Das Gericht von Santa Cruz de Tenerife hat vier Migranten, die beschuldigt worden waren, einen Aufstand im Lager Las Raíces in La Laguna provoziert zu haben, zu einem Jahr bedingtem Gefängnisverurteilt. Noch am Tag des Schuldspruchs wurden sie freigelassen –ein Erfolg!
Wir erinnern uns: Im Februar 2020 werden die ersten riesigen Flüchtlingscamps auf Teneriffa eröffnet und plötzlich finden sich tausende Schutz suchende Menschen auf sehr engem Raum in provisorischen Massenunterkünften wieder. Mehrmals täglich müssen die Menschen stundenlang für Essen und eine Dusche anstehen. Ständig von Abschiebung bedroht und in Ungewissheit schwebend ergab sich unter ihnen eine explosive Stimmung und es kam zu Schlägereien in den Lagern Las Raíces und Las Canteras. Die Staatsanwaltschaft forderte horrende elf Jahre Gefängnis für die seit April 2021 in Untersuchungshaft sitzenden jungen Menschen.
Das Gericht kritisiert die «nicht glaubwürdige Version» der NRO-Mitarbeiter, die das Lager leiteten, und die als Zeugen im Prozess auftraten. So wurde zumindest in Teilen die Anklage als eine Farce demaskiert. Die Verurteilung zu einem Jahr Gefängnis wurde von spanischen Medien auch als ein Gesicht wahren wollen vor der Staatsanwaltschaft gedeutet. Ob das Gericht etwas genauer hinterfragte, weil es internationale Aufmerksamkeit gab? Nein, der Prozess wurde nicht international beobachtet – da wird noch viel zu machen sein! Allerdings konnte, auch dank der Unterstützung des EBF, für einen ausserordentlich kompetenten und engagierten Rechtsbeistand gesorgt werden. Vielen Dank und ein grosses Bravo an die Anwältin Loueila Mint El Mamy!
Noch sitzen allerdings mehrere Dutzend andere Geflüchteter im Gefängnis, allein auf Teneriffa. Wegen angeblichen Menschenhandels, der oft nur damit begründet wird, dass sie beim Steuern über den Atlantik Verantwortung übernahmen. Nicht, weil sie etwa Geld dafür bekommen hätten. Eine klassische Schuldumkehr, wie im Fall eines Vaters, dessen Sohn vor Samos auf der Flucht im Mittelmeer ertrank. Der Vater wird sich für den Tod seines kleinen Jungen vor Gericht verantworten müssen. Welch Schande für Europa!
Ohne internationale Aufmerksamkeit für diese Missstände und ein Umlenken der europäischen Grenzpolitik riskieren diese Menschen, für Jahrzehnte hinter Gittern zu verschwinden. Das Gegenteil von Freiheit im freien Europa.
Johannes Dahmke