Vom 1. bis 7. April 2025 haben wir zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren eine Woche lang Seminare und Workshops im Hostel in Nischnje Selischtsche in Transkarpatien zum Thema psychische Gesundheit mit zwei Trainerinnen aus der Schweiz und Frankreich organisiert.
Transkarpatien, im westlichsten Teil der Ukraine, ist eine Region, die von den Bombardierungen wenig betroffen ist, dennoch sind die Auswirkungen des Krieges nach drei Jahren Konflikt sehr präsent. Es herrscht ein Klima der Besorgnis, eine gewisse Resignation hinsichtlich des Ausgangs des Konflikts und wenig Möglichkeiten, sich vorzustellen, was die Zukunft bringen wird. Es fehlen die Worte, um dies auszudrücken. All dies ist charakteristisch für eine «kollektive Traumatisierung», also einen Zustand anhaltender Belastung. Zeuge oder Zeugin von Zerstörung zu sein, Angehörige in Gefahr zu wissen und nicht auf die Situation Einfluss nehmen zu können, kann traumatisierend sein. Kriege dauern lange und hinterlassen, unabhängig von ihrem Ausgang, tiefe Spuren, die in der – hoffentlich bald beginnenden – Wiederaufbauphase berücksichtigt werden müssen. Das Risiko eines neuen Flüchtlingszustroms in den kommenden Monaten scheint schwer einzuschätzen, muss jedoch in Betracht gezogen werden.
Zwar konnten die Fachkräfte vor Ort verschiedene Schulungen zum Umgang mit den traumatischen Folgen eines gewalttätigen Ereignisses absolvieren, doch müssen noch Schulungen zur langfristigen Bewältigung der Konsequenzen einer Stresssituation, der wiederholten Gefährdung des eigenen Lebens oder des Lebens von Angehörigen entwickelt werden. Auch Schulungen zur Anpassung der Interventionsmethoden an Situationen, in denen ganze Gemeinschaften betroffen sind, sind notwendig. Dabei geht es nicht um individuelle Behandlungen, sondern um Möglichkeiten der kollektiven Unterstützung zur Verarbeitung der Ereignisse und zum Wiederaufbau sowie um Massnahmen auf Gemeindeebene.
Die Trainerinnen der vom EBF organisierten Schulung sind Frédérique Drogoul, Psychiaterin aus Paris, die lange Zeit für «Ärzte ohne Grenzen» in Kriegsgebieten (z. B. Tschetschenien) sowie in Krisensituationen gearbeitet hat, und Marulla Hauswirth, Psychologin aus Lausanne, die über langjährige Berufserfahrung in der Arbeit mit Geflüchteten in der Schweiz verfügt, die während bewaffneter Konflikte (insbesondere in Bosnien und im Kosovo) schwere Traumata erlitten haben. Unser übergeordnetes Ziel war es, den verschiedenen Berufsgruppen, die mit Menschen in Kontakt stehen, die vom aktuellen Krieg in der Ukraine betroffen sind, einen Raum zum Nachdenken, zur Weiterbildung und zur Erholung zu bieten. Je nach den Bedürfnissen der einzelnen Gruppen und zur Vorbeugung von Burnout vermittelten Frédérique und Marulla theoretische Grundlagen, Vorgehensweisen vor Ort und von ihrer eigenen Erfahrung inspirierte Techniken zur Regeneration. Da wir uns bewusst waren, dass die Teams vor Ort bereits über umfangreiche Erfahrungen verfügen und schon verschiedene Traumata-Schulungen absolviert hatten, ging es uns vor allem darum, die Umsetzung des mitgebrachten Wissens, das oft in anderen Kontexten erworben worden war, auf die spezifische Situation in der Ukraine anzuwenden. Ein gemeinsames Ziel war es, die Integration spezifischer Praktiken zu festigen und an den Risiken der beruflichen Erschöpfung zu arbeiten. Das Seminar im April bestand aus vier Teilen:
- Treffen mit den Menschen, die in den «Kunstcamps» arbeiten
- Treffen mit den Menschen im Dorf: Unterkunft, Aufnahme von Geflüchteten
- Schulung von Psycholog·innen und Therapeut·innen, die sich um Vertriebene und/oder um sonst direkt vom Krieg Betroffene kümmern
- Schulung von Psychiater·innen
Wir können sagen, dass das Seminar sehr gut angenommen wurde und die meisten Teilnehmer·innen die Ausbildung fortsetzen möchten. Wir beabsichtigen daher, für Ende dieses Jahres ein drittes Seminar zu organisieren.
Julia Poppei und Paul Braun, EBF
Ein Feedback
Einer der zahlreichen Erfahrungsberichte: «Ich möchte Ihnen ganz herzlich für diese unglaubliche Fortbildung für Psychologen danken, die für mich nicht nur eine berufliche Bereicherung war, sondern auch eine Quelle der Wärme, Inspiration und Erholung. Mein besonderer Dank gilt Marulla und Frédérique für ihre Sensibilität, Aufrichtigkeit und Professionalität. Ihr habt es geschafft, mit viel Feingefühl und Präzision die schmerzhaften Themen, mit denen wir täglich arbeiten, ans Licht zu bringen und gleichzeitig einen Raum zu schaffen, in dem es leicht war, zu atmen, sich auszutauschen und mit uns selbst und unseren Kollegen in Kontakt zu treten. Das ist sehr wertvoll.»
Irina M.