FRANKREICH Widerstand im Dorf

von Le hérisson vengeur8, 09.06.2014, Veröffentlicht in Archipel 226

Bure, eine französische Gemeinde im Département Meuse in der Region Lothringen, ist das Dorf welches von ANDRA1 im Jahr 2000 für die Errichtung ihres «laboratoire de recherche souterrain»2 ausgewählt wurde. Das EBF hat in Südfrankreich wiederholt Veranstaltungen mit Aktivist_innen aus Bure organisiert.

Frankreich produziert seit 50 Jahren radioaktive Abfälle durch den Bau von Atombomben, die Gewinnung elektrischer Energie und den Betrieb atomar angetriebener U-Boote zum Bombenwerfen. 1979 hat die CEA3 ANDRA ins Leben gerufen um sich ganz speziell um das strahlende Erbe zu kümmern. 1986 stellte ANDRA vier potenzielle unterirdische Endlagerorte vor. Aber schon damals wurde bemerkt, dass nicht die Bodenbeschaffenheit ausschlaggebend für die Wahl des Standortes sein würde, sondern das Einverständnis der betroffenen Bevölkerung.
In allen betroffenen Gemeinden gab es Widerstand und so änderte ANDRA ihre Strategie 1991. Jetzt ging es nur noch um «Versuchslabore». Außerdem gab es Versprechen über sehr viel Geld und für neue und sichere Arbeitsplätze. Es wurde versichert, dass an mehreren Standorten solche «Labore» realisiert würden um später einen davon auswählen zu können. Doch gegen ihre Erwartungen, ließen sich die Bewohner_innen an den verschiedenen Orten nicht einkaufen.
Und warum Bure? Die Dichte von nur 7 Ein-wohner_innen pro Quadratmeter und die zweistelligen Millionenbeträge die an die Gemeinde, Privatpersonen und Vereine flossen, halfen 1999 bei der Errichtung eines Versuchslabors. An allen anderen vorgeschlagenen Standorten formte sich zu starker Widerstand der lokalen Bevölkerung und damit ist Bure die einzige, sprich die letzte Möglichkeit geworden. Entweder ANDRA baut dort ein Endlager oder das Projekt einer großen, zentralen Atommülldeponie muss als gescheitert angesehen werden. Damit ist klar, Bure ist nicht zwingend die beste Möglichkeit, sondern die politisch einzig durchsetzbare.
Es wurde immer wieder versprochen, es handle sich nur um ein Versuchslabor, aber 2006 gab es eine Gesetzesänderung bezüglich der Verwahrung von Atommüll, in der plötzlich von einem «Übergang zur Phase der industriellen unterirdischen Einlagerung» gesprochen wurde, ohne jedoch Bure direkt zu benennen.
Dieses Gesetz wurde nur von 19 der 577 Parlamentsabgeordneten befürwortet! Was ANDRA als die Lösung präsentiert und Cigéo, (Centre Industriel Géologique, industriell-geologisches Zentrum) nennt, ist die unterirdische Einlagerung von Atommüll in einer 500 Meter tief gelegenen Lehmschicht.
Die Verneinung der Demokratie Nach der europäischen Konvention von Aarhus muss es bei solch großen Projekten eine öffentliche Debatte geben. Die Ergebnisse der Ersten (2005) wurden komplett ignoriert und die Zweite (2006) war laut ANDRA und CNDP4 nur konsultativ. Das wurde von einigen Bewohner_innen nicht einfach so hingenommen und manche schlichen sich in die geschlossene Versammlung ein um ihren Argumenten Gehör zu verschaffen, andere blockierten die Eingänge mit Sitzblockaden.
Die beiden Aktionsformen ergänzten sich gut und konnten alle Schwächen des Projekts aufzeigen. Das war 2013 und bis heute sind die Ergebnisse der Anhörung nicht öffentlich zugänglich.
Sich gegen das Eingraben von Atommüll wehren Von den katastrophalen Bedingungen des Uranabbaus, bis hin zum Schweigen der lokalen Politiker_innen, ist Atomkraft inakzeptabel. Mit all den Krankheiten die diese Technologie provoziert, schafft sie mehr Probleme als sie vorgibt zu lösen. Und schlimmer noch: mit ihrer Omnipräsenz blockiert sie die Verwirklichung von existierenden Alternativen.
In den Reihen der Opposition gibt es Menschen aus allen Milieus, auch Abgeordnete, Wissen-schaftler_innen, Jurist_innen und Parteifunktionär_innen. Sie alle wissen, dass die Demokratie gegenüber der französischen Atomlobby einknickt. Wir haben wissenschaftliche und technische Argumente gegen die unterirdische Einlagerung und wir danken allen Menschen die sich die Zeit genommen haben, die Akten über das Projekt zu durchforsten und sie in eine allen verständliche Sprache zu übersetzen. Diese Informationen haben unsere Wut geschürt und uns die Angst genommen den sogenannten Experten gegenüber zu treten, «Nein» zu sagen und nicht weiter in blindem Vertrauen zu verharren. Trotz des ständigen, arroganten Geredes von unserer angeblichen Unfähigkeit die wissenschaftlichen Gegebenheiten zu verstehen. Mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen, der Veröffentlichungen von Zeitungen und Infoständen, versuchen wir der Atompropaganda etwas entgegen zu setzten.
Aber was soll mit dem Müll geschehen? Nichts machen heißt machen lassen. Selbst wenn wir uns einig sind, dass wir uns nicht immer alles aussuchen können, so gibt es doch Dinge, die unter keinen Umständen akzeptiert werden dürfen. Uns wird häufig vorgeworfen, dass wir keine Vorschläge für den Verbleib des Atommülls machen. Aber ist es an uns, dafür eine Lösung zu finden? Ja, klar muss etwas mit diesem Abfall gemacht werden, deshalb sind wir ja auch dagegen, ihn unwiderruflich unter die Erde zu bringen. Und wenn die Regierumg eine gesunde Zukunft für die kommenden Generationen absichern wollte, wäre der erste Schritt dahin, die Atomkraftwerke zu schliessen. Uns ist die Komplexität des Problems durchaus bewusst und wir wissen um die Gefahren, die der Atommüll auch für die Zukunft birgt.
Um eine vernünftige Entscheidung fällen zu können braucht es objektive Vorschläge und ein demokratisches Vorgehen.
Haus des Widerstandes Seit 20 Jahren gibt es verschiedene Vereine und Gruppen die sich vor Ort gegen das Projekt von ANDRA wehren. Im Dorfkern von Bure haben Atomkraftgegner_innen aus Frankreich und Deutschland 2004 ein altes Gehöft gekauft, es renoviert und das Haus des Widerstandes gegen den Atommülleimer in Bure entstehen lassen. Es wird von dem Verein Bure Zone Libre5 verwaltet dem ein deutsch-französisches fünfzehnköpfiges Co-Präsident_innenkollegium vorsitzt. Der Verein ist frei und unabhängig. Er bekommt keinerlei staatliche Subventionen und lebt ausschließlich von privaten Spenden und den Beiträgen ihrer Mitglieder, Sympathisant_innen und befreundeten Gruppen. Das Haus ist seit seiner Entstehung selbstverwaltet und wird von den unterschiedlichsten Leuten, manchmal für ein paar Tage manchmal für einige Monate, lebendig gehalten. Die Tür steht allen offen, es gibt noch viel zu tun und neue Ideen sind herzlich willkommen!
Die Ziele von Bure Zone Libre - Andere Möglichkeiten aufzuzeigen, sich zu organisieren und zusammen zu leben.

