LAUTSPRECHER: Das No-Border-Netz

09.11.2004, Veröffentlicht in Archipel 121

Das No-Border-Netz dient allen Gruppen und Basis-Organisationen, die mit MigrantInnen und Asylsuchenden arbeiten. Gemeinsam mit ihnen kämpfen wir für Reisefreiheit, Niederlassungsfreiheit, gegen Repression und die zahllosen Kontrollen, die immer neue Grenzen innerhalb unserer Länder aufbauen. Im Gegensatz zu Lobbyisten und NGOs besteht das No-Border-Netz aus Gruppen von Basis-Aktivisten und will auch so bleiben.

Bei den zweimal jährlich stattfindenden Treffen und über eine Mailingliste koordinieren sich die Gruppen.Das No-Border-Netz wurde ins Leben gerufen, als in mehreren europäischen Ländern ähnliche Kampagnen zusammenliefen. Papierlose Ausländer hatten begonnen, sich zu organisieren und mit Besetzungen - insbesondere von Kirchen - Aktionen und Demonstrationen auf sich aufmerksam zu machen. Zu den wichtigsten Forderungen der Papierlosen zählten Reisefreiheit, Dokumente für alle, Aufhebung rassistischer Gesetze und Abschiebungsstop.

Das No-Border-Netz entstand 1999, als im Oktober beim Europa-Gipfel in Tampere ein weiterer Schritt zur Verwirklichung der «Festung Europa» getan wurde. Viele Gruppen haben in acht europäischen Ländern zu Demonstrationen gegen diesen Gipfel aufgerufen und gegen die zusätzlichen Kontrollen, Verhaftungen und Abschiebungen protestiert.

Daraufhin fand im Dezember 1999 in Amsterdam das erste No-Border-Treffen statt, wo die erste Mailingliste erstellt wurde. Sie ermöglicht vielen Basisgruppen auch außerhalb Europas, ihre Aktionen zu koordinieren, Informationen auszutauschen und über Migration und Grenzen zu diskutieren. Im No-Border-Netz arbeiten wir gegen alle Formen von Ausbeutung und Ausgrenzung. Wir streben neue Formen der Zusammenarbeit und des Widerstandes an. In einer emanzipatorischen, antikapitalistischen Perspektive wollen wir eine Plattform für den Informations- und Erfahrungsaustausch von Gruppen und Einzelpersonen sein, die in unterschiedliche politische Kämpfe involviert sind. Wir arbeiten auch mit selbstorganisierten MigrantInnengruppen zusammen. Wir wollen Menschen mit unterschiedlicher politischer Praxis und regionaler Erfahrung in Kontakt bringen. Die fünf wichtigsten Arbeitsbereiche der No-Border-Aktivitäten sind:

Das Bündnis gegen Abschiebungen Das Bündnis verbindet die Kampagnen gegen Fluglinien, die sich am Ausschaffungsgeschäft beteiligen. Die Aktionen gegen die wichtigsten Fluglinien (Lufthansa, Air France, Swiss, Sabena, British Airways, Iberia …) waren sehr erfolgreich, und in mehreren Ländern konnten so Abschiebungen verhindert werden. Die Passagiere haben nach Gesprächen durchgesetzt, dass die MigrantInnen wieder von Bord gingen. Seither sind einige Fluglinien zumindest offiziell nicht mehr bereit, Abschiebungen durchzuführen. 1

Die Border-Camps An den Grenzen der EU haben wir viele Camps organisiert: in Polen, der Ukraine, der Slowakei, Deutschland, Sizilien, Spanien und auch an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Im Jahr 2001 nahmen mehr als 1000 Personen an einem Camp in der Nähe des Frankfurter Flughafens teil. Mit diesen Camps protestieren wir gegen die Grenzen, welche die Abschiebung von MigrantInnen erst möglich machen. Auf den Camps haben die verschiedenen Gruppen Gelegenheit, bei Diskussionen, Kulturveranstaltungen und Festen miteinander in Kontakt zu treten. Im Juli 2002 wurde in Straßburg, dem Sitz des Schengener Informationssystems SIS, ein Camp organisiert, wo sich mehr als 2000 Leute versammelten. Das Überwachungssystem SIS ist eine Datenbank mit zehntausenden Terminals in ganz Europa. Es erfasst nicht nur MigrantInnen, sondern auch alle «verdächtigen» Individuen. 2

Internationale

Aktionstage rund um den 15. Oktober An diesen Tagen werden in möglichst vielen Ländern gleichzeitig Aktionen zum gleichen Thema veranstaltet. Der erste Aktionstag fand während des Gipfels von Tampere statt, als das No-Border-Netz gegründet wurde.

Die Kampagne gegen das globale Flüchtlings-Management Dank der Anwesenheit vieler osteuropäischer Länder im No-Border-Netz konnten wir das Problem des IOM (International Office of Migrations) und des internationalen Flüchtlings-Managements auf die Tagesordnung setzen. Das IOM versteht sich selbst als Manager der Migration: Internierung und Abschiebung von ImmigrantInnen, die den Regierungen nicht genehm sind, Rekrutierung und Ausbeutung von Arbei-terInnen, die als zeitweise ökonomisch nützlich angesehen werden. Das IOM hat die Kontrolle über Migrantinnen aus der Ukraine und anderen osteuropäischen Ländern. Es ist auch in anderen Teilen der Welt aktiv. 3

Der Kampf gegen Abschiebung, Internierung und andere Formen von Freiheitsentzug Gefängnisse, geschlossene Lager, erzwungene Aufenthaltsorte. In mehreren Ländern innerhalb und außerhalb Europas wurden Aktionen durchgeführt: Demonstrationen auf Flughäfen und in der Nähe von Internierungslagern, Fluchthilfe, Zerstörung von Zentren, Verhinderung der Errichtung neuer Lager.

Auf den Mailinglisten zirkulieren viele Aufrufe für Aktionen in zahlreichen Ländern. Wir versuchen, diese Aktivitäten zu koordinieren und bringen damit als wesentlichen Bestandteil des No-Border-Projektes unsere grundlegende Kritik an der Flüchtlingspolitik zum Ausdruck. Unsere Arbeit besteht im ständigen Vernetzen und Austauschen von Informationen. Wir wollen damit Strukturen für einen praktischen und effektiven Widerstand schaffen.