennungsanlagen innerhalb der EU (130 Anlagen und 16 Projekte) weit hinter den anderen Mitgliedern her, was Alternativen betrifft:

Trennung, Wiederverwertung, Kompostierung von Abfällen auf Gemeindeebene: Nur 20 Prozent gegenüber 46 Prozent in der Schweiz, 56 Prozent in Deutschland, in Belgien…

Die niedrige Bevölkerungsdichte Frankreichs, welche die Kosten für die Müllabfuhr erhöht, genügt nicht, um diese «kulturelle Besonderheit» Frankreichs zu rechtfertigen. Die Reden der Umweltministerin über die «Schwierigkeit der Massenpädagogie» stehen im Widerspruch zu einer Umfrage, bei der sich eine große Mehrheit für die Mülltrennung aussprach. Es zeigt sich fehlender politischer Wille, wenn es um Alternativen geht. Versuche auf lokaler Ebene haben gezeigt, dass sich die strikte Kontrolle von Mülltrennung, -abfuhr, Wiederverwertung etc. günstig auf die Umwelt auswirkt. In Fougères (Departement Ille-et-Vilaine) wurden während einem Jahr die Auswirkungen von 70 Vorschlägen für den täglichen Gebrauch getestet (keine Plastiksäcke, keine Fertiggerichte, keine Werbung im Briefkasten, Wasser aus dem Hahn, Kompostierung etc.) Das Ergebnis: 44 kg Müll pro Einwohner statt 250.

In zahlreichen Ländern, in denen die Müllverbrennung zurückgeht, schaffen Sortieren, Abfuhr und Wiederverwertung von Abfällen sogar Arbeitsplätze. Eine Studie mit dem Titel Insinération des déchets ménagers, la grande peur («Verbrennung von Hausmüll, die große Angst», Verlag Cherche-midi , 2005) schätzte die Zahl der in den Verbrennungsanlagen Beschäftigten auf 6000 im Jahr 2002. 2006 sind es nur noch 4-5000. 1996 entwarf Robin Murray, ein Experte der London School of Economics , in einem Bericht ein Wiederverwertungsprogramm, das 50.000 Arbeitsplätze in Großbritannien schaffen könnte – 15.000 bei Abfuhr und Sortieren, 25.000 bis 40.000 bei Vernichtung oder Verwertung. Der Bericht des World Watch Institute 1991 evaluierte, dass die Transformation von einer Million Tonnen Abfälle der Stadt New York 60 Arbeitsplätze auf einer Müllhalde schaffen würde, 100-250 bei Verbrennung, 300 für die Kompostierung und 400-590 für die Verwertung. Diese Zahlen geben eine ganz pragmatische Idee von den Vorteilen einer radikalen Konversion des industriellen Prozesses. Die Müllverwertungsanlage Zabbaleen in Kairo, von der 50.000 Personen leben, ist eines von vielen Beispielen in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Der Beweis, dass man aus einer Notwendigkeit eine Tugend machen kann.

2005 konnten durch das Aussortieren von Verpackungen 313.000 Tonnen Stahl wieder verwertet werden. Jede wieder verwertete Tonne erspart 1 Tonne Eisenerz. Die Wiederverwertung von Aluminium (14.000 Tonnen Verpackungen) hat die Energie für dessen Herstellung um 95 Prozent gesenkt. Die Wiederverwertung von 1,2 Milliarden Kartonverpackungen für Nahrungsmittel hat 2,4 Milliarden Tonnen Holz erspart, die von Papier- und Kartonverpackungen (393.000 Tonnen) 2,5 Tonnen Holz pro verwertete Tonne, die Kollekte und Wiederverwertung von 6 Milliarden Plastikverpackungen 140.000 Tonnen Erdöl. Ebenfalls Material- und Energiegewinn durch die Verwertung von 5 Milliarden Glasflaschen. In den Ländern, in denen die Müllverbrennungsanlagen am heftigsten bekämpft werden, gibt es immer mehr Kompostierungsanlagen in Verbindung mit der biologischen Landwirtschaft (über 50 in Deutschland) – kontrollierte Methanisierung, Würmerkulturen etc. Eine einfache Sache auch für Hobbygärtner.

Zitieren wir noch eine Studie einer deutschen Untersuchungskommission, die besagt, dass «die Wiederverwertung und Kompostierung von nur 52 Prozent von Papier, Glas, organische Verpackungen und Müll, d.h. ein kleiner Teil aller europäischer Abfälle, eine Reduzierung von etwa dem Gegenwert von 20 Millionen Tonnen CO2 bis 2020 in Europa ermöglichen würde.»

Noch eine Bemerkung zum Abschluss: Werden die Vereinigungen oder die einfachen StimmbürgerInnen, die in diesem den lokalen Rahmen sprengenden Streit engagiert sind, ihre Rolle im Wahlkampf wahrnehmen? Alle Kandidaten machen große Versprechungen – wäre es nicht an der Zeit, von ihnen zu verlangen, das Projekt Fos-sur-Mer definitiv zu begraben?