SPANIEN:Kampf um Land und Würde

von Federico Pacheco* Mai 2013, 06.08.2013, Veröffentlicht in Archipel 217

Angesichts der Krise des Kapitalismus und der zunehmenden Monopolisierung, verstärkt die andalusische Gewerkschaft SOC-SAT den Kampf um Land und Rechte der Landarbeiter_innen.

Neue und alte Kämpfe um Land und Würde der Landarbeiter_innen flammen überall im Süden Europas auf. Mit einer Arbeitslosigkeit die an die 40% grenzt, dem Ansteigen der Armut, den sozialen Kürzungen, der erhöhten Ausbeutung der Arbeiter_innen und einer unangemessenen Steigerung der Polizeirepression, haben die Gewerkschaft der Landarbeiter_innen und die Andalusische Arbeiter-Gewerkschaft (SOC-SAT) beschlossen mit neuen Besetzungen, Märschen und Aktionen zur Verteidigung der Arbeitsplätze, der Selbstverwaltung, der bäuerlichen Landwirtschaft und der Ernährungs-Souveränität zu beginnen.

Verschiedene Landbesetzungen

Am 1. Mai sind drei Landbesetzungen in Andalusien durchgeführt worden: in Las Turquillas (Sevilla), La Rueda (Jaén) und Lebrija (Sevilla). Am 10. Mai hat ein neuer Kampf in Almeria begonnen, indem eine Finca mit Treibhäusern von den Immigrant_innen besetzt wurde, nachdem der Unternehmer sie verlassen hatte. Die Besetzung von Somontes (Córdoba) geht weiter und eine Kampagne für Vorschläge und Aktionen gegen die Privatisierung des öffentlichen Landbesitzes Andalusiens und für ein Gesetz zur Verteidigung des andalusischen Agrarerbes ist lanciert worden.
Der Hof von Las Turquillas ist im Besitz des Militärs und eine Fläche von 1.200 Hektar ist dem Reitstall der Armee vorbehalten, auf dem etwa 30 Pferde grasen, welche ohne Probleme auf einer wesentlich kleineren Fläche gehalten werden könnten. In einer Region mit einer derart hohen Arbeitslosenrate, einer Beschäftigungspräekarität und einer hohen Landkonzentration in wenigen Händen, ist es ein Verbrechen wenn so ein Hof nicht dazu dient Reichtum und Biodiversität durch die Hände von Land-arbeiter_innen zu schaffen. Die Besetzung, die von ungefähr 500 Personen durchgeführt wurde, hat ein Zeltlager mit ca. 50 Landarbeiter_in-nen neben dem Gelände, auf dem Militärpersonal residiert, aufgeschlagen. Noch in derselben Nacht des 1. Mai wurde dies durch eine nie da gewesene Polizeiaktion geräumt. Die Landarbeiter zogen sich friedlich zurück, schlugen jedoch ebenfalls in derselben Nacht ein neues Lager auf, diesmal außerhalb der Polizei-Barrière aber doch innerhalb des Hofes. Zwölf Tage des Widerstands folgten, mit großem Echo in den Medien und in der Öffentlichkeit und gipfelten schliesslich am Sonntag des 12. Mai in einer neuen Räumung durch die Guardia Civil, nachdem die Besetzer ein Stück Land mit Salat, Tomaten, Paprika, Wassermelonen und Melonen bebaut hatten.
Las Turquillas wurde schon mehrere male vom SOC besetzt, das letzte Mal im letzten Sommers, während 18 Tagen, mit der Folge dass das Thema über die Absurdität der Militärausgaben und der Latifundien in einem Land, wo Ungleichheit und Armut an der Tagesordnung sind, in die öffentliche Diskussion eindrang. Vor fünf Jahren erzielten die Kämpfe der Land-arbeiter_in-nen dass ein Teil des Hofes, nämlich 300 Hektar an die Gemeindeverwaltung der Stadt Osuna abgegeben wurden. Auf ihne wurden durch soziale Anbauprojekt Beschäftigung für die regionale Bevölkerung geschaffen. SOC-SAT hat angekündigt dass es neue und massivere Besetzungen geben werde bis sich ganz Las Turquillas in den Händen der Arbei-ter_innen befinde.

