ROHSTOFFE: Uranabbau in Afrika

von Günter Hermeyer, BI-Lüchow Dannenberg, Deutschland, 19.02.2014, Veröffentlicht in Archipel 222

Anfang Oktober 2013 nahmen wir an der «Internationalen Konferenz zu Uranabbau und dessen Folgen für Umwelt und Gesundheit» in Bahi/Dodoma und Dar Es Salaam in Tansania teil.

In Tansania soll an mindestens drei verschiedenen Orten Uran abgebaut werden. Ein Stück Naturpark, das aus dem Selous Game Reservat - einem Weltkulturerbe der Unesco - herausgelöst wurde, dazu ein riesiges Reisfeld bei Bahi und eine von der katholischen Kirche bearbeitete fruchtbare Landschaft bei Manyoni, nicht weit von der Hauptstadt Dodoma, sollen in radioaktive Abbauhalden verwandelt werden. Die Opposition dagegen hat in Tansania einen schweren Stand.

Uranexperten_innen, Ärzt_innen und Wissenschaftler_innen aus mehreren Ländern besichtigten die Felder und warnten vor dieser «teuflischen Wahl». Eine dreiköpfige Delegation von ARACF (Verein der Angehörigen und Freund_innen der Gemeinde Falea, Mali)1 nahm ebenfalls an diesem internationalen Erfahrungsaustausch teil.#

Ankunft

Am Dienstag, 1. Oktober 2013, ist unsere international besetzte Gruppe am Flughafen der Hauptstadt Dodoma vollständig und wir fahren mit neun Fahrzeugen direkt weiter in die Gegend um Bahi, um uns ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Es ist Trockenzeit, und wir sehen blaue Kunststoffrohre, die etwa einen halben Meter aus dem Boden ragen und nicht verschlossen sind. Seit den Probebohrungen klagen die Menschen, die auf den Feldern arbeiten, über Hautreizungen und Ekzeme, die durch die Chemikalien hervorgerufen werden, die beim Bohren Verwendung finden und in die Böden und damit in das ganze Sumpfgebiet gelangen. Im Dorf angekommen, tragen wir uns ins Gästebuch ein, wie es die Sitte verlangt. Danach kommt es zu Diskussionen, und die Polizei, mit der wir uns auf der Rückfahrt konfrontiert sehen, beschreibt die Situation als Tumult und kann angeblich nicht mehr für unsere Sicherheit garantieren. Sie führt uns als Konvoi zur nächsten Polizeistation und verhört einen der Organisatoren des Besuches, Anthony Lyamunda, Ratsmitglied des Distriktes, während einiger Stunden. Erst der Anwalt und Parlamentsabgeordnete Tundu Lissu, der extra aus Dodoma kommt, beendet das Verhör und wir fahren zurück in die Hauptstadt. Geplant war, den ersten Teil der internationalen Konferenz in Bahi durchzuführen, aber mit der gleichen Sicherheitsbegründung verlangte die Polizei, diesen nach Dodoma zu verlegen. Trotzdem kamen mehr als 250 Menschen aus Bahi und Manyoni am folgenden Tag in Bussen nach Dodoma.
Verschiedene Wissenschaftler_innen und Betroffene aus Kanada, USA, Australien, Afrika und Europa informierten die gut vierhundert Kongressteilnehmer_innen über die Gefahren und Auswirkungen des Uranabbaus. Danach reisten wir weiter nach Dar Es Salam. Das Ministerium für Energie teilte derweil mit, dass vom Uranbergbau keine Gefahr ausgehe und er im Gegenteil für die Entwicklung des Landes vonnöten sei (The Gardian, 2.10.2013).

Konferenz in Dar El Salaam

Hellen Kijo Bisimba, Direktor des Legal Human Rights Center (LHRC), und Joan Leon von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, beide aus Dar Es Salaam, und Günter Wippel vom Uranium Network begrüßen zur Eröffnung der Konferenz in Dar El Salaam ein neues Publikum. Nur wenige Menschen aus Bahi und Manyoni konnten die achtstündige Reise in die Stadt antreten. Trotzdem sind auch hier gut vierhundert Menschen anwesend. Der tansanische Minister für Gesundheit, Dr. Hussein Mwinyi, erklärt, gemeinsam mit Dr. Andreas Nidecker von der IPPNW-Schweiz2, die Konferenz offiziell für eröffnet. In einem Interview für Radio Zinzine und Archipel wird Herr Mwinyi gefragt, wie die Regierung Tansanias die enorme Last der Renaturierung der Minen bewältigen will und wer dafür bezahlen wird. Wir erfahren, dass angeblich alles vertraglich geregelt sei und Kapazitäten dafür aufgebaut werden sollten.

Hilma Shinondola-Mote aus Namibia beschreibt die dortige Ausbeutung der Minenarbeiter und den fehlenden Arbeitsschutz, der laut Minenbetreiber auch nicht nötig sei, denn «niedrige Strahlendosen seien nicht gefährlich», obwohl Hilma in ihrer Untersuchung (2008) «Mystery behind low level SRadiation» das Gegenteil nachweisen konnte. Robert Mtonga von der IPPNW-Sambia berichtet über Tuberkulose bei Minenarbeitern (ein Drittel der Bevölkerung!) und beschreibt die Situation als das heute schlimmste Gesundheitsproblem in Sambia.

