Bertha von Suttner schrieb vor 133 Jahren eines der bedeutendsten Bücher gegen die Kriegsverherrlichung, den Roman «Die Waffen nieder!». Die Schriftstellerin und Friedensforscherin war die erste Frau, die den Friedensnobelpreis erhielt. In einem Brief an sie schrieb Leo Tolstoi: «Der Abschaffung der Sklaverei ist das berühmte Buch einer Frau vorausgegangen, Mme Beecher Stowe; gebe Gott, dass das Ihre das Gleiche bewirke für die Abschaffung des Krieges.»
Ja, die US-amerikanische Schriftstellerin und erklärte Gegnerin der Sklaverei Harriet Beecher Stowe (1811-1896) schrieb zahlreiche Artikel und über 30 Bücher, eines davon im Jahr 1852. Es ist der Roman «Onkel Toms Hütte», ein Buch gegen die Sklaverei, das wir wohl fast alle gelesen haben und durch welches die öffentliche Meinung schon damals in den Vereinigten Staaten massgeblich beeinflusst wurde. Im Jahr 1865 wurde in den USA die Sklaverei offiziell abgeschafft. Rassismus und Segregation herrschten jedoch bis in die 1960er Jahre. Und leider ist auch heute auf Rassismus gegründetes mörderisches Verhalten keine Ausnahme – nicht nur in den USA.
Die österreichische Autorin Bertha von Suttner wiederum wurde 1889 durch ihren Roman «Die Waffen nieder! – eine Lebensgeschichte»1 bekannt, der 1889 veröffentlicht wurde. Sie schildert darin in der Ich-Form das Leben der aus Wien stammenden Gräfin Martha Althaus, eine in der Jugend «von allem Luxus umgebene Komtess». Martha beschreibt ihre früheren Vorstellungen, «dass der höchste Begriff menschlicher Grösse mir in kriegerischem Heldentum verkörpert schien». Ihr Papa, ein General «war so stolz auf seine Kriegserlebnisse und sprach mit solcher Genugtuung von den ‹mitgemachten Campagnen›, das mir unwillkürlich um jeden Mann leidtat, der keine ähnlichen Erinnerungen besitzt.» Die Romanfigur Martha Althaus verliert im Alter von 19 Jahren im Krieg ihren ersten Mann. Sie wird daraufhin zur überzeugten Pazifistin. Der zweite Ehemann teilt ihre Ansichten, obwohl er selbst Offizier in der Armee Österreich-Ungarns ist.
Adel und Klerus
Bertha von Suttner zeigt in ihrem Roman «Die Waffen nieder!» die kriegsverherrlichenden Ansichten des Adels und auch des Klerus, die es dem Volk schmackhaft machen sollten, zur Kriegs-Schlachtbank geführt zu werden. Sie berichtet in ihrem Buch über die Grausamkeiten auf den Schlachtfeldern, über die Leiden der Verwundeten, die Verstümmelungen der Toten und den Schmerz der Angehörigen. Vernichtend kritisch schreibt von Suttner auch über die Rolle der Militärgeistlichen, die den Kriegen Gottes Segen geben. Auch heute noch sind Feldprediger, Militärbischöfe, Feldrabbiner und Militärimame wichtige Stützen von Armeen. Feldprediger reden Soldaten ein, sie müssten keine Angst haben; Gott sei mit ihnen, wenn sie gegen das Böse und für den Frieden kämpften. Der Gottesglauben wird seit eh und je von den Kriegstreibenden für den Krieg instrumentalisiert.
Den Friedensnobelreis erhielt Bertha von Suttner im Jahr 1905. Sie starb 1914, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der Roman «Die Waffen nieder!» wurde in Österreich und Deutschland zum Signal für das Entstehen einer organisierten Friedensbewegung. Bis zu ihrem Lebensende war Bertha von Suttner für die Friedensbewegung tätig. Ihre letzten Worte waren: «Die Waffen nieder! Sagt’s vielen – vielen…»
Krieg ist kein Naturgesetz
In ihrem Aufsatz «Der Krieg wird kämpfend überwunden»2 schrieb Bertha von Suttner: «Nicht vom Frieden, wie es sonst meine Gewohnheit war, will ich heute sprechen, sondern vom Krieg und seiner Bekämpfung.» Sie stellte sich gegen die Meinung, der «Krieg sei Naturgesetz und der Krieg sei sogar Vater aller Dinge». «Vernunft und Güte sind keine leeren Worte», so von Suttner, «sie sind wirkende Kräfte. Schon viele Übel haben diese Kräfte weggefegt: Die Sklaverei, das Foltergericht, die Ketzer- und Hexenverbrennungen, das Faustrecht.»