  • Logistische Hilfe für diverse Aktionen gegen Atomkraft anzubieten und lokalen Gruppen die Möglichkeit zu geben sich besser zu vernetzen.
  • Einer breiten Öffentlichkeit Informationen über die Atomindustrie und ihre Abfälle zugänglich zu machen und Möglichkeiten Alternativer Energiergewinnung aufzuzeigen.
    Nationaler und internationaler Widerstand Was mit dem Atommüll geschieht ist eine nationale Angelegenheit und viele Menschen sind solidarisch mit uns und nicht einverstanden mit der nuklearen Gesellschaft. Ein informeller Zusammenschluss von Aktivist_innen, l’assemblée anti-nucléaire du grand tEst 6, schlägt vor sich an Gorleben 365 ein Beispiel zu nehmen und während eines Jahres eine dezentrale Aktionskampagne durchzuführen.
    Cigéo zu blockieren heißt, die atomare Maschinerie zu entwaffnen und zum Stillstand zu bringen. Das Ziel ist es mit möglichst vielen Gruppen an allen möglichen und unmöglichen Orten während eines Jahres verschiedene Aktionen zu machen. Nach unserem Kalender und ohne ihre Spielregeln. Unsere Kampagne ist mit allen Aktionsformen solidarisch, sei es ziviler Ungehorsam, juristische Spitzfindigkeiten, direkte Aktionen, nur verletzt soll niemand werden. Die Kampagne Bure 365 startet am letzten Maiwochenende 2014. Um eine Aktion anzukündigen, reicht es eine Mail an nocigeo(a)riseup.net zu schicken. Sie wird dann auf dem Blog nocigeo.noblogs.org veröffentlicht
    Es gibt zwar schon ein Forschungslabor in Bure, aber noch keine radioaktiven Abfälle. Noch ist nichts für immer unter die Erde gebracht worden und der Widerstand gegen Cigéo ist unsere Antwort auf ein System das nur auf Gewinnmaximierung für die Akti-onär_innen basiert.
    Also treffen wir uns möglichst oft um Pläne zu schmieden, sie umzusetzen und uns zu unterstützen. Eine Hoffnung ohne klaren Verstand ist nur ein Traum. Aber ein klarer Verstand ohne Hoffnung ist ein Aufgeben. Und Aufgeben kommt nicht in Frage!
    Wenn ihr uns besuchen wollt, mehr Informationen braucht, oder schriftliche Dokumentation, Ton- oder Filmmaterial, meldet euch einfach bei uns7.
    Le hérisson vengeur8
  1. ANDRA: Nationale Agentur für das Management radioaktiver Abfälle
  2. Unterirdisches Forschungslabor
  3. CEA: Commissariat à l’énergie atomique. (Atomenergierausschuss). Seit 2010 auf alternative Energien erweitert um sich auch auf diesem Feld betätigen zu können. CEA ist staatlicher Hauptaktionär von Areva.
  4. Commission Nationale du Débat Public (Nationale Kommission für die öffentlicheDebatte)
  5. Freie Zone Bure
  6. Versammlung der Atomkraftgegner_innen im Osten Frankreichs
  7. Maison de résistance contre la poubelle nucléaire, 2 rue de l’église, 55290 Bure
    03 39 45 41 77, leherissonvengeur(a)gmail.com
  8. Der rächende Igel
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