Thomas Seifert, Professor für Geologie an der TU Bergakademie Freiberg, erklärt die «mysteriösen» Krankheiten der Minenarbeiter im Erzgebirge, die dort seit dem Mittelalter Silbererz schürfen und dabei das freigesetzte Radongas aus Urananteilen einatmen, das auch heute noch eines der Hauptprobleme der Minenarbeiter darstellt und Lungenkrebs verursacht.

Aus Südafrika ist Mariette Liefernik angereist. Sie arbeitet für die Federation for a Sustainable Environment und beschreibt die Hinterlassenschaften der Minen als das drittgrößte Problem nach der Erderwärmung. «Minen ziehen weiter, die Menschen bleiben und leben in der Nähe von Abraumhalden, (Tailings) die mit der Strahlungsintensität von Tschernobyl vergleichbar sind.» Winderosion treibt entstehende Teilchen und Gase aus diesen Gegenden über riesige Distanzen und konnten beispielsweise in Tasmanien3 nachgewiesen werden. Kosten-Nutzen Berechnungen werden immer nur für den laufenden Betrieb der Minen gerechnet. Post-Mining-Kosten - die Kosten nach dem Minenabbau - sind nicht dabei und werden auch von den internationalen Institutionen wie der Weltbank etc. ignoriert. Auch die SDAG-Wismut4 hat laut Urs Ruegg, Prof. für Pharmakologie IPPNW Schweiz, nach allen Kosten-Nutzen Berechnungen niemals Gewinn erwirtschaftet. 80 bis 90 % des abgebauten Urans wurden für Waffentechnologie benutzt.

Nouhoum Keita aus Bamako in Mali beklagt das fehlende Wissen über die Aktivitäten der internationalen Konzerne und die Armut seines Landes, obwohl jedes Jahr etwa 50 Tonnen Gold exportiert werden. Sein Landsmann Cheik Oumar Camara, Vizepräsident des Bezirkskreises von Kenieba, zu der auch die Gemeinde Falea gehört, beschreibt das Treiben der Konzerne als Genozid und ist entschlossen, den Kampf ohne Waffen aber mit Intelligenz bis zum Ende weiterzuführen. Zum Abschluss hören wir Solli Ramatou aus dem Niger, wo der französische Staatskonzern Areva seit über 40 Jahren Uran für seine Atomkraftwerke und den Weltmarkt abbaut. «Ab drei Uhr morgens ist es möglich, für eine Stunde Wasser zu besorgen, während die Minen um Arlit etwa 900'000 m3 pro Stunde verbrauchen». Diese Minen sind der größte Arbeitgeber im Niger. Das meiste Geld fliesst jedoch in die Taschen von Areva und einigen Regierungsmitgliedern, während die Bevölkerung eine der ärmsten der Welt bleibt. Ihr Fazit: «Im Gegensatz zu uns hat Falea noch eine Wahl, und wir müssen den Menschen dort helfen.»

Die Tanzania Atomic Energy Commission (TAEC) wurde 2003 mit dem Atomic Energy Act No.7 geschaffen und soll die sichere und friedliche Nutzung der Atomenergie für Gesundheit und Wohlstand der tansanischen Bevölkerung fördern. Laut dem National Environment Management Council (NEMC) gibt es ohne Umweltverträglichkeitsstudie keine Lizenz zum Abbau von Uran, es gibt aber noch keine Expert_innen, die eine solche Studie kritisch begleiten können.
Dort wo der Uranabbau schon einige Jahre stattfindet wie in Niger oder Kanada, sieht man die katastrophalen Fehlentscheidungen einzelner Politiker_innen und internationaler Konzerne, welche besonders in Afrika auf niedrige Umweltstandards und damit höhere Gewinne aus sind5. Im Falle Tansanias sind es Konzerne aus Australien, Russland und Südafrika.6

Uranabbau: Expert_innen warnen

"Expert_innen warnen" titelt der tansanische The Guardian am Samstag, dem zweiten Kongresstag in Dar es Salaam. Die Konferenz beginnt mit einem Bericht von Andreas Nidecker (IPPNW-Schweiz) zur Marktsituation des Urans als Energiequelle und stellt unter anderem fest, dass die Produktionskosten für Uran momentan höher liegen als der Verkaufswert und dass die Veränderung des Energiemarktes insgesamt eher zu einer Reduktion der Energieversorgung durch Uran führt.

Prof. Sebastian Pflugbeil erklärt die Geschichte der Wismut, der damals größten Uranmine der Welt in Ostdeutschland, und warnt dringend davor, Uran zu fördern, weil es nicht reparable Schäden verursacht und Abbaugebiete nicht vollständig zu renaturieren sind. Er erklärt, wie Areva, der französische Staatskonzern, von der Wismut gelernt hat und z.B. im Niger ein eigenes Krankenhaus an den Minen betreibt, so dass Krankheiten der Minenarbeiter nicht unabhängig begutachtet werden können.

