LAUTSPRECHER / UKRAINE: Offener Brief an das Internationale Olympische Komitee

von Lukas Straumann (BMF) und Nick Bell (EBF), 15.11.2021, Veröffentlicht in Archipel 308

Rettet die Karpaten - Keine Olympischen Winterspiele in der Ukraine!

Das Europäische BürgerInnen Forum engagiert sich seit mehreren Jahren gegen die Zerstörung des Swydowetz-Massifs in den ukrainischen Waldkarpaten. Ein einmaliges Naturgebiet soll einem immensen Ski-Resort und damit den Interessen dubioser Investoren geopfert werden. Leider unterstützt die ukrainische Regierung dieses Unterfangen und will die Olympischen Winterspiele in die Region holen – eine Tatsache, welche die Zerstörung von Swydowetz vorantreiben wird. Deshalb richtet sich der folgende Brief (Original auf Englisch) an das Internationale Olympische Komitee:

An Fürst Albert II. Internationales Olympisches Komitee Präsident der Kommission für Nachhaltigkeit und Vermächtnis Château de Vidy 1007 Lausanne Schweiz

Basel, 1. November 2021

Eure Exzellenz,

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, schreiben Ihnen, um unsere grosse Besorgnis über die Umwelt- und Korruptionsrisiken im Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen zum Ausdruck zu bringen, die der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky bei Gesprächen mit dem IOC-Vorsitzenden Thomas Bach während seines jüngsten Besuchs in der Ukraine ankündigte. Insbesondere befürchten wir, dass massive Bauprojekte, die derzeit in den ukrainischen Karpaten geplant sind, eines der letzten herausragenden Naturgebiete Europas, in dem sich auch einige UNESCO-Welterbestätten befinden, irreversibel schädigen würden.

Die ukrainische Regierung nutzt die Debatte über mögliche Winterspiele in den Karpaten, um äusserst schädliche Megaprojekte zu rechtfertigen, die mit den Interessen von Oligarchen verbunden sind und erhebliche Risiken von Umweltzerstörung und Korruption bergen. Diese Projekte stehen in keiner Weise für eine nachhaltige Entwicklung und sie passen nicht zu den olympischen Idealen.

  • Die fraglichen Gebiete liegen allesamt unterhalb von 2000 Metern, was sie in Zeiten des Klimawandels für Winterspiele ungeeignet macht.
  • Die geplanten Mega-Resorts in Swydowetz und Borzhava basieren nicht auf bestehenden Infrastrukturen und Gemeinden. Stattdessen würden sie inmitten weitgehend unberührter Naturlandschaften in einem äusserst empfindlichen Gebirgsökosystem errichtet werden.
  • In diesen Gebieten mit herausragender Artenvielfalt leben Dutzende von gefährdeten Pflanzen- und Tierarten, darunter eine Reihe endemischer Arten.
  • Schon heute ist die ausreichende Wasserversorgung in der Region ein grosses Problem. Eine gerechte und ausgewogene Wasserbewirtschaftung würde angesichts des massiven Wasserverbrauchs der Resorts zu grossen Konflikten mit den lokalen Gemeinschaften führen.
  • In Erwartung des Baus der Resorts und des damit verbundenen Anstiegs der Grundstückspreise haben lokale Würdenträger und politisch gut vernetzte Personen bereits damit begonnen, sich illegal Land in den geplanten Resort-Gebieten anzueignen.
  • Im Zusammenhang mit den laufenden Plänen für ein riesiges Resort im Swydowetz-Massiv in der Region Yasinya verstösst die Ukraine gegen die Aarhus-Konvention (1) und die Espoo-Konvention (2). Im März 2019 eröffnete das Sekretariat der Espoo-Konvention nach einer Beschwerde Ungarns ein Verfahren zu diesem Thema. Bis heute hat die Ukraine die von Ungarn aufgeworfenen Fragen zu den grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen des Swydowetz-Projekts nicht offiziell beantwortet.
  • Die Pläne für die Ferienanlage sind mit Personen verknüpft, die eine äusserst fragwürdige Erfolgsbilanz in Bezug auf die Unternehmensführung und die Einhaltung ordnungsgemässer Verfahren aufweisen.

In seinem letzten Jahresbericht über die Umsetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit der Ukraine, der am 11. Februar 2021 angenommen wurde, übt das Europäische Parlament deutliche Kritik an dem „rechtswidrigen Projekt des Wintersportgebiets in Swydowetz“ und „legt der Ukraine nahe, in eine umweltfreundliche und ökologisch unbedenkliche und nachhaltige touristische Infrastruktur zu investieren, und fordert die staatlichen Stellen der Ukraine auf, zu verhindern, dass die Umwelt durch künftige Projekte geschädigt wird, indem die staatlichen Stellen die genaue Untersuchung, Transparenz und Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Sorgfaltspflichten verbessern“.

Wir erinnern das Internationale Olympische Komitee an seine globale Verantwortung für die Umwelt, insbesondere im Zusammenhang mit dem UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD). Wir fordern das IOC auf, den weltweiten Kampf gegen die Korruption gemäss dem UN-Übereinkommen gegen Korruption (UNCAC) zu unterstützen und auf die in der Olympischen Charta verankerte Nachhaltigkeit und den Schutz der Umwelt hinzuarbeiten. Aus den oben genannten Gründen fordern wir das Olympische Komitee auf, der ukrainischen Regierung keinerlei Unterstützung für diese höchst problematischen Projekte in den Karpaten zu gewähren und seinen Einfluss geltend zu machen, um sie davon abzuhalten, dieser weitgehend unberührten Bergregion unwiederbringlichen Schaden zuzufügen.

Wir danken Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Mit freundlichen Grüssen,

Dr. Lukas Straumann, Direktor Bruno Manser Fonds, Schweiz Nicholas Bell, Internationaler Koordinator, Forum Civique Européen, Frankreich

Weitere Unterzeichner·innen: Biofuelwatch, GB; Blue Dalian, China; Biofuelwatch, GB; Earthsight, GB; Euronatur, D; Europäisches BürgerInnen Forum, CH; Fern, Belgien; Forum Ökologie und Papier, D; Friends of the Earth, Tschechien; Friends of the Earth, Niederlande; Friends of the Siberian Forests, Russland; Pro Regenwald, D; Protect our Forests, Schweden; Quercus, Portugal; Snow Alliance, China; Wolf Forest Protection Movement, Slowakei

Kopien an: Volodymyr Zelensky, Präsident der Ukraine; Thomas Bach, Präsident, IOC; Inger Andersen, Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP); UNESCO-Welterbekomitee IUCN, Regierung Ungarns

  1. Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, (Aarhus, Dänemark, 1998)
  2. Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, (Espoo, Finnland,1991)