Heute 107 Jahre nach dem Tod von Bertha von Suttner müssen wir leider sagen: Die Sklaverei wurde nicht abgeschafft. Millionen Hausangestellte, Bauern, Bäuerinnen, Arbeiter•innen, Kinder und Gefangene in vielen Ländern vegetieren in Knechtschaft wie Leibeigene. Prostituierte leben heute als Sexsklavinnen in Bordellen oder unter der Verfügungsgewalt von Menschenhändlern. Anstelle des Faustrechts sind heute aussergerichtliche Hinrichtungen von Verdächtigen durch Drohnen getreten.
Aber immerhin gibt es auch Erfolge im Engagement gegen den Krieg: Nach jahrelangem Kampf wurde in der Schweiz 1996 ein Zivildienst eingeführt, für Männer, die sich weigerten in der Armee das Töten zu lernen. Vor der Einführung des Zivildienstes wurden in der Schweiz Jahr für Jahr mehrere hundert Männer wegen Kriegsdienstverweigerung zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. Vor 1996 gab es auch nicht wenige Dienstpflichtige die Psychiater fanden, welche ihnen einen psychischen Defekt diagnostizierten, der sie als untauglich für den Kriegsdienst abstempelte. Diese Diagnose konnte aber auch Konsequenzen für ihr Berufsleben haben.
Wenn jemand nicht töten will
In vielen europäischen Staaten (mit Ausnahmen wie z.B. Österreich oder Dänemark) gibt es keine allgemeine Wehrpflicht mehr sondern Berufsarmeen. In Russland jedoch muss jeder Mann zwischen 18 und 28 Jahren einen zweijährigen Militärdienst absolvieren und es gibt keinen Zivildienst. Nach einem halben Jahr «Ausbildung» können die jungen Soldaten bereits in Kriegsgebiete geschickt werden. Wenn sie als Invaliden zurückkehren, ist das Militär für sie nicht mehr zuständig. Die russische Armee verlangt von ihren Soldaten eiserne Disziplin. Bekannt ist, dass Offiziere ihre Untergebenen häufig misshandeln. Misshandlung in der Armee ist einer der Gründe, warum jährlich ca. 3000 russische Soldaten ausserhalb der Kampfeinsätze sterben.
In der Ukraine dauert der Militärdienst 12 bis 18 Monate. Der alternative Dienst steht nur religiösen Verweigerern offen, die einer von zehn kleinen Religionsgemeinschaften angehören, also ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung. Und wie wir wissen, dürfen ausserdem seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine (24. Februar 2022) Männer zwischen 18 Jahren und 60 Jahren nicht mehr ausreisen.
Am Schluss des Textes von Bertha von Suttner «Der Krieg wird kämpfend überwunden» lesen wir: «Die Siegesgewissheit, welche die führenden Friedenskräfte erfüllt, beruht auf ihrem Bewusstsein, dass ihre Sache das Leben versus Vernichtung darstellt und daher nach und nach alle vitalen Kräfte an sich ziehen und zur Macht gelangen muss.» Eigentlich völlig logisch, klingt aber wie ein Traum.
Constanze Warta*
*Einen herzlichen Dank an Heinrich Frei, an dessen Artikel auf der Webseite der friedenspolitischen Organisation «IFOR Schweiz» ich mich massgeblich orientiert habe. Auch in der Online-Zeitung Info-Sperber wurde sein Artikel am 30.03.2022 in gekürzter Form publiziert. Heinrich Frei ist Mitglied der GsoA («Gruppe für eine Schweiz ohne Armee») und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein. Sonstige Quellen: Wikipedia, russian-online.net/de, tagesschau vom 25.01.2022
Das Buch «Die Waffen nieder!» erschien 1889 im Verlag Edgar Pierson in Dresden und erreichte innerhalb kurzer Zeit eine überragende Bekanntheit und Verbreitung. Es wurde in mehr als 15 Sprachen übersetzt und galt 40 Jahre lang als das wichtigste Werk der Antikriegsliteratur,
«Der Krieg wird kämpfend überwunden» wurde (unter anderem) 1967 in der Zeitschrift «Psychologische Menschenkenntnis» abgedruckt.