David Fig aus Johannesburg, langjähriger Streiter gegen Uranminen und Kraftwerke in Afrika, unterstreicht die Wichtigkeit, die gesamte nukleare Kette zu verstehen. Seit rund zehntausend Jahren ist die Menschheit landwirtschaftlich tätig. Eine Uranmine verwandelt ein Reisfeld in eine Abfallgrube, die das Umfeld während Hunderttausenden von Jahren radioaktiv verstrahlt. Dagegen hören sich die Argumente der tansanischen Regierung gerade-zu schäbig an: Sie posaunt heraus, dass in der neuen Mine ein paar hundert Jobs geschaffen würden. Geschätzte Dauer des Uranabbaus: 30 bis 50 Jahre. Danach würde das Reisfeld während Generationen eine radioaktive Wüste bleiben, doch dies wird nicht gesagt.

«Die Menschen, die hier leben, müssen mitentscheiden können. Die Regierung sieht nur das Geld, was angeblich hereinkommt.» Amani Mustafa Haki Madini aus Niger betont die Abhängigkeit der Regierung von den internationalen Konzernen und ihre dadurch entstehende Haltung zum Bergbau. Sie unterdrücken systematisch die Stimmen der Bevölkerung, während die Konzerne einen immer größer werdenden Teil ihres Gewinns für ihre Sicherheit ausgeben, denn der Bergbau verdrängt fast alle anderen Aktivitäten wie etwa Landwirtschaft und führt zur Vertreibung der dort lebenden Menschen.

Die durchschnittliche Lebenserwartung in Tansania ist heute 56 Jahre, in Minengebieten 40 Jahre. Madini plädiert unbedingt dafür, die Menschen zur richtigen Zeit mit einzubeziehen und stellt die Frage, wie das Land mit Uranminen Geld verdienen soll, wenn dies schon mit den vorhandenen Goldminen nicht geklappt hat.

Anthony Lyamunda, Direktor der mitorganisierenden Nicht-Regierungsorganisation CESOPE7, berichtet über die Besichtigung der zukünftigen Uranminenstandorte in Bahi und Manyoni und die Erfahrung mit der Polizei. Verschiedene lokale Sprecher_innen ergänzen ihn: Ein gewählter Distrikt-Rat von Bahi möchte die lokalen Ressourcen im Besitz der Menschen von Bahi und nicht, wie im Gesetz geschrieben, im Besitz der Regierung sehen.

Lyamunda stellt noch einmal fest, dass Tansania ihnen allen gehört und nicht nur der Regierung und plädiert für eine nachhaltige Ökonomie in Bahi. «Internationale Investitionen haben der lokalen Bevölkerung keinen Wohlstand gebracht, lasst uns zuwarten, bis wir eigene Experten haben und wir als Einwohner von Tanzania entscheiden können». Danach wird noch ein gemeinsames Statement verabschiedet und der Kongress offiziell beendet.

In mehreren Ländern Afrikas werden momentan Explorations- und Uranabbaukonzessionen erteilt, auch wenn der Abbau nicht rentabel ist. Es wird offensichtlich, dass diese Investitionen – zumeist durch Kapitalgesellschaften mit Sitz in Kanada - als spekulative Geldanlagen zu betrachten sind, die erst bei einer veränderten Nachfrage ihren Profit liefern.

Nachwort

Die Atomkraft kann nur existieren wegen den jährlichen Euromillionen staatlicher Förderung durch den EURATOM-Vertrag8, dank der Subventionen durch die Rüstungslobby, staatlicher Standortvorteile für AKW-Betreiber und der Sozialisierung sowohl der Rehabilitierungs- und Renaturierungskosten der Tailings (radioaktiver Uranabbauschutt) als auch der immensen Kosten der Endlagerung der Uranabfälle. Dazu gesellt sich der Maulkorbvertrag, welcher die Weltgesundheitsorganisation WHO der Internationalen Atomenergie Agentur IAEA9 unterstellt. Die Nuklearlobby verhindert dank dieser internationalen Behörde mit Sitz in Wien Schadensersatzzahlungen an Minen- und AKW-Arbeiter und ihre Familien, die Anpassung der Versicherungspolicen an die möglichen Schäden durch AKW-Unfälle, die persönliche Haftung des Managements, die Beteiligung der Bevölkerung nach dem Prinzip «Freie Einwilligung nach vorhergehender fundierter Information», die Einrichtung öffentlich-rechtlicher Fonds für die Verwaltung der Rücklagen der AKW-Betreiber und - nicht zuletzt - die internationale und unabhängige Aufarbeitung der Katastrophe von Fukushima.

Günter Hermeyer, BI-Lüchow Dannenberg, Deutschland
Vollständiger Artikel auf: www.falea21.de

  1. Vergleiche Archipel Nr. 204, Mai 2012
  2. IPPNW= Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, Friedensnobelpreis 1985
  3. Tasmanien: Insel südlich von Melbourne, Australien
  4. Die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft SDAG-Wismut, zu Zeiten der DDR die grösste Uranmine der Welt