Solidarität, aber auch Schikane

von Claude Braun, EBF Schweiz, Amanda Ioset, sosf.ch, 01.03.2019, Veröffentlicht in Archipel 279

An Weihnachten 2018 fand in Bern ein wunderschönes Benefizkonzert zu Gunsten des «Rasthauses für Frauen auf der Flucht» und deren Kinder in Rabat (Marokko) statt. Der Autor und Initiator des Rasthauses, Emmanuel Mbolela, wurde allerdings aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe am 3. Februar 2019 in Lausanne von der Polizei schikaniert.

Seit mehreren Jahren organisiert das EBF Lesereihen mit dem kongolesischen Autor und Aktivisten Emmanuel Mbolela; wir berichten immer wieder im Archipel darüber. Ein ganz aussergewöhnliches solches Ereignis fand letzte Weihnachten in der französischen Kirche in Bern statt: Im Beisein von Emmanuel wurde das vierstündige Weihnachtskonzert «Oratorio» von J.S. Bach gespielt. Es war ein Benefizkonzert für das «Rasthaus für Frauen auf der Flucht» in Rabat. Das Orchester und der Chor verzichteten auf ihre Honorare und die Kollekte bei den mehreren hundert Zuhörer·inne·n ergab die stolze Summe von 12‘000 Franken. Wir möchten an dieser Stelle allen danken, die sich dafür engagiert haben.

In der Deutschschweiz organisierten wir Ende letzten Jahres zum ersten Mal eine Lesereihe, die fast ausschliesslich in Schulen stattfand. Wir haben bei dieser Gelegenheit 600 Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren ansprechen können und sehr grosses Interesse bei diesen Jugendlichen gefunden. Es gab nach dem 30- bis 40-minütigen Beitrag von Emmanuel immer zahlreiche Fragen und Bemerkungen der Schüler·innen. Wir sind fest entschlossen, im kommenden Herbst wieder solche Anlässe zu schaffen und sind froh über jede Einladung. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf, wenn Sie Möglichkeiten sehen, um mitzuhelfen. In der Romandie, dem französisch-sprachigen Teil der Schweiz, hat dieses Mal hauptsächlich der Verein ARAVOH 1, der sich für Asylbewerber·innen in Vallorbe einsetzt, die Lesereihen organisiert. Die nächste findet Ende März statt. (Programm unter www.forumcivique.org) Skandalöser Zwischenfall

Bei der letzten Lesereihe Anfang Februar kam es allerdings zu einem skandalösen Zwischenfall. Emmanuel wurde am Sonntagnachmittag, den 3. Februar, am Hauptbahnhof in Lausanne während 25 Minuten von der Polizei zur Identitätskontrolle festgehalten, obwohl seine Papiere absolut in Ordnung sind und er von uns dringend erwartet wurde, um an die nächste Lesung gefahren zu werden. Von den Hunderten von Menschen, die zur gleichen Zeit auf dem Bahnsteig waren, wurde nur Emmanuel angehalten. Er wusste nicht einmal, mit wem er es zu tun hatte, denn die beiden Polizisten in Zivil hatten ihre Ausweise nur ganz kurz gezeigt und ihm das Mobiltelefon konfisziert.

In der Folge haben wir Protestbriefe an die lokalen und nationalen politischen und polizeilichen Verantwortlichen geschrieben und eine Aussprache und Entschuldigungen verlangt. Als Gastgeber von Emmanuel sind wir empört und wütend über das Vorgehen der Polizei und über diese Praxis der Identitätskontrolle und der Polizeischikanen aufgrund der Hautfarbe der Passant·inne·n. Racial Profiling widerspricht den elementaren Menschenrechten und unserer Verfassung.

Claude Braun, EBF Schweiz

  1. Ökomenischer und humanitärer Verein für Asylbewerber·innen von Vallorbe, www.aravoh.ch

Petition – Solidarität ist kein Verbrechen

Im Januar diesen Jahres hat Solidarité Sans Frontières (Sosf) die Petition «Die Solidarität ist kein Verbrechen» lanciert, in der die schweizerischen Parlamentari-er·innen gebeten werden, die Parlamentsinitiative 18.461 der Nationalratsabgeordneten der Grünen, Lisa Mazzone, zu unterstützen. Die Initiative trägt den Titel: «Schluss mit dem Solidaritätsdelikt». In ihrem Text wird die Änderung des Artikels 116 des Schweizer Gesetzes über Ausländer und Ausländerinnen (AUG) gefordert, «damit Individuen, die ohne Eigeninteresse oder irgendeinen persönlichen Gewinn Geflüchteten Hilfe leisten, nicht mehr kriminalisiert werden». In der Tat können Menschen heute in ganz Europa zu schweren Strafen verurteilt werden (Geld- aber auch Haftstrafen, wie im Fall der «7 von Briançon»), wenn einer Person geholfen wird, die nicht die richtigen Aufenthaltspapiere hat. In der Schweiz ist dies der Tessiner Kantonsrätin Lisa Bosia, der Flüchtlingshelferin Anni Lanz und dem Pfarrer Norbert Valley so ergangen. Die Solidarität muss gefördert und nicht unterdrückt werden! Wir danken allen, die diese Petition unterzeichnen und weitere Unterschriften in ihrem Umkreis sammeln. Die Petition liegt der Schweizer Ausgabe dieses Archipels bei.

Amanda Ioset, sosf.ch