Statt Flughafen, Gemeinschaftsland!

von Einige Bewohner·innen der Zad, 01.04.2019, Veröffentlicht in Archipel 280

Am 17. Januar 2018 kündigte der französische Premierminister an, dass es keinen Flughafen in «Notre Dame des Landes» bei Nantes geben würde. Dank einer jahrzehntelangen Widerstandsbewegung musste die Regierung dieses wahnwitzige Projekt aufgeben. Ein Jahr danach feiern die Bewohner·innen der «Zad» (Zone à défendre) mit ihren Unterstützer·inne·n den Erfolg und planen ihre Zukunft.

Eine Menschenmenge taucht aus dem Wald auf, singend, mit Fackeln in der Hand. Am 17. Januar 2019 lassen sich hunderte Menschen feierlich unter einem Zirkuszelt an den Tischen nieder. Seit drei Tagen bereiten begeisterte Köch·inn·e·n und Konditor·inn·e·n Königin-Pasteten, Rindereintopf und Torten für das Bankett vor. Vor genau einem Jahr hatte der Premierminister live angekündigt, dass es keinen Flughafen geben würde, und zu diesem Anlass wurde ein Banner mit der Aufschrift «Das hat gesessen!» auf einem Leuchtturm in der Zad gehisst.

Wir haben beschlossen, dass der 17. Januar nun ein Feiertag wird! Wir möchten daran erinnern, dass die Bewahrung dieser einzigartigen Landschaft dank einer langandauernden Bewegung von hartnäckigem und kreativem Widerstand breiter Bevölkerungsschichten möglich war. Diese Bewegung war ebenso breit wie umstritten und musste regelmässig auf offensive und illegale Aktionsformen zurückgreifen, um sich Gehör zu verschaffen und voranzukommen. Der vielgestaltige Kampf und der Sieg gegen den Flughafen markierten eine ganze Ära und inspirierten viele andere territoriale Widerstände gegen zerstörerische Entwicklungen. Wir werden jedoch nicht vergessen, dass auf den 17. Januar 2018 auch eine brutale staatliche Rache an der Zad folgte, die zur militärischen Auslöschung einer Reihe von Lebensorten der verschiedenen Kollektive führte. Aber trotz aller Widrigkeiten geht das gemeinsame Abenteuer weiter, um andere Lebensweisen auszuprobieren. Ein Jahr nach der Aufgabe des Flughafenbauprojektes treiben viele der bäuerlichen, handwerklichen, kulturellen und politischen Projekte, die aus der Besetzungsbewegung kommen, weiterhin Wurzeln. Diese Projekte sind in einer vernetzten, kooperativen Weise geplant, welche die Perspektiven des Kollektivs der «Naturforscher·innen im Widerstand», aber auch die der sozialen Kämpfe in der Region miteinbezieht. Am 17. Januar wurde auch eine Kampagne für den Kauf von Grundstücken und Gebäuden der Zad durch einen Stiftungsfonds gestartet. Auch wenn es uns in vielerlei Hinsicht gelungen ist, der «Rückkehr zur Normalität» und der vom Staat gewünschten Individualisierung zu entkommen, ist die Verankerung der Zad als gemeinschaftliches Territorium noch lange nicht erreicht.

Kampf um den Boden

In dieser Woche, Ende Februar, und besonders seit dem Vollmond werden jede Nacht Lämmer im neuen Schafstall des Kollektivs «Cent Noms» geboren. Das Kollektiv siedelte sich nach der Zerstörung seines vorherigen Lebensortes durch die Gendarmerie im vergangenen Frühjahr im Dorf Liminbout an. Es ist Freitag am Mittag und während der Aperitif im Wirtshaus «Q de plomb» beginnt, bringt uns Marcel eine Flasche gelber Kolostrum-Milch von einer seiner Kühe, um das Frühstück eines verwaisten Lamms zu gewährleisten. Ein paar hundert Meter weiter auf dem Bauernhof «Bellevue» diskutieren noch etwa fünfzehn Personen über den allgemeinen Fruchtfolgeplan für dieses Jahr: Wie kann man sich am besten die Wechsel zwischen temporären Weiden und Sonnenblumen-, Linsen-, Kartoffel- oder Buchweizenkulturen auf diesen gemeinsamen Flächen vorstellen? Wie sieht es mit der Pflege der bestehenden Hecken und dem Pflanzen von neuen aus? Von den 1‘200 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in der Zad haben die verschiedenen bäuerlichen Aktivitäten, die sich aus dem Widerstand gegen den Flughafen ergeben haben, rund 150 Hektar bekommen können – nach einer ersten Reihe von Vereinbarungen mit der Regierung. Die Bauern und Bäuerinnen, die sich bis zuletzt geweigert hatten, weg zu gehen, können – nach Jahren der Ungewissheit – ihrerseits endlich ihre Aktivitäten auf 370 Hektar fortsetzen. Zu Beginn diesen Jahres wurden die ersten Verträge, die im Juni 2018 von den Bewohner·inne·n unterzeichnet wurden, um rund vierzig Hektar auf Flächen erweitert, die von der Präfektur bis dahin als «konfliktträchtig» eingestuft worden waren. Dabei geht es um Orte wie «Saint Jean du Tertre», «La Wardine» und «Noë Verte».

