Vom Adel des Handels oder vom Handel des Adels?

von Nicolas Furet, EBF, 10.05.2003, Veröffentlicht in Archipel 105

Die "Antikriegskoalition" Paris-Moskau-Berlin hat mehr als einen politischen Beobachter überrascht, uns übrigens auch. Wie alle anderen warteten wir darauf, dass sie im letzten Moment ins Schwanken geraten würde.

Aber nein! Wenn man auch eine gewisse Schadenfreude beim Anblick der Uneinigkeit in der G8-Koalition nicht unterdrücken kann, war sie doch vorhersehbar, angesichts der Unnachgiebigkeit, der Arroganz und der Einseitigkeit der Amerikaner, berauscht von ihrer militärischen und technologischen Übermacht. Das "alte Europa" hat die mafiösen Soldatenmethoden des Paten aus Amerika nicht übernommen, hat sich auch nicht zum zweiten Mal zwingen lassen wie beim Kosovokrieg, als die Form scheinbar gewahrt worden war - man erinnere sich an die Diplomatiekomödie von Rambouillet. Damals hatten die öffentlichen Meinungen, die Mehrheit der institutionellen Linken, die Grünen und sogar einige "Pazifisten" auf "Freiheitskämpfer" gespielt. Diesmal hat die politische Propagandamaschine nicht mehr richtig funktioniert, die USA machen Angst mit ihrem Krieg, der nach Kreuzzug und Totalitarismus riecht. Daher die Weigerung bei der Mehrheit der Bevölkerung fast aller europäischer Länder, dieses militärische Abenteuer und seine unvorhersehbaren Folgen zu billigen.

Kann man also sagen, dass die riesigen Demonstrationen die französische, deutsche und russische Regierung dazu gebracht haben, mit ihrer Position Moral und Würde aufrechtzuerhalten? Vorsicht mit einer übereilten Antwort... Wenn die eindeutige Opposition der europäischen Bevölkerung die "Antikriegskoalition" auch bestärkt hat, so sind die Motivationen der "rebellischen" westlichen Politiker wahrscheinlich nicht so nobel wie ihre Diskurse glauben lassen könnten. Mit diesem Krieg, in dem sie die Annexion des Irak anvisierten, wollen die USA das einzige Land dieser Region unter Kontrolle bringen, das nicht mit ihnen, sondern mit Europa enge Beziehungen hat, vor allem mit Frankreich und mit Russland. Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, die Wirtschaft ist heute die unersättliche Herrin der Politik, hier erobern unsere "lieben Verbündeten" einen Markt, der bisher besonders für die französischen und russischen Multis einträglich war. Die französische und die russische Regierung schlagen hier zwei Fliegen mit einer Klappe: die Verteidigung ihrer ökonomischen Interessen versteckt hinter der universellen politischen Moral. Wer weiß, vielleicht überfallen sie demnächst Gabun, Kamerun oder Djibouti... Es wäre an der Zeit, unter den "Alliierten der freien Welt" einen Kodex für gutes Benehmen festzulegen.

Das plumpe Bestehen Frankreichs darauf, dass die UNO nach dem Krieg die Verwaltung übernimmt, zeugt von dieser Ambiguität. Wenn man nämlich diesen Eroberungskrieg als illegitim betrachtet, wäre es politisch kohärent, den sofortigen Rückzug der Invasionstruppen via UNO-Sicherheitsrat oder sogar Generalversammlung zu fordern und natürlich die Überquerung seines Luftraums durch anglo-amerikanische Militärflugzeuge zu verbieten. Hier wird jedoch versucht, es allen ein bisschen recht zu machen, den Krieg auf diplomatischen Wegen zu verurteilen, aber seinen Anteil an der Beute – von der UNO verteilt – wollen und so hinterher diesen "militärisch-humanitären" Überfall schließlich doch absegnen. Objektiv gesehen wird hier die UNO zum Werkzeug gemacht für die internationale Legitimierung der globalistischen Staatstreiche des Westens, wie auch in Serbien und im Kosovo. Wie die französische Regierung sagt, ist es wahrscheinlich, dass die Standpunkte des "alten Europa" und des "jungen" US-Imperiums gar nicht so unversöhnlich sind. Außer die amerikanische Regierung agiert weiterhin so plump und brutal, was auch nicht auszuschließen ist.