MALI: Der Landkampf in Mali spitzt sich zu

von Afrique-Europe-Interact, 25.06.2016, Veröffentlicht in Archipel 249

Mit Unterstützung von 70 Gendarmen liess der malische Nudel- und Couscous-Hersteller Moulins Modernes du Mali (M3-SA) am 18.06.2010 einen Grossteil der landwirtschaftlichen Nutzflächen der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou beschlagnahmen.

Über 40 Personen wurden verhaftet, acht blieben fast sechs Monate in Haft. Später folgten nächtliche Überfälle auf die beiden Dörfer durch Sicherheitskräfte. Dabei ist es auch zu massiven körperlichen Übergriffen gekommen, mindestens eine Bewohnerin ist an den Folgen verstorben.
Offiziell hat M3-SA mit dem malischen Staat einen Pachtvertrag über das Land geschlossen. Doch das in dem Vertrag nur grob umrissene Gebiet umfasst ganz offensichtlich nicht das Land von Sanamadougou und Sahou (was unter anderem anhand des in dem Vertrag benannten Bewässerungskanals deutlich wird). Vor diesem Hintergrund haben die beiden Dörfer im April eine zehntägige Besetzung auf einem Teil der ihnen geraubten Flächen durchgeführt. Dabei wurden sie nicht nur von mehreren Nachbardörfern aus der Region Sansanding und der bäuerlichen Basisgewerkschaft COPON (Koordination der Bauern im Office du Niger) unterstützt. Vielmehr hat auch das transnationale Netzwerk Afrique-Europe-Interact die Proteste politisch und finanziell mitgetragen: Konkret waren ca. 40 Aktivist_innen aus Bamako vor Ort, zudem hat sich die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact mit einer Protestkampagne an die malische Regierung und die Afrikanische Entwicklungsbank gewandt. Denn die Afrikanische Entwicklungsbank hat M3-SA im September 2014 nur unter der Bedingung einen Kredit von 16,8 Millionen Euro für eine Nudelfabrik in Segou gewährt, dass es in dem Landkon-flikt mit Sanamadougou und Sahou kein offenes Gerichtsverfahren mehr gibt. Allein: Die von M3-SA erfolgte Zusicherung, dass alle Gerichtsverfahren abgeschlossen seien, ist falsch. Der von den Dörfern am 22.02.2012 gegen M3-SA begonnene Prozess ist lediglich seit dem 20.12.2012 unterbrochen. Damals hatte das Gericht einen Gutachter zur Klärung des Landkonflikts bestellt. Doch dieser Gutachter ist drei Jahre lang nicht aktiv geworden. Mittlerweile hat er im Januar 2016 erklärt, dass er den Auftrag nicht übernehmen wolle. Hinzu kommt, dass Gelder nur an Einzelpersonen ausgezahlt, nicht aber an die jeweiligen Haushaltsvorstände. Entsprechend liegen auch keinerlei Abtretungsurkunden von Land vor 1.
Verhandlungen
Umso erfreulicher ist es, dass Modibo Keita – der Eigentümer von M3-SA – mittlerweile Gesprächsbereitschaft signalisiert hat. Dabei ist bemerkenswert, dass die seit Anfang Mai laufenden Verhandlungen transnational geführt werden. Denn der Investor spricht nicht nur mit den betroffenen Dörfern und malischen Aktivist_innen von Afrique-Europe-Interact. Vielmehr ist auch die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact beteiligt. Konkreter: Nahezu täglich finden Telefonate zwischen einem Aktivisten von der Longo-maï-Koope-rative Hof Ulenkrug in Deutschland und Modibo Keita statt. Diese Gespräche, die von dem Investor aktiv gesucht werden, dienen teilweise dazu, Botschaften oder Forderungen von den Dörfern an den Investor zu übermitteln (und umgekehrt). Teilweise sind sie aber auch der Ort, wo potentielle nächste Schritte ausgelotet bzw. besprochen werden, wobei die europäische Sektion von Afrique-Europe-Interact alles mit den beiden Dörfern bzw. den Aktivist_innen in Mali abstimmt. Es ist im Moment noch zu früh, die wirkliche Bedeutung dieser flankierenden Gespräche einzuschätzen, aber Fakt ist, dass sie bisher für den Prozess sinnvoll zu sein scheinen.

  1. Afrique-Europe-Interact hat den gesamten Sachverhalt im Februar 2016 in einem offenen Brief an den malischen Präsidenten, an die Afrikanische Entwicklungsbank und an die Deutsche Bundesregierung dargestellt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das «Deutsche Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung» im Dezember 2015 aus unerfindlichen Gründen diverse handfeste Fehlinformationen zu dem Landkonflikt veröffentlicht hat.
    Der Brief ist auf www.afrique-europe-interact.net in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.