Einige Landwirt·inn·e·n hatten sich damals bereit erklärt, diese Parzellen der Eigentümerin, nämlich der Firma Vinci, zu überlassen, die für den Bau des Flughafens zuständig war. Dafür hatten sie Kompensationen in Form von Geld und Boden erhalten. Dieselben wollten nun die Absage des Flughafenbaus nutzen, um die entsprechenden Flächen zurückzufordern und damit ihre Höfe zu vergrössern. Aber die Verhandlungen mit der Regierung und die Mobilisierungen der letzten Monate haben es schlussendlich ermöglicht, unsere seit mehreren Jahren dort etablierten Aktivitäten in den Bereichen Tierzucht, Obst- und Gemüsebau fortzusetzen. Das gleiche gilt für rund 100 Hektar Land, auf dem die Landwirt·inn·e·n in diesem Jahr in den Ruhestand gehen werden – dort haben sich ebenfalls Leute aus der Bewegung, die eine Bäckerei sowie Schaf- und Kuhzucht betreiben, niedergelassen und Verträge unterzeichnet. Während in Frankreich jede Woche Dutzende von Bauernhöfen verschwinden, wird hier in den kommenden Jahren der Kampf um Land weitergehen. Wir arbeiten darauf hin, dass die verbleibenden Flächen, die vor dem Zubetonieren gerettet wurden, vor allem dazu dienen, junge Landwirte und Landwirtinnen und ihre Projekte aufzunehmen, und nicht der Vergrösserung benachbarter Betriebe und der Glyphosat-Landwirtschaft in die Hände fallen.

Ein anderes Leben und Bauen

In der «Ambazada», einem grossen Gebäude mit einem rötlichen Holzrahmen aus Epicea sitka und ockerfarben mit Lehm verputzten Strohwänden, bereiten die Bewohner·innen der Zad den Empfang eines Kollektivs aus dem Berry vor, das sich dem «illegalem Gemeingut» widmet und hier das zweite Treffen eines Diskussionszyklus «Zad, Guerilla Gardening, Squats, Anarchitektur» abhält. Seit Jahren ist die Zad ein Testgelände für jegliche Arten von Gebäuden und an diesem Wochenende geht es um die Frage, wie das in Zukunft so bleiben könnte. Während über Wohnverträge für bereits vor der Besetzung existierende Gebäude verhandelt wird, in denen heute Kollektive leben, gibt es immer noch keine Garantie dafür, dass die selbstgebauten Häuser und Hütten, die der Frühjahrsräumung entkommen sind, erhalten bleiben. Die Kommission «Wohnen» der Zad untersucht unter anderem, wie Bewohner·innen der umliegenden Gemeinden dazu gebracht werden könnten, «ein anderes Leben und Bauen» zu akzeptieren, und wie dieses in den lokalen Bebauungsplan integriert werden könnte. Die Wiederaufbauprojekte entstehen auf Grundstücken von Häusern, die im Zuge des Flughafenprojekts zerstört wurden. Im Gegensatz zur aktuellen industrialisierenden Entwicklung auf dem Land wollen wir in der Zad eine dichtere Verflechtung von Menschen, Tieren und Pflanzen bewahren.

Abrakadabois! – die Wald- und Holzgruppe

Das Kollektiv «Abrakadabois» setzt sich weiterhin für die Bewirtschaftung der bewaldeten Gebiete der Zad durch seine Nutzer·innen ein, mit dem Wunsch, den Bedarf an Bau- und Brennholz zu befriedigen, aber auch, eine poetische und sensible Beziehung zum Wald aufzubauen. Etwa zwanzig Personen wurden zehn Tage lang im Rohanne-Wald in der nachhaltigen Wald- und Forstarbeit geschult. Das Holzrücken wird durch imposante Zugpferde sichergestellt, welche die Reise mit unseren Freund·inn·en der Kooperative Longo maï von Treynas unternommen haben. Die Baumstämme werden dann aus dem Wald von Rohanne in den «Hangar der Zukunft» gebracht. Das Schulungsprojekt geht weiter, das mit den Dutzenden von Zimmerleuten begann, die 2016 gekommen waren, um die tragenden Teile dieses Hangars anlässlich einer Demonstration zu bauen. Letzte Woche wurde diese Holzwerkstatt der Zad von der sogenannten «Schule der Füchs·inn·e·n» bevölkert. Dieser sechsmonatige Ausbildungszyklus in der Zimmerei entstand aus einer Kritik am starren und von Männern geprägten Korporatismus der Handwerksgesellen und dem zu engen Fokus auf eine klassische Ausbildung. Die «Schule der Füchs·inn·e·n» ermöglicht den Zugang zum Diplom, indem sie ihre Schüler·innen zu verschiedenen von Kollektiven bewohnten Orten im ganzen Land reisen lässt. Wie die Zapatist·inn·en strebt die Zad danach, eine «Universität der Erde» zu werden.