Soziale Mobilisierung

In der Provinz von Jaén, in der Nähe der Gemeinde von Jódar befindet sich der Hof La Rueda, mit mehr als 300.000 Olivenbäumen die von Landarbeiter_innen gepflanzt und bearbeitet wurden. Dieser Hof ist seit zwei Jahren abgewirtschaftet, nachdem ihn die Bank BBVA beschlagnahmt hatte. Dieses Finanzunternehmen hat sämtliche Maschinen und Einrichtungen wie z.B. die Mühle und die Bewässerungsanlagen abgebaut und weggeschafft, in der einzigen Absicht mit den europäischen Subventionen zu spekulieren und größere Finanzerträge herauszuholen. Am 1. Mai hat SOC-SAT hunderte von arbeitslosen Landarbeiter_innen der Region in einem historischen Marsch zu diesem Hof mobilisiert und ihn dann, inmitten eines riesigen Polizeiaufgebots besetzt. Die Forderung geht an die andalusische Regionalregierung: sofortige Enteignung im öffentlichen Interesse und Übergabe an eine von mehr als 200 Arbeiter_innen bereits gegründete Kooperative in Jódar. Die wegen der Nichtbebauung der Olivenplantage überhand nehmende Vegetation beeinträchtigt nicht nur die Olivenproduktion sondern stellt auch eine große Brandgefahr dar.
Seit dem ersten Tag der Besetzung finden sich täglich an die sechzig Personen auf dem Hof ein um Säuberungsarbeiten, Beschneiden der Olivenbäume und Arbeiten zur Wiederinstandsetzung der Bewässerungsanlagen zu verrichten. Dies muss in kleinen Gruppen geschehen um den häufigen Kontrollen der Guardia Civil zu entkommen. Diese versucht sogar mit Hubschraubern die Landarbeiter aufzuspüren und sie daran zu hindern auf das Gelände zu kommen. Trotz der Repression und des Schweigens der politischen Instanzen wird die SOC den Hof weiterbearbeiten, mit dem Ziel die Erträge der Ernte unter den Arbeiter_innen aufzuteilen und dessen Enteignung zum Allgemeinwohl zu erreichen.
Ebenfalls am 1. Mai hat SOC-SAT einen Marsch zum Hof Valdeojo-Hornillos, mit etwa hundert Personen der Gemeinde Lebrija, in der Provinz von Sevilla organisiert. Ende der achtziger Jahre hatte die Gemeinde dieses öffentliche Land an das Institut für Agrarreform und Entwicklung verkauft mit dem Ziel dort Landarbeiter_innen anzusiedeln. Schlussendlich ging der Hof nun an eine Großgrundbesitzerfamilie namens Mora Figueroa. Nur 94 von 700 Hektar wurden einer Landarbeiter_innen-Kooperative übergeben. Die Gewerkschaft wird weiterhin die «Anti-Agrarreform» denunzieren und von der andalusischen Regionalregierung die Rückgabe dieses Besitzes einfordern, der obendrein von den Großgrundbesitzern nicht einmal bearbeitet wird. Dieses Land muss der Spekulation entzogen werden und in den Dienst der Agroökologie und der ländlichen Beschäftigung gestellt werden. Ein paar Tage davor, am 21. April, hat die Gewerkschaft einen anderen symbolischen Marsch in die Sierra de Yeguas, in der Provinz von Malaga veranstaltet, um die von der Autonomen Regionalverwaltung voran getriebene Politik der Privatisierung von öffentlichen Ländereien zu denunzieren.
Auf der anderen Seite Andalusiens, in Almeria, wo sich die fast 50.000 Hektar Intensivkultur auf industrieller Basis, zum Grossteil unter Plastik befindet, unterstützt die SOC-SAT die Besetzung von 36 Hektaren Treibhäusern durch die Arbeiter_innen nachdem die Unternehmer sie verlassen hatten. Seit dem 10. Mai sind 130 marokkanische Arbeiter auf ihrem Posten auf den Höfen des Unternehmers Simon Sabio geblieben. Dieser Besitz ist auf verschiedene Orte verteilt: La Mojonera, Las Norias, Tierras de Almería und Campohermoso, die meisten davon stehen unter Konkurs. Ohne Elektrizität und Wasser, welche sowohl in den Treibhäusern als auch in den Wohnstätten der meisten Arbeiter einfach abgedreht wurden, haben letztere beschlossen zu versuchen die Tomatenproduktion aufrechtzuerhalten, um die Lohnrückstände von mehreren Monaten begleichen zu können und die Arbeitsplätze zu erhalten. Weder die Konkursverwaltung, noch der Schwager des Unternehmers der den Betrieb verwaltete, konnten eine befriedigende Lösung bieten. Die Gewerkschaft hat einen Unterstützungsaufruf an soziale, politische und landwirtschaftliche Organisationen gerichtet und die Wiederinstandsetzung der Dienstleistungen gefordert um den Anbau in Selbstverwaltung weiterführen zu können. Ebenfalls wird die Enteignung des Besitzes durch die andalusische Regierung eingefordert, um ihn einer Landarbeiter_innen-Kooperative zu übergeben, welche dann diversifizierten, biologischen Anbau für den lokalen Markt betreiben würde.
Sowohl in Almeria als auch in Huelva führt die SOC ihre intensive Arbeit der permanenten Kontrolle und Denunzierung der schlechten Arbeitsbedingungen von zigtausenden Immigranten fort, die dieses industrielle Produktionsmodell den Landarbei-tern_innen aufzwingt. Seit dem 20. Mai hat eine Gruppe von Gewerkschaftern eine große Kampagne in den Erdbeerplantagen Huelvas begonnen, um die Öffentlichkeit auf die permanente Nichteinhaltung der Kollektivverträge, die zu den schlimmsten in ganz Spanien zählen, aufmerksam zu machen.
Auf diesem Hintergrund von Kämpfen um Land und direkte Aktionen gegen Spekulation und Monopolisierung, geht die von SOC-SAT seit 14 Monaten unterstützte Besetzung der Finca de Somontes in Palma del Rio weiter. Dort haben an die zwanzig Land-arbeiter_in-nen, unterstützt von diversen Kollektiven aus Spanien und Europa, eine Reihe von Gemeinschaftsproduktionen angelegt, wie z.B. Oliven- und diverse Obstplantagen, ökologische Viehzucht und Direktvermarktung ihrer Produkte in den sozialen Alternativnetzwerken. Auf diesem Land, dessen Besetzung die Versteigerung unter den Großgrundbesitzern verhinderte, wurden mehr als 1.500 Bäume gepflanzt und wichtige Investitionen für das Bewässerungssystem getätigt. Für diesen Sommer ist der Bau eines Teiches vorgesehen, der es erlauben wird, mehr Fläche zu bewässern. Im Augenblick sind ungefähr sieben Hektare Garten angebaut und fast 200 ha Trockenkulturen (Sonnenblumen, Gerste, Weizen und Kichererbsen), was fast die Hälfte der Gesamtfläche des Hofes ausmacht. Somontes ist der Ausdruck dessen was der Kampf, die Arbeit und die Organisation der Landarbeiter_innen ausrichten können, wenn man mit Entschlossenheit den Weg der Würde und der Selbstverwaltung einschlägt.

Koordination und Unterstützung

Parallel zu den permanenten sozialen Mobilisierungen und der täglichen Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben und Dörfern, arbeitet die SOC-SAT in Koordination und zur Unterstützung dieser verschiedenen Besetzungen und Kooperativen. In diesem Sinn ist auch ein Gesetzentwurf über das Andalusische Agrarerbe zur Verteidigung des öffentlichen Besitzes von Land, welches dauerhaft außerhalb des Kommerzes und der Spekulation bleiben soll, ausgearbeitet worden. Diese Ländereien sollen Land-arbeiter_innen - Kooperativen zur nachhaltigen Nutzung und Bebauung unter Respektierung der Agrarökologie, der Biodiversität und der Nahrungssouveränität übergeben werden. Es wird somit von der andalusischen Regionalregierung eingefordert dass diese Ländereien und Gemeinschaftsgüter wie Weideland, Wälder, Wasser und Saatgut verteidigen und beschlagnahmen soll und die bäuerliche Landwirtschaft durch Finanzierung, Maschinenparks, Saatgutbanken und öffentliche Systeme der handwerklichen Weiterverarbeitung unterstützt. Ebenfalls soll die lokale Vermarktung gefördert werden.
Im Mai 2013 antworten tausende von andalusischen Landarbeiter_in-nen und tausende Arbeiter_innen und Arbeitslose aus den Städten Andalusiens auf die Kapitalkrise die die Monopolisierung der natürlichen Ressourcen vorantreibt, den Sozialstaat zunichte macht und die Ausbeutung der Arbeiter und die Repression gegen dieselben verschärft, mit einem Kampfgruss, Engagement und gegenseitiger Solidarität. Europa braucht, mehr denn je, die Unterstützung und die Koordination aller Bewegungen die aktiv ein anderes soziales, politisches und ökonomisches Modell zu verwirklichen suchen. Die Einheit zwischen den Bäuer_innen und den Arbeiter_innen auf dem Land und in allen Ecken unseres Kontinentes, in Koordination mit den sozialen Bewegungen, den Umweltschützern und den Konsumenten, die für ein anderes Agrarmodell kämpfen, welches auf der Ernährungssouveränität und der nicht-kapitalistischen bäuerlichen Landwirtschaft basiert, ist der große Beitrag von Via Campesina Europa (ECVC) zu diesem unvermeidlichen Umwandlungsprozess den Europa und unser ganzer Erdball dringend brauchen.

*Verantwortlicher für den Bereich Ernährungsunabhängigkeit der SOC-SAT, Andalusien.