Ein Stiftungsfonds

Zweimal im Monat treffen sich die Nutzer·innen der Zad in «La Wardine» – Bewohner·innen der Zad, Naturforscher·innen, Land-wirt·inn·e·n und Genoss·inn·en des Vereins «NDDL Poursuivre Ensemble» zu Diskussionen über die strategischen Hauptausrichtungen für die Zukunft des Geländes. Eine Frage, welche die Debatte seit der Aufgabe des Flughafenbaus angeregt hat, ist die Aufrechterhaltung der «Commons». Der Staat hatte sich standhaft geweigert, den Weg für die Zad zu einem «neuen Larzac» zu ebnen und einen Pachtvertrag in Betracht zu ziehen, der den Boden, welcher von der Zad genutzt wird, an eine aus der Bewegung entstandene juristische Person delegiert hätte. Es war daher notwendig, nach anderen Lösungen zu suchen, also auch Eigentumsformen in Betracht zu ziehen, die zugleich der kollektiven Nutzung dienen könnten.

Zu Beginn des Jahres wurde daher eine erste Fundraising-Kampagne für den Stiftungsfonds «La terre en commun» («Gemeinschaftliches Land») gestartet (https://encommun.eco/). Es handelt sich um eine Struktur, deren Ziel es ist, die Grundstücke und Gebäude der Zad im Laufe der Zeit zu kaufen und zu sichern. Der Zweck des Stiftungsfonds ist es, diese vor den Risiken der industriellen Landwirtschaft, schädlicher Nutzung oder einer Musealisierung zu schützen. So ist es möglich, eine kreative, solidarische und nach aussen hin offene Vision des Territoriums zu bewahren.

Der Rat des Départements, der früher Verteidiger des Flughafenprojekts war, hat vor kurzem einen grossen Teil der von der Bewegung bewirtschafteten Flächen und eine Reihe von Gebäuden erworben. Einige Parzellen Ackerland und viele Gebäude waren jedoch nicht Gegenstand dieses Rückkaufs. Es handelt sich um eine Reihe von Wohnungen, Höfen und Gemeinschaftseinrichtungen sowie um Baugrundstücke, die der Staat in den nächsten Monaten verkaufen wird. Es ist daher dringend erforderlich, dass sich der Stiftungsfonds für den Erwerb von Land und Gebäuden positioniert. Durch eine erste Spendenaktion, die bereits gestartet wurde, konnten wir innerhalb von zwei Monaten mehr als 250‘000 Euro von rund 300 Spender·inne·n erhalten. Wir hoffen, dass es so weitergeht, damit wir den erforderlichen Betrag erreichen.

Wenn wir heute um breite Unterstützung für «La terre en commun» bitten, dann deshalb, weil wir davon überzeugt sind, dass der hier entstehende politische Horizont und die praktische Umsetzung, mit all ihren tastenden Versuchen und Irrtümern, Gestalt annimmt und deutlich mehr Menschen als nur seine unmittelbaren Bewohner·innen angeht.

Post-Scriptum Trotz der Horizonte, die sich öffnen, und des Lebens, das hier im Überfluss vorhanden ist, werden wir weiterhin von staatlicher Seite angegriffen. Am Morgen des 22. Januar landeten 300 Polizisten in der Zad, um dort Leute zu verhaften und Hausdurchsuchungen vorzunehmen. Fünf Bewohner·innen der Zad wurden auf der Grundlage falscher Aussagen einer Person angeklagt, die einen Bewohner der Zad mit einer Axt angegriffen hatte. Anschliessend wurden von Seiten der Anklage anonyme Aussagen gegen die fünf Bewohner·innen verwendet. Zwei der verhafteten Personen sind nicht mehr berechtigt, im Rahmen ihrer gerichtlichen Überprüfung in die Zad zurückzukehren, zwei weitere befinden sich noch auf unbestimmte Zeit in Haft. Zehn weitere Bewohner·innen wurden am 4. Januar in die Gendarmerie von Blain vorgeladen. Ein Solidaritätskommitee1 wurde gegründet.

Einige Bewohner·innen der Zad

  1. Für weitere Informationen: zadibao.net und zad.